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Windenergie ist die Zukunft. Auch die einer Bauernfamilie in der französischen Provence, die entscheiden muss, ob sie einen Teil ihres Lavendelfeldes für den Ausbau einer Windkraftanlage abgibt.

Die Farbe des Windes (2022)

Eine Filmkritik von Teresa Vena

Der Wind dreht

Es fängt bereits mit Idylle an. Die ersten Bilder zeigen einen blauen Himmel, durchsetzt mit einer harmonischen Wolkenstruktur. Dazu spielt einschmeichelnde Musik. Ein Junge rast auf dem Fahrrad einem fahrenden Zug hinterher. In diesem befindet sich eine junge Frau, die beiden werden sich bald treffen. Die Weichen sind gelegt, für eine dieser klassischen Liebesgeschichten, so glaubt man. Ganz so einfach wird es einem der Film aber nicht machen.

Das Spielfilmdebüt des französischen Regisseurs und Produzenten Noël Alpi möchte Verschiedenes sein. Sowohl auf Deutsch, Die Farbe des Windes, als auch im französischen Original (Grand Ciel, auf Deutsch: großer, weiter Himmel) ist der Titel äußerst poetisch, doch kann der Film die Erwartungen, die damit geweckt werden, leider nicht erfüllen. Das liegt unter anderem an einem etwas fahrigen Drehbuch. Bis zuletzt ist nicht ganz sicher, welchem Genre sich Alpi genau zuwenden möchte.

Auf der einen Seite könnte es ein Umweltkrimi sein: Louna (Laura Berlin) ist eine junge deutsche Ingenieurin, die in die französische Provence reist, um dort einen Windenergiepark aufzurüsten. Dafür muss sie einen Lavendelbauer davon überzeugen, ein Stück seines Landes an den Bauherrn zu verkaufen. Wird sie ihn über Ohr hauen? Zerstört der Bau der Windanlagen wirklich das ländliche Wirtschaftssystem? Eine befriedigende Antwort auf diese und eine Reihe anderer Fragen wird man nicht bekommen.

Die Farbe des Windes ist auch eine Gesellschaftsstudie, das Porträt einer ungewöhnlichen Mutter-Sohn-Beziehung und die Erzählung einer genauso ungewöhnlichen Freundschaft. Aber eigentlich noch einiges mehr, doch eben nichts davon richtig. Besonders viel Potenzial hätte das Verhältnis zwischen Colette (Elise Larnicol) und ihrem Adoptivsohn Lionel (Anthony Jeanne) gehabt. In der Romanvorlage von Nicole Couderc, die Alpi als Inspirationsquelle für den Film erwähnt, soll es sich um eine inzestuöse Verbindung handeln. Der Regisseur umgeht eine solche explizite Auslegung, was ihm auf jeden Fall zu Gute zu halten ist.

Trotzdem bleibt er in seiner Beschreibung dieser Beziehung sehr oberflächlich. Es liegt an der bemerkenswerten Darstellung von Elise Larnicol in der Rolle der Mutter, dass die Szenen dennoch zu den besten des Films gehören. An das gleiche Charisma reicht aber Anthony Jeanne nicht heran. Ein Grund dafür ist auch hier, dass die Figur nicht präzise genug ausgearbeitet ist. Handelt es sich um einen ganz normalen rebellischen Jugendlichen, einen Kleinkriminellen oder etwa einen Menschen mit einer psychischen Behinderung?

Insgesamt fehlt es allen Charakterzeichnungen an Glaubwürdigkeit. Die deutsche Jungingenieurin ist einfach zu jung. Thematisieren zu wollen, dass sie sich in einem Berufsfeld bewegt, der von Männern dominiert wird, wäre interessant, doch kommt es konkret um keinen Reibungen, die die Relevanz davon unterstreichen würden. Dafür erscheinen andere Szenen wiederum völlig fragwürdig. Louna steht in ihrem gemieteten Zimmer, Colette besucht sie, an der Wand hängen Bilder von Lounas Großvater, der Pilot und Flugzeugbauer. Was sie dann aus dem Nichts über die Bedeutung und Notwendigkeit von Krieg erzählt, das ist schon fast surreal. Wer denkt sich solche Sätze aus?

Die Konflikte zwischen den Figuren sind kaum nachvollziehbar. Das Spiel wie auch die Ästhetik des Films haben etwas Steifes, das sehr an die Konventionen des Fernsehfilms erinnert. Das gilt auch für den Schnitt und die fein ausbalancierte Bildkomposition. Besonders ansprechend sind die entstandenen Aufnahmen aber nicht. Gerade die berühmten Lavendelfelder der Provence hätte man wirkungsvoller in Szene setzen können. Die Farben hätten intensiver sein können.

Eines muss man dem Film lassen. Vermutlich stand noch nie eine Windkraftanlage dermaßen im Vordergrund einer Geschichte. Zuletzt hat das Bettina Oberli in ihrem Beziehungsdrama Le vent tourne versucht, doch so unmittelbar hat man erst hier von der Technik erfahren: die Bilder im Innern des Körpers der Anlage und vor allem die oben auf dem Generator. Deswegen ist Die Farbe des Windes zumindest in dieser Hinsicht faszinierend.

Die Farbe des Windes (2022)

Die junge deutsche Windkraftingenieurin Luna hat die Aufgabe übernommen, in einer ländlichen Region in Frankreich einen Windpark zu errichten. Sie weiß, was ihr als Chefin eines nur aus Männern bestehenden Technikerteams bevorsteht. Was sie aber höchstens ahnen kann, während sie mit dem Zug durch die weite Landschaft fährt, sind die vielfältigen Konfliktlinien zwischen den Landbewohnern. Der Einzug der Windenergie und die begleitenden wirtschaftlichen Verwerfungen spalten Familien und stürzen ganze Dörfer in erbitterte Kämpfe. (Quelle: Realfiction)

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