I´m not a f**king Princess

Eine Filmkritik von Joachim Kurz

Geliebte Rabenmutter

Wo hört Mutterliebe auf, wo beginnt emotionaler Missbrauch? Was ist Kunst und was darf Kunst? Wo ist die Grenze des geschickten Tabubruchs zur Bedienung perverser Phantasien – vor allem dann, wenn das bevorzugte Bildmotiv die eigene Tochter ist? Mit Fragen wie diesen kennt sich die rumänisch-stämmige und in Frankreich lebende Filmemacherin Eva Ionesco aus – schließlich hat sie selbst als Kind genau das am eigenen Leib erlebt. In ihrem ersten Langspielfilm I’m No A f**cking Princess / My Little Princess schildert sie die bizarren Umstände ihrer von Skandalen begleiteten Karriere als Kinderstar und versucht dabei zugleich eine Aufarbeitung des schwierigen Verhältnisses zu ihrer Mutter Irina Ionesco. Die hatte sie von Kindesbeinen an als Modell vor die Kamera geholt und mit ihren überaus freizügigen Bildern für zahlreiche Skandale und Empörungen gesorgt. Für Eva Ionesco war dies der Startpunkt zu einer Karriere als Schauspielerin (u.a. bei Roman Polanski) und nun als Regisseurin, die sich für ihren Debütfilm nichts weniger vorgenommen hat als eine Reflektion ihrer ebenso bizarren wie faszinierenden Kindheit.
Das Setting des Films wirkt beinahe wie eine Parodie auf unzählige Inszenierungen des ebenso süßen wie prekären Lebens der Pariser Künstlerbohème, wie sie einst von Henri Murger in den Jahren 1845-1847 beschrieben (Scènes de la vie de bohème) und später unzählige Male in Musik, Literatur und Filmen wieder aufgegriffen wurden: Gemeinsam mit ihrer Großmutter (Georgetta Leahu) und ihrer kleinen Tochter Violetta (Anamaria Vartolomei) lebt die exzentrische Hannah (Isabelle Huppert) ein unstetes Leben als Muse eines Pariser Malers (Denis Lavant) und ist mehr ab- als anwesend im Leben ihrer Tochter. Flatterhaft und auf der manischen Suche nach Bestätigung durcheilt Hannah verschiedenste künstlerische Ausdrucksformen und landet schließlich bei der Fotografie. Als Lieblingsobjekt ihrer ebenso morbiden wie erotisch-lasziven Inszenierungen wählt sie ausgerechnet ihre eigene Tochter aus, die zu diesem Zeitpunkt gerade mal elf Jahre alt ist. Die mit schwüler Erotik aufgeladenen Porträts und Aktaufnahmen treffen den Zeitgeist der frühen 1970er, in denen auch andere Fotografen wie David Hamilton und Will McBride die erotische Ausstrahlung mädchenhafter Körper für sich entdeckten, auf den Punkt. Aus der Dilettantin Hannah wird – so zumindest deren Selbstwahrnehmung – eine gefeierte Künstlerin, die endlich ihre Aufgabe gefunden hat. Derart beflügelt kennt ihre Imagination bald keine Grenzen mehr: Die Bilder werden immer freizügiger, die Posen, in denen sie ihre Tochter zur Schau stellt, immer gewagter, die Hemmungen der Mutter gegenüber Violetta immer geringer. Und für das Mädchen stellen die Aufnahmen immerhin wenige kostbare Momente der Zweisamkeit mit ihrer Mutter dar, bis es Violetta eines Tages zu viel wird, als sie bemerkt, dass sie in den Augen der Käufer der Bilder längst zu einem allzeit verfügbaren Lustobjekt geworden ist…

Für ihr Debüt, das gleichzeitig die Aufarbeitung ihrer eigenen Geschichte darstellt, hat sich Eva Ionesco viel vorgenommen – der Film ist zugleich psychologisches Coming-of-Age-Lehrstück und autobiografische Traumabewältigung, Zeitporträt der lüsternen 1970er und opulente Bohème-Groteske, feinsinniger Kunstdiskurs im Balanceakt zwischen kreativer Freiheit und elterlicher Verantwortung und märchenhafte Kitsch-Oper mit Widerhaken. Vielleicht ist es ja gerade diese Vielzahl an Elementen und Facetten, die dem Film eine Last aufbürden, die er nicht tragen kann und dies vielleicht auch nicht will.

Auffällig ist vieles an I’m not a f**king Princess – vor allem aber seine stets wiederkehrende, mitunter etwas maniriert wirkende Künstlichkeit, die die auf realen Ereignissen beruhende Geschichte auf den ersten Blick fast schon verharmlost, sie ins deutlich Überdrehte und Überspannte fortdekliniert, die Mutter beinahe liebevoll und nach dem Geschmack mancher Kritiker viel zu gnädig als Mischung aus Getriebener, guter Fee und böser Hexe zeichnet, die über den Umweg der Bilder nach Anerkennung und Ruhm oder auch nach Liebe giert.

Vielleicht bleibt aber gerade deshalb die geliebte Rabenmutter so sehr eine erkennbare Kunstfigur, weil darin die Distanzierung Eva Ionescos zu ihrer Mutter Irina bildhaften Ausdruck findet. Eine Distanzierung, die man an anderen Stellen des Filmes dann wieder vermisst. Denn wenn Eva Ionesco minutenlang mit sichtbarer Faszination bei ihrem filmischen Alter ego Violetta verweilt, wenn sie wie ihre geliebte und verhasste Rabenmutter in Dekors und Stoffen, in Ornamenten und Symbolen schwelgt, wenn sie die ganze verführerische Kraft der Inszenierungen zeigt, dann spürt man, wie sehr sie auch heute noch fasziniert ist von der damaligen Zeit. Vielleicht zeigt sich ja gerade in dieser Figur die ganze Ambivalenz der Ereignisse und das implizite Drama einer solchen filmischen Familienaufstellung, wie sie Eva Ionesco zeigt: Man kann den Geschehnissen von damals niemals so ganz entfliehen, ein Hauch Sympathie, ein Rest Faszination bleibt stets zurück.

I´m not a f**king Princess

Wo hört Mutterliebe auf, wo beginnt emotionaler Missbrauch? Was ist Kunst und was darf Kunst? Wo ist die Grenze des geschickten Tabubruchs zur Bedienung perverser Phantasien – vor allem dann, wenn das bevorzugte Bildmotiv die eigene Tochter ist? Mit Fragen wie diesen kennt sich die rumänisch-stämmige und in Frankreich lebende Filmemacherin Eva Ionesco aus – schließlich hat sie selbst als Kind genau das am eigenen Leib erlebt.
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