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Couch-Perle: "Diese Sendung ist kein Spiel"

Ein Beitrag von Joachim Kurz

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Filmstill zu "Diese Sendung ist kein Spiel"
"Diese Sendung ist kein Spiel" - Die unheimliche Welt des Eduard Zimmermann von Regina Schilling

Vielleicht hat niemand das Fernsehpublikum vergangener Tage so sehr das Fürchten gelehrt wie Eduard Zimmermann. Als die von ihm erfundene Sendung Aktenzeichen XY ungelöst… am 20. Oktober 1967 zum ersten Mal ausgestrahlt wurde, waren die Programmverantwortlichen des Senders noch skeptisch, doch schon die erste Folge entpuppten sich als Fernsehhit — und die Sendung besteht bis heute fort. 

Regina Schilling, die bereits mit ihrer Fernsehdokumentation Kulenkampffs Schuhe für viel Aufsehen sorgte (und die nebenbei noch mit Igor Levit – No Fear im letzten Jahr einen wunderschönen Dokumentarfilm in die Kinos gebracht hat), nähert sich der Sendung und ihrem Macher auf sehr persönlich Weise und spiegelt ihre eigenen kindlichen Empfindungen wider, die durchaus symptomatisch und auch traumatisierend für eine ganze Generation gewesen sein dürften: „Die Dinge, die uns umgaben, wurden uns unheimlich“, heißt es an einer Stelle, wenn es um die Gegenstände geht, die Eduard Zimmermann im Zuge seiner Tatbeschreibungen im Studio präsentierte.

Überhaupt zeigt Schilling mittels klug gewählter Ausschnitte aus den Sendungen, wie Eduard Zimmermann neben dem hehren Ziel der Verbrechensbekämpfung und -aufklärung zugleich eine Art „Zuchtmeister der Nation“ war, der vieles verdammte und dementsprechend angsteinflößend präsentierte, was nicht in sein konservatives Weltbild passte – Homosexualität etwa, oder Frauen, die aus dem engen Korsett des bürgerlichen Ehelebens ausbrechen wollten.

Darüberhinaus arbeitet die Dokumentation scharfsinnig und bisweilen auch ein wenig spekulativ (auf die kleineren Schwächen weist Stefan Niggemeier in seiner gleichwohl positiven Kritik bei uebermedien.de hin) anhand der Sendung und kontrastierender bzw. kommentierender zeitgeschichtlicher Bilder bundesdeutsche Befindlichkeiten, Kontinuitäten und Bruchlinien heraus, schlägt einen Bogen vom Tode Konrad Adenauers im Geburtsjahr von Aktenzeichen XY ungelöst… über die Verunsicherungen durch gesellschaftlichen Fortschritt und Erschütterungen wie die RAF-Morde und den Deutschen Herbst bis hin zur von Zimmermann begrüßten „geistig-moralischen Wende“ der Ära Kohl. 

Mit „Diese Sendung ist kein Spiel“ – Die unheimliche Welt des Eduard Zimmermann gelingt Regina Schilling abermals ein Kunststück, wie man es im Fernsehen selten findet: Die Dokumentation ist akribische Medien- und Fernsehgeschichtsschreibung, messerscharfe Gesellschafts- und Mentalitätsanalyse, hellsichtiges Essay und tiefes Porträt zugleich – und hat darüber hinaus noch viel mit unseren eigenen Erinnerungen und Befürchtungen zu tun, die der Mann mit dem Hundeblick und der dauerbesorgten Miene uns einzupflanzen verstand.

Der Film ist ist der ZDF Mediathek zu sehen – und zwar hier

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