Tage am Strand

Eine Filmkritik von Sonja Hartl

Von Liebe, Begierde und Abhängigkeit

Von Kindheitsbeinen an sind Lil (Naomi Watts) und Roz (Robin Wright) beste Freundinnen. Sie leben in Australien in einer idyllischen Bucht am Ozean, abgeschieden vom Rest der Welt. Am Strand verbringen sie glückliche Tage, erst allein, dann mit ihren Männern und Söhnen.

Als Lils Mann stirbt, scheint es in dieser Konstellation kaum mehr einen Platz für Roz’ Ehemann Harold (Ben Mendelsohn) zu geben – wenn es ihn denn jemals gab. Deshalb verbringen Lil und Roz ihre Tage vor allem mit ihren Söhnen Ian (Xavier Samuel) und Tom (James Frecheville), die ebenfalls beste Freunde sind. Sie wachsen zu jungen Männern heran – und schließlich passiert es: Eines Nachts küsst Ian die beste Freundin seiner Mutter und gesteht ihr seine Liebe. Anfangs sind Lil und Tom abgestoßen – Lil fühlt zum einen, dass es falsch ist, zum anderen will sie sich ein ähnliches Begehren nicht eingestehen; Tom glaubt sich hingegen von seinem Freund verraten, scheint es ihm dann aber nachmachen zu wollen. Und so entsteht in dieser Bucht zwischen zwei Müttern und zwei Söhnen eine menage à quatre, die vor Außenstehenden geschickt verborgen wird.

Basierend auf der Novelle Grandmothers (dt.: Ein Kind der Liebe) von Nobelpreisträgerin Doris Lessing erzählt Regisseurin Anne Fontaine in ihrem Film nach einem Drehbuch von Christoph Hampton eine schwierige Geschichte über Nähe, Liebe und Abhängigkeiten. Auf den ersten Blick sind Lil und Roz zwei attraktive ältere Frauen, die mit ihren heranwachsenden Söhnen Spaß haben. Sie gehen zusammen schwimmen, essen und trinken gemeinsam. Doch aufgrund der Blicke und Gesten, der bewussten Inszenierung der körperlichen Attraktivität aller Beteiligten liegt in den Bildern eine sexuelle Konnotation. Hinzu kommt, dass diese vier Menschen fast losgelöst von ihrer Umgebung scheinen. Sie treten nur selten in Interaktion mit Außenstehen, die sich zumeist auch als solche empfinden. Darüber hinaus klingen viele der von Christopher Hampton aus der Novelle übernommenen Dialogzeilen künstlich, so dass der Film im Zusammenspiel mit dem losgelösten Handlungsort wie eine Versuchsanordnung wirkt, die mit einer unpassenden Ernsthaftigkeit betrieben wird. Hier fehlt das Spielerische, die Leichtigkeit, so dass der betont lockere Umgang der Mütter mit ihren Söhnen und später der jeweiligen Paare inszeniert erscheint. Dagegen können auch die guten Hauptdarsteller nichts ausrichten.

Die Wirkung dieses Films hängt vollständig davon ab, inwieweit man sich auf das inszenierte Paradies ungleicher Liebe einlassen kann. Solange man sich nicht daran stört, dass die vier sich problemlos mit der Situation arrangieren und als Normalität akzeptieren sowie sämtliche Fragen eines Missbrauchs ausblenden kann, könnte Tage am Strand als ein Film über zwei Frauen gesehen werden, die gegen das Älterwerden eine Unsterblichkeit, gegen das vermeintliche Verblassen ihrer sexuellen Anziehungskraft die Leidenschaft eines Jünglings setzen wollen. Blendet man diese Aspekte aber nicht aus, so bleibt ein zweifellos gut gespielter, aber oberflächlicher Film, der vor dem entscheidenden Schwenk ins Melo- oder Dramatische zurückschreckt und somit an seiner schicken Oberfläche verbleibt. Diese Figuren haben keine Sorgen – außer sich selbst. Sie haben keine Freunde – außer sich selbst. Und das ist weniger Genügsamkeit als Narzissmus.

Dabei wird die psychologische Tiefe auf die Andeutung beschränkt, dass Ian den Verlust seines ohnehin häufig abwesenden Vaters nur schwer verkraftet hat und deshalb bei Roz nicht nur Bestätigung, sondern auch zusätzliche Nähe sucht. Tom lässt sich hingegen eher treiben, daher bleibt sogar in der Schwebe, ob er von alleine ebenfalls auf die Idee gekommen wäre, sich in Lil zu verlieben. Und selbst als sich die Mütter eingestehen, dass sie Gefallen an ihren Affären finden, konstatiert Lil lediglich, dass sie eine Grenze überschritten hätten („crossed a line“), sie damit aber nicht aufhören wolle. Also machen sie weiter. Die Folgen ihres Verhaltens deuten sich erst am Ende des Films an, an dem es zu dem ersten und einzigen Ausbruch von Aufrichtigkeit kommt. Und selbst das hätte funktionieren können, wenn der Film vorher einen leichteren Ton angeschlagen hätte. Aber die vielen gedehnten Aufnahmen von Christophe Beaucarne und getragene Musik von Christopher Gordon und Antony Partos blähen diesen Film auf und geben ihm zu viel Ernsthaftigkeit.

Somit ist es vor allem Naomi Watts und Robin Wright zu verdanken, dass man sich auf diesen Film überhaupt einlassen will. Es ist eine Freude, sie zusammen auf der Leinwand zu sehen, wenngleich sie oftmals nur in verschiedener Bekleidung am Strand sitzen müssen. Hinzu kommt, dass die Erzählstruktur der Novelle aufgebrochen wurde, indem die Geschichte chronologisch geschildert wird. Dadurch erhält Tage am Strand immerhin noch die Spannung, ob und wie die vier auffliegen werden.
 

Tage am Strand

Von Kindheitsbeinen an sind Lil (Naomi Watts) und Roz (Robin Wright) beste Freundinnen. Sie leben in Australien in einer idyllischen Bucht am Ozean, abgeschieden vom Rest der Welt. Am Strand verbringen sie glückliche Tage, erst allein, dann mit ihren Männern und Söhnen.

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Meinungen

womin · 28.11.2013

Ich habe den Film gestern in einem "Ladies Preview" gesehen. Mehrere Damen sind vor Ende des Films gegangen und der größte Teil des verbleibenden Publikums hat die Flucht in Albernheiten, fröhlichen Kommentaren und Humor gesucht. Die Dialoge sind gestelzt, wir sehen ständig die Mütter beim Essen und Wein trinken mit ihren Söhnen und wenn sie nicht damit beschäftigt sind . . .am Strand! Wer diesen Film nicht sieht- hat gewonnen!!!

Ein Vater · 08.08.2019

Vielen dank so sehe ich den Film auch. Unterste Schublade