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Interviews

"Ich will Fragen beantworten, die bisher keiner gestellt hat" - Ridley Scott im Gespräch mit Anna Wollner

Ein Beitrag von Anna Wollner

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Ridley Scott

Ridley Scott ist ein wahrer Altmeister. Er hat Alien gemacht, Blade Runner oder Gladiator. Dabei war er ein richtiger Spätzünder, hat erst mit vierzig von Werbefilmen auf Spielfilme umgesattelt. Dieses Jahr wird er achtzig und lässt keinen Anflug von Altersmüdigkeit erkennen. Mit Alien: Covenant bringt er jetzt die Fortsetzung von Prometheus ins Kino und hat noch mindestens zwei weitere Alien-Filme in der Tasche. Anna Wollner hat mit dem 79-Jährigen in Berlin gesprochen.

Mr. Scott, warum haben Sie nach „Prometheus“ mit „Alien: Covenant“ das „Alien“-Steuer wieder selbst in die Hand genommen?

Weil ich Fragen beantworten wollte, die bisher keiner gestellt hat: Wo kommen die Aliens überhaupt her, zum Beispiel? Ich habe seit über vierzig Jahren eine Antwort darauf – ich muss zugeben, dass ich sie hier noch immer nicht gebe, deswegen wird es noch mindestens einen weiteren Film geben müssen. Bei Alien gab es das Raumschiff und die Piloten, es gab ein paar Eier, aus denen in Verbindung mit menschlicher DNA die Aliens entstanden sind. In den darauffolgenden Filmen hat sich keiner die Mühe gemacht, nach dem „Wieso, weshalb, warum“ zu fragen. Ich habe mir das drei Filme lang angeguckt. Es ging immer nur darum, die Aliens möglichst spektakulär zu töten. Irgendwann hatte ich genug, bin zu Fox gegangen und habe darum gebeten, endlich Antworten geben zu dürfen.

Warum heißt das Raumschiff hier „Covenant“?

Es ist eine Art Versprechen, ein Abkommen zwischen den Crewmitgliedern. Sie wollen eine neue Welt entdecken und besiedeln, ähnlich wie unsere Gründerväter. Nur eben in den Unendlichkeiten des Alls und nicht auf einem anderen Kontinent.

Wie realistisch sind diese Szenarien?

Wir nähern uns dieser Zukunftsvision immer mehr an. Ich gehe davon aus, dass wir spätestens Mitte des nächsten Jahrzehnts auf dem Mars sein werden. Innerhalb von sieben Monaten lässt sich der Planet erreichen. Die Fragen sind nur: Was kommt danach? Was ist dahinter? Das nächste Ziel ist dann gleich ein paar Lichtjahre entfernt. Wir müssen also noch ein wenig in die Forschung investieren. Stichwort: künstliches Koma.


(Bild aus Alien: Covenant; Copyright: Twentieth Century Fox of Germany GmbH)

Der erste „Alien“-Film ist mittlerweile fast vierzig Jahre alt. Wie gehen Sie mit der visuellen und technischen Weiterentwicklung um?

Das Filmen an sich hat sich nicht verändert, da geht es nur um eine Grundsatzentscheidung: digital oder 35mm. Ich drehe lieber digital, denn das geht schneller. Aber die Arbeit mit den Visual Effects hat sich verändert. Heute ist alles möglich. Es ist nur unglaublich teuer. Dabei ist mein Credo immer: „Je weniger man sieht, desto besser“.

Mögen Sie die Veränderung?

Ich würde lügen, wenn ich nein sagen würde, denn vieles ist einfacher geworden. Nehmen wir allein das Alien. 1979 hatten wir einen Mann in einem Gummianzug. Deswegen hat man das Alien so selten gesehen. In einer Szene haben wir das Alien Harry Dean Stanton gegenübergestellt. Damit es die richtige Wirkung hatte, musste ich den armen Kerl in dem Kostüm stundenlang kopfüber aufhängen, damit es so aussieht, als würde er fliegen. Eigentlich eine Zumutung.

Hat sich für Sie auch das Science-Fiction-Genre verändert?

Die klassische Science Fiction nähert sich immer mehr der faktenbasierten Science Fiction an. Während der Vorbereitung zu Der Marsianer habe ich sehr eng mit der NASA zusammengearbeitet. Die Leute dort lieben Science-Fiction-Filme. Sie mögen das Drama, das Prinzip der Drei-Akte-Dramaturgie. Physik und Mathematik sind Kunstformen. Physiker und Mathematiker denken abstrakt, das hat für mich eine unglaubliche Faszination. Genauso faszinierend wie ein Drehbuch zu schreiben. Beides ist Extremlösung auf ganz hohem Niveau.


