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Streaming-Tipp des Tages: Sorry we missed You

Ein Beitrag von Christian Neffe

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Sorry We Missed You - Trailer (OmdtU)

Seit den späten 60ern hat es sich Regisseur Ken Loach zur Aufgabe gemacht, in seinen Filmen die alltäglichen Sorgen und Probleme britischer Arbeiterfamilien mit authentischer und doch ergreifender Nüchternheit darzulegen. Anders ist das auch bei seinem jüngsten Werk Sorry We Missed You nicht. Das beginnt mit einer Szene, bei der man die sich anbahnende Ausbeutung beinahe riechen kann. Familienvater Ricky Turner (Kris Hitchen) tritt hier eine Stelle bei einem Paketlieferdienst an, ist faktisch aber Scheinselbstständiger: Für das Lieferauto muss er selbst zahlen, Versicherungen sind seine Sache, für Urlaub oder freie Tage muss er sich eigenständig um Ersatz kümmern. Sollte er seine Route aber mal nicht schaffen oder aufgrund eines familiären Notfalls nicht arbeiten können, hagelt es Bußgelder.

Und Notfälle gibt es einige, denn allem voran Rickys pubertierender Sohn Seb (Rhys Stone) schwänzt die Schule und gleitet allmählich in illegale Machenschaften ab. Und auch Ehefrau Abbie (Debbie Honeywood) kann keinen ruhigen Schlaf finden, als ambulante Pflegekraft ist sie den ganzen Tag auf Achse.

Skript und Bildsprache schaffen eine intime Nähe zu den Hauptfiguren, deren Familienleben von großer Ambivalenz gezeichnet ist. Da gibt es Tage, an denen alles idyllisch scheint, doch schon am nächsten brechen sich Streits mit drastischen Folgen für den Zusammenhalt Bahn. Sorry We Missed You schildert eindringlich, wie die Mechanismen des neoliberalen Kapitalismus Menschen zur Selbstausbeutung und -zerstörung drängen. Und wie sie die vermeintlich letzte Bastion des sozialen Zusammenhalts — die Familie — Stück für Stück zermartern können.

Sorry We Missed You ist bei allen gängigen VoD-Anbietern zur Leihe verfügbar.

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