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Kommentar

Eine furiose Fehlzündung

Ein Beitrag von Sebastian Seidler

„Mad Max: Fury Road“ ist fraglos einer der wichtigsten Actionfilme der letzten zwanzig Jahre. Mit „Furiosa“ versucht Regisseur George Miller nun, daran anzuknüpfen – und setzt den Boliden mit viel Motorröhren in den Wüstensand. Ein furchtbarer Film.  

Meinungen
Furiosa

Ein Film, wie an einer Schnur aufgezogen. In seiner Dramaturgie schnörkellos, in den Bildern ausufernd und exzessiv. Mad Max: Fury Road ist ein Meisterwerk des Actionkinos, gerade weil er derart reduziert auf seine reine Bewegung zu einer körperlichen Erfahrung wird: ein orchestrierter Car Crash. Eine tiefgehende Geschichte wird kaum erzählt. Vielmehr ist die Flucht der Hauptfiguren ein Gerüst, das mit einer unerschütterlichen Selbstverständlichkeit gesetzt wird. Die Figuren werden nicht erzählt. Durch die Art ihrer Bewegung, durch ihre Körperlichkeit hindurch begreift man, woher sie wohl kommen mögen. Furiosa, wahrlich furios, mit kriegerischer Wut von Charlize Theron zum Leben erweckt, war die eigentliche Hauptfigur dieses Wüstenrausches. Mad Max (Tom Hardy), der einzelgängerische Endzeitkämpfer, hat seine Momente, wirkt dabei aber wie das Abziehbild einer Idee, die längst vergangen ist: Erst durch die Frauen lernt er, was Revolution sein könnte. Aufregend war diese Kriegerin und vor allen Dingen geheimnisvoll. Ebendieses Geheimnis zerstört George Miller im lang erwarteten Prequel. Furiosa ist ein krachender Unfall von einem Film. Ein Ärgernis. Eine Enttäuschung.

„Das beste Prequel aller Zeiten.“ So lautete die Überschrift der Filmkritik in Die Welt, die sich gar nicht mehr einkriegen wollte und sich in den Lobeshymnen regelrecht berauschte: So groß, so krachend und die gaaaanz große Erzählung wagend sei Furiosa. Das ist völlig in Ordnung, da jede Filmkritik ihre eigenen Kriterien anlegt. Widersprechen kann ich dennoch. Zunächst aber ist damit das Lager der Enthusiasten deutlich markiert, die es ja durchaus gibt. Die ganz große Euphorie ist indessen bisher wahrlich nicht aufgekommen. Mehrheitlich waren die Reaktionen verhalten. Mehr oder weniger unentschlossen und gehemmt.

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Bereits nach der Pressevorführung war bei einigen Kolleg*Innen ein Zaudern zu spüren: Irgendwie wusste man nicht so wirklich, wie man nun mit dem Film umgehen sollte. Die Erwartungen nach Fury Road zu groß, wollte man Furiosa nicht unrecht tun. Das ist schon immer noch groß und aufwendig. Ganze 70 Drehtage hat man schließlich für die eine Szene gebraucht. Mehr CGI, das zugegebenermaßen auffällt und schlecht ist, das würde man schon sehen. Aber dennoch: Es knallt, und weil es groß sein will, bleibt man lieber diplomatisch. Schließlich hat kaum ein Film eine derart treue Fangemeinde angezogen wie der Vorgänger.

Furiosa ist nicht mehr oder weniger okay: Der Film ist eine Katastrophe. Da kann auch eine fantastische und ungemein charismatische Anya Taylor-Joy nicht drüber hinwegtäuschen. Unter all dem Wrumm-Brumm-Bang und den aufgetürmten Autowracks, dem etwas digitaleren Fury-Road-Look und den mitunter beeindruckenden Stunts ist wenig. Die Geschichte der kleinen Furiosa (Alyla Browne), die beim Pflücken einer Frucht vom (verbotenen) Baum entführt wird und in der Gefangenschaft des größenwahnsinnigen Rockstar-Fieslings Dementus (Chris Hemsworth) die brutale Ermordung der Mutter mitansehen muss, ist ein alter, völlig zerschlissener Hut. Wussten wir das vorher nicht? Hat man dies nicht bereits bei Fury Road so viel besser verstanden? Das Motiv ist Rache und Befreiung (der Frauen) – oh welch‘ große Überraschung.

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Überraschung, genau die fehlt. Die gesamte Action, das Dröhnen der Motoren und die staubigen Explosionen, hat man bereits in Fury Road gesehen. Mit dem einen großen Unterschied: Im Vorgängerfilm war das alles in eine Heavy-Metal-Oper eingebunden, in einen dauerhaften Wahnsinn. Um es kurz zu machen: Der Gitarrist fehlt. Es gibt keine neuen Ideen. Vielleicht das Ende, das sich etwas mehr zurücknimmt, und nach der austauschbaren Materialschlacht zuvor erstmals Bilder findet, um die Wut von Furiosa mit der Frage nach Schöpfung und Zerstörung zu verbinden. Im beinahe intimen Spiel zwischen Hemsworth und Taylor-Joy blitzt das Potenzial auf: Hast du das Zeug dazu, episch zu sein? Hätte Miller das mit dem Epos vielleicht besser sein gelassen und hätte dem Leben im Wasteland mehr Aufmerksamkeit geschenkt, statt das Gaspedal durchzutreten. Ich verstehe ja, dass es eine große Freude sein muss, Dinge in die Luft zu jagen. Ein guter Film ist es indessen nicht.

Fahrig ist Furiosa. Alles muss hergeleitet werden, nur um in einem nächsten Zeitsprung das Tempo wieder anzuziehen. Mit seinen narrativen Linien zwischen den Orten, die ganz klassisch und langweilig in Establishing Shots gesetzt werden, ohne dass man ein Gefühl dafür bekommt, gaukelt Miller eine Erzählung vor. Den Hintergrund, den er damit automatisch aufruft, bekommt er nicht aufgefüllt: Wie leben die Menschen im Wasteland? Wer sind all diese armen Seelen in den Erdlöchern? Indem sich der Film für die dystopische Gesellschaft nicht interessiert, wird der Kampf von Furiosa zu einer egoistischen Angelegenheit. Was kümmert mich das Schicksal dieser Figur, wenn sie keine Augen für all die geschundenen Körper hat? In Fury Road war das egal. Es gab nur Bewegung, in deren Unschärfe die Welt verschwand.      

Doch auch logisch geht die ganze Nummer des Sequels nicht auf: Entfesselt der Maskenmann Immortan Joe in Fury Road nicht eine ganze Armee, um seine entlaufenen Frauen einzufangen? Dementus hat zu keinem Zeitpunkt eine derartige Macht und Schlagkraft und trotzdem gibt es einen ewigen Krieg? Furiosa endet mit dem Anfang von Fury Road – die Kräfteverhältnisse erscheinen jedoch völlig anders zu sein. Gutes World Building geht in der Tat anders.

Langsam habe ich genug von diesem ewigen Kraftmeierkino. Während Furiosa sein Publikum finden wird – too big too miss – gehen ganz viele kleinere Filme im aufgewirbelten Staub der Blockbuster-Scharlatanerie unter. Darüber würde ich gerne ein Prequel sehen.

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