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Streaming-Tipps

Streaming-Tipp des Tages: Diebinnen

Ein Beitrag von Mathis Raabe

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Filmstill zu Wingwomen (2023) von Mélanie Laurent
Wingwomen (2023) von Mélanie Laurent

„The gayest straigt movie ever“? Manche Online-Kommentator*innen sind enttäuscht. Der neue Film von Mélanie Laurent, die in ihren Regiearbeiten stets Wert auf weibliche Perspektiven legt, zeigt zwar sowohl offenes als auch unterdrücktes lesbisches Begehren. Im Zentrum steht aber eine platonische Frauenfreundschaft, die gleichzeitig so innig ist, wie es in vielen Erzählungen nur romantischen Beziehungen vorbehalten ist. Das ist aber weder eine Schwäche des Films noch Queerbaiting. Es zeigt, dass Freundschaft für Figuren genauso sinnstiftend und wichtig sein kann wie das alte Klischee von Mr. oder Mrs. Right.

Carole (Laurent selbst) und Alex (Adèle Exarchopoulos) sind professionelle Diebinnen, so auch der Titel der Netflix-Produktion. Die beiden arbeiten nicht nur im Duo, sie wohnen auch zusammen und schlafen im selben Bett. Dating-Versuche mit Männern laufen dagegen nicht sonderlich gut, dienen höchstens dazu, durch Sex Stress abzubauen, wie es Alex einmal formuliert. Das zentrale Problem ist aus vielen Gangsterfilmen bekannt: Die beiden wollen aus dem Geschäft aussteigen, doch die einflussreiche „Patin“ (Isabelle Adjani) lässt sie nicht. Stattdessen bekommen sie eine neue Mitstreiterin, die Rennfahrerin Sam (Manon Bresch), die angelernt werden muss und auch die Beziehungsdynamik aufwühlt.

Der Grund für den Wunsch, die Diebeskarriere an den Nagel zu hängen: Carole ist schwanger. Als sie sich endlich durchringen kann, ihren Mitstreiterinnen davon zu erzählen, formuliert sie: „Wir werden ein Baby haben.“ Der Erzeuger spielt keine Rolle. Carole hat eine weibliche Wahlfamilie, der Film präsentiert das als etwas Selbstverständliches.

Es ist vor allem diese gelebte Beziehungsanarchie und die Chemie zwischen Laurent, Exarchopoulos und Bresch, die Diebinnen charmant und kurzweilig macht. Die Freundschaft – oder besser: Liebe – zwischen den Figuren ist so felsenfest, dass sie jeder Gefahr ihres Actionfilm-Jobs mit Beiläufigkeit begegnen können. Kaum fallen keine Schüsse mehr, wird über das Abendessen gesprochen oder nüchtern gefragt: Wo haben wir nochmal das Auto geparkt?

Kann es mit so einer coolen weiblichen Wahlfamilie vielleicht sogar gelingen, der „Patin“ zu entkommen und aus dem Geschäft auszusteigen?

„Diebinnen“ ist im Netflix-Abo zu sehen.

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