(Trailer zu Alien)

Haben Sie 1979 schon damit gerechnet, dass „Alien“ Sie Ihre ganze Karriere lang begleiten wird?

Ach, das ist einfach eine Entwicklung. Ich habe schon sehr früh in meiner Filmkarriere sehr viel lernen müssen. Mein erster Film Die Duellisten hat in Cannes den Preis für besten Debütfilm gewonnen. Danach ist er komplett untergegangen. Hätte es Harvey Weinstein damals schon gegeben, hätte er gewusst, was mit dem Film zu tun ist. Dann kam Alien und damit der Erfolg. Blade Runner und Legende waren kommerziell wohl Flops. Für die beiden Filme wurde ich von der Kritik in der Luft zerrissen. Deswegen habe ich mich damals schon dafür entschieden, nie wieder auch nur irgendeine Kritik meiner Filme zu lesen. Bis heute habe ich mich daran gehalten.

Was haben Sie daraus noch gelernt?

Ich vergleiche das Filmemachen gerne mit der Malerei. Ein Maler arbeitet den ganzen Tag für sich allein in einem Atelier. Abends geht er nach Hause. Wenn er am nächsten Morgen sein Bild hasst, fängt er einfach noch mal an. Einen Film zu machen ist ganz ähnlich. Am Ende des Tages ist man selbst sein größter Kritiker. Ich lasse mir meine eigene Meinung nicht von den anderen kaputt reden. Sollte ich doch mal scheitern, mache ich einfach weiter.

Hat Ihnen „Alien“ jemals Alpträume beschert?

Nein, denn ich habe ja ganz bewusst das Unbekannte gesucht, wollte etwas entwickeln, das vorher so noch nie dagewesen war. Deswegen wurde ich bei Blade Runner auch so sauer. Alle wollten ständig wissen, warum es so dunkel ist und regnet. Meine Antwort darauf: „Weil ich es verdammt noch mal so haben will“.

Wann ist Ihnen klar geworden, dass Sie mit Sigourney Weaver als Ellen Ripley eine Ikone geschaffen haben – eine weibliche Actionheldin?

Ich habe nie bewusst darüber gedacht. Jemand hat es vorgeschlagen und mein erster Gedanke war: warum eigentlich nicht? Die Tragweite war mir damals überhaupt nicht bewusst. Erst als der Film in die Kinos kam. Ich glaube auch, dass selbst Sigourney Weaver davon überrascht war. Wir haben es einfach gemacht. Sie war perfekt. Tough und stark. Erst bei Filmstart fiel uns auf, wie ungewöhnlich es war, eine weibliche Heldin zu haben.

Dennoch waren Sie mit dem Film eine Art Wegebereiter!

Naja, wenn Sie so wollen. Ich weiß überhaupt nicht, warum sich immer alle so aufregen, dass Frauen benachteiligt werden. Es gibt so viele starke Frauen, gerade im Fernsehbereich. Ich finde das gut. Ein Zeichen dafür, dass sie smarter sind als Männer.

Wie wird es mit dem „Alien“-Franchise weitergehen?

Das Drehbuch zum nächsten Film ist schon in Arbeit. „Covenant 2“. Wieder einmal der Beweis dafür, dass im Science-Fiction-Bereich alles möglich ist. Es muss nur Sinn ergeben. Denn ohne Sinn und Verstand ist jeder Film nur Action-Bullshit. Und davon gibt es heutzutage sehr viel. Ich denke von Film zu Film. Mein Plan ist es, keinen Plan zu haben. Das Studio vertraut mir. Gott sei Dank.


(Trailer zu Alien: Covenant)

Selbst eine Rückkehr von Sigourny Weaver schließen Sie nicht aus?

Nein, warum auch? Wir bewegen uns ja gerade auf den ersten Alien-Film zu. Ich schleiche mich sozusagen von hinten an.

Was ist die Faszination der „Alien“-Filme für das Publikum?

Ganz einfach: das Publikum will sich zu Tode erschrecken lassen.

Und Sie lieben es Leute zu erschrecken?

Nicht unbedingt. Ich liebe es eher, den Schrecken zu analysieren.

Lassen Sie sich noch erschrecken?

Nein, ich habe eine 9mm zuhause.

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