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Mit „Aggro Dr1ft“ knüpft der US-Indiefilmer Harmony Korine an seine niedrig budgetierten Anfänge an und erzählt von einem Profikiller.

Aggro Dr1ft (2023)

Eine Filmkritik von Andreas Köhnemann

Killer, Ehemann, Vater

Nachdem Harmony Korine (Jahrgang 1973) mit dem Drehbuch zu Larry Clarks radikaler Jugendstudie „Kids“ (1995) erstmals als Künstler Aufmerksamkeit erregen konnte, schuf er als Regisseur mit Werken wie „Gummo“ (1997) und „Julien Donkey-Boy“ (1999) betont provokative und experimentelle Low-Budget-Movies. In „Spring Breakers“ (2012) castete er wiederum die Teenie-Idole Selena Gomez, Vanessa Hudgens und Ashley Benson gegen deren Image als vergnügungssüchtige Studentinnen auf einem neonfarbenen Sex-, Drogen- und Gewalttrip; in „Beach Bum“ (2019) folgte er Matthew McConaughey als Dichter, der sich mit infantilem Gemüt dem Hedonismus hingibt.

Korines neue Arbeit Aggro Dr1ft ist wieder deutlich näher an seinen weniger prominent besetzten und erkennbar günstig und frei produzierten Filmen aus den 1990er Jahren. Er selbst sieht das Endergebnis mehr in der Tradition eines Videospiels; es mutet indes auch wie ein sehr langes Musikvideo an und wäre womöglich als Kunstinstallation wesentlich effektiver als auf der Kinoleinwand beziehungsweise auf dem Bildschirm.

Wir begleiten hier den Auftragskiller Bo (Jordi