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Die Pracht des Absonderlichen - Christian Keßlers Buch "Wurmparade auf dem Zombiehof"

Ein Beitrag von Andreas Koehnemann

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Mit dem Label „Trashfilm“ werden heutzutage in erster Linie Werke versehen, in denen bizarre, nachlässig animierte (Hybrid-)Monster auf miese Mimen und lausige Dialoge treffen. Nicht selten stammen diese Erzeugnisse aus der Low-Budget-Movie-Schmiede The Asylum und tragen Titel wie Sharktopus.


(Maila Nurmi aka Vampira in Ed Woods Plan 9 from Outer Space; Copyright: Public Domain via Wikimedia Commons)

Doch mit Filmen dieser Art befasst sich Christian Keßler in seinem Buch Wurmparade auf dem Zombiehof: Vierzig Gründe, den Trashfilm zu lieben ganz entschieden nicht. Der in Bremen lebende Filmjournalist, Jahrgang 1968, interessiert sich nicht für kalkulierten Trash; ihm liegt vielmehr etwas an einem „absonderlichen Kino“. Ein solches lasse in seiner Absonderlichkeit etwa „begnadeten Wahnsinn“ und „unglaubliche Chuzpe“ erkennen – und entführe die Zuschauer_innen in eine eigene Welt. Die Filme des absonderlichen Kinos seien „kein Ramsch“, und so lache man nicht über, sondern mit ihnen – ein sehr wichtiger Unterschied!

Vierzig Werke, eingruppiert in zehn Kapitel (wie zum Beispiel „Beklopptenfilme“ oder „Mutantenfilme“), stellt Keßler in knackigen Texten vor. Dabei ist stets die Begeisterung, aber auch der Kenntnisreichtum des Autors zu spüren: Dieser Mann liebt das, worüber er schreibt – und man lässt sich davon durchaus mitreißen. Wenn Keßler etwa den Riesenkaninchen-Grusler Rabbits (Night of the Lepus, 1972) präsentiert, kann er tatsächlich glaubhaft machen, dass dieser Film eben kein lieblos heruntergekurbelter Vorläufer heutiger Billig-und-blöd-Produktionen ist, sondern sich „redliche Mühe (gibt), die Bedrohlichkeit der Nagetiere manifest werden zu lassen“. Und das ist doch wahrlich bemerkenswert.


(Das Cover von Wurmparade auf dem Zombiehof: Vierzig Gründe, den Trashfilm zu lieben; Copyright: Martin Schmitz Verlag)

Keßler widmet sich den Arbeiten von einigen recht bekannten Filmemachern – so etwa dem Bad-Taste-Klassiker Pink Flamingos (1972) von Underground-Ikone John Waters oder der kühnen Transvestismusstudie Glen or Glenda (1953) von Ed Wood (der mitnichten der „schlechteste Regisseur aller Zeiten“ sei und vom Autor als „einer meiner persönlichen Helden“ bezeichnet wird). Viele andere kinematografische Kreationen, die hier von Keßler als Gründe, den Trashfilm zu lieben, angeführt und auf humorvoll-informative Weise beschrieben werden, dürften aber auch für Kenner_innen des abseitigen Films höchst erstaunliche Neuentdeckungen sein – zum Beispiel Herb Robins‘ „kleine Extravaganz“ Die Wurmfresser (The Worm Eaters, 1977) oder der abgründige, dänische Zwergen-Schocker Das Haus der verlorenen Mädchen (Dvaergen, 1971).

Zu den gelungensten Filmbesprechungen in Keßlers Buch gehört der Text zu Doris Wishmans Ein superheißes Ding (Double Agent 73, 1974): Das Abenteuer einer Spitzenagentin mit riesigen Brüsten werde bei Wishman zu „weltverändernder, stumm machender Kunst“, meint Keßler – und man ist bereit, seiner These zu folgen. Ein weiterer, sehr origineller Text ist der zum Eighties-Actioner Das Söldnerkommando (Kill Squad, 1982), welcher als Dialog zwischen einem Videothekar und einem Stammkunden gestaltet ist („Du, mich schwebt wat vor mit Wumm und Päng, weiß ja, wat ich gern kuck, nä“).

Als Qualität der vorgestellten Filme nennt Keßler mehrmals die Tatsache, dass sie zu keiner Sekunde langweilen. Dies lässt sich uneingeschränkt auch über Keßlers Buch sagen. Wurmparade auf dem Zombiehof: Vierzig Gründe, den Trashfilm zu lieben ist eine amüsant und klug verfasste Sammlung kostbarer Kuriositäten.

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