Poliezei

Eine Filmkritik von Festivalkritik Cannes 2011 von Joachim Kurz

Die Abgründe von Paris

Nachdem es im letzten Jahr keine einzige Regisseurin in den Wettbewerb um die Goldene Palme geschafft hatte, sind in diesem Jahr endlich wieder Frauen am Start. Und was man bislang sieht (und hört) von den Filmen, ist es eine machtvolle Rückkehr. Eine der Regisseurinnen im Rennen um die Trophäe ist das erst 35 Jahre alte Multitalent Maïwenn Le Besco (übrigens die Schwester der noch etwas bekannteren Isild Le Besco), die vor Polisse zwei weitere Filme realisiert hat: Pardonnez-moi (2006) und Le bal des actrices (2009).
Im Mittelpunkt ihres Films, dessen Titel ähnlich wie letztes Jahr Biutiful auf eine kindliche Schreibweise rekurriert, steht die Arbeit einer fiktiven Child Protection Unit der Pariser Polizei, also einer Spezialeinheit, die sich vor allem mit sexuellen Übergriffen und Misshandlungen von Kindern auseinandersetzen muss. Angesichts der schrecklichen Taten, die immer wieder bei Vernehmungen herauskommen, stehen die Beamten unter hohem Druck. Kaum einer hat ein funktionierendes Privatleben und der alltägliche Umgangston reicht von albern bis vollkommen gereizt, selten aber normal.

Beeindruckend an dem Film ist vor allem seine hervorragende Besetzung: Obwohl hier ständig eine Vielzahl von Charakteren miteinander agiert, sind es vor allem die Figuren, die das teilweise sehr fragmentarische Werk immer wieder zurückführen von seinen zahlreichen Subplots und Exkursen.

Manchmal driftet der Filme ins Komische ab, entladen sich die Anspannung und der Zwang, das Erlebte zu verarbeiten, in Albernheiten oder anzüglichen Bemerkungen. Was aber immer noch kein Grund ist, sich vor Lachen ständig so wegzuschütten wie jene Dame neben mir, die offensichtlich sehr viel mehr Spaß an diesem Film hatte als ich.

Die meiste Zeit aber geht ständig einer der Anwesenden durch die Decke, weil ein Kollege wieder einmal etwas Falsches gesagt oder ein Vorgesetzter etwas Falsches befohlen hat. Das Ganze wirkt in etwa so, als habe man die weniger gelungenen Aspekte von KDD (Kriminaldauerdienst) oder The Wire zusammengefasst, den Fokus auf Sexualstraftaten gelegt und dabei den Schauspielern gesagt, sie dürften zwischendrin auch mal nach Herzenslust albern sein. Dummerweise vergaß man aber, dass die Darsteller sich allesamt nicht gut leiden können und sich deshalb viel lieber am Set anbrüllen.

Auch wenn manche (vor allem französische) Stimmen im Kritikerkreis raunen, der Film habe Chancen auf die Goldene Palme, sollte es schon etwas seltsam anmuten, dass ausgerechnet ein Werk, das über weite Strecken wie gemacht fürs Fernsehen erscheint, wirklich zum ernsthaften Favoritenkreis zählen sollte. Man kann sich Polisse hervorragend als Miniserie bei ARTE vorstellen, im Kino außerhalb von Frankreich aber sollte Polisse trotz seines sensiblen Themas nicht auf allzu viel Zuspruch an den Kinokassen rechnen.

(Festivalkritik Cannes 2011 von Joachim Kurz)

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Nachdem es im letzten Jahr keine einzige Regisseurin in den Wettbewerb um die Goldene Palme geschafft hatte, sind in diesem Jahr endlich wieder Frauen am Start. Und was man bislang sieht (und hört) von den Filmen, ist es eine machtvolle Rückkehr.
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