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Es geht nicht weiter, die Gesellschaft muss sich ändern: Michael will das nicht einsehen. Er arbeitet im Kohletagebau. Und ausgerechnet seine Tochter campiert im Wald …

Fossil (2023)

Eine Filmkritik von Harald Mühlbeyer

Ausstieg aus dem Ausstieg!

Markus Hering, den kennt man aus Nebenrollen. Immer wieder taucht er in deutschsprachigen Filmen auf, manchmal mit wirrem Haarschopf, mit einem gewissen verschmitzten Gesichtsausdruck, und er bleibt im Gedächtnis. Er ist Instinktschauspieler. Und er ist auch Handwerker, ganz konkret, er baut Möbel, er weiß mit Werkzeug umzugehen. Das prädestiniert ihn für seine Rolle als Michael, kurz vor der Rente, der das schwere Gerät wartet und zu Hause heimwerkt: Der Filmtitel „Fossil“ bezieht sich auf die Kohle, die im Tagebau abgebaggert wird, ebenso wie auf Michael, der versteinert ist.

Seine Frau ist fasziniert von der Zukunftsvision: Ein großer See da, wo bisher Tagebau war. Das könnte Touristen in die strukturschwache Gegend locken, jetzt, wo der Ausstieg aus der Kohle beschlossen ist. Michael mäht derweil den Rasen, mit klaren, präzisen und kantigen Bewegungen, und ist ablehnend: Hoffentlich wird‘ ich das nicht mehr erleben. Die Kohle ist sein Leben; später wird er gegenüber seinem Enkel schwärmen: Unglaublich, dass die Menschheit es schafft, so ein enormes Loch zu buddeln. Aber es ist eben vor allem ein Loch, also ein Nichts mit Rand drumherum; unten stehen die riesigen Schaufelradbagger, demnächst nutzlos, nur noch da, um gewartet zu werden. Nicht einmal wertvoll genug, um verkauft zu werden; bald werden die Bagger gesprengt.

Ein junger Kollege hat sich im Wald erhängt. Für Michael ist klar, dass die Firmenpolitik schuld ist. Mit Abfindungen sollen die Arbeiter beschwichtigt und weggeschoben werden. Seine Frau Miri (Ruth Heinecke) freundet sich derweil mit der Nachbarin an. Die macht die PR für den künftigen Badesee – und die Tochter Anja (Victoria Schulz) stellt sich als eine der Klimaaktivistinnen heraus, die im Wald campen und gegen Kohle kämpfen. Schlimmer noch: ihren Sohn nimmt sie mit, das ist für Michael ganz unerträglich, dass der kleine Toni (August Schulz) derart indoktriniert werden soll …

Regisseur Henning Beckhoff geht direkt in sein Thema rein, und er verlässt es nie, und es gibt nur dieses eine Thema: Anhand einer Familie, konkret anhand von Michael exerziert er durch, welche Veränderungen in der Gesellschaft anstehen und welche Widerstände sich dagegen formieren. Das ist das Problem von Fossil: Der Film geht nie wirklich auf seine Figuren ein, hat sie vielmehr nach dem Thema gestaltet. Die gesamte Konstellation wirkt konstruiert, ebenso wie die Handlung: Michael nämlich hat genug von dem Protestcamp, und um es in Verruf zu bringen, manipuliert er den Trafokasten, damit im Ort der Strom ausfällt. Dadurch bringt er die Polizei gegen die Aktivisten in Stellung, aber auch die Familie gegen sich auf. Punkt.

Der dramaturgische Konflikt ist plakativ und vorhersehbar. Die Nöte und Sorgen der Kohlearbeiter werden nicht gezeigt, sondern im Dialog behauptet. Michael wird immer ausfälliger, benimmt sich stets daneben, und offenbar ist es nur die jahrzehntelange Betriebszugehörigkeit, die ihn vor der sofortigen Kündigung bewahrt. Sein Chef (Godehard Giese) erweist sich als äußerst langmütig …

Es gibt derzeit einige Filme, die sich mit dem Klimaaktivismus beschäftigen. Die Erderwärmung ist das große Thema der Zeit. Viele haben dies erkannt, viele tun alles, um uns zu retten. Dass es bei dem notwendigen Wandel diejenigen gibt, die etwas zu verlieren haben – und wenn es nur die Sicherheit darüber ist, was in den nächsten Jahren bei ihnen privat und beruflich passieren wird –, ist ebenso klar. Daher ist das Ziel von Beckhoff sehr ehrenwert, dieser Verliererseite Raum zu geben, die Beharrungskräfte im Kleinen zu betrachten, und auch die Probleme – ja, alle von der Notwendigkeit des Unausweichlichen überzeugen zu wollen.

Wenn aber zwischendurch vor allem der Eindruck aufkommt, es bei Michael mit einem Wiedergänger von Ekel Alfred Tetzlaff zu tun zu haben, der stur und rechthaberisch seine reaktionären Ansichten für das einzig Wahre und Gültige ansieht, und dies ohne die satirische Komik aus Wolfgang Menges 70er-Jahre-TV-Klassiker, dann ist das allzu schwach für eine wirkliche Auseinandersetzung mit der Thematik.

Fossil (2023)

Der Film erzählt die Geschichte des unerschütterlichen Kohlearbeiters Michael, der sich weigert, den Ausstieg aus den fossilen Energien zu akzeptieren. Er zieht in einen letzten Kampf: Gegen die Öko-Spinner, gegen seine Nachbarin, sogar gegen seine eigene Familie. Bis er lernt, die Veränderungen an sich selbst und seinem Umfeld zuzulassen und sich selbst zu finden.

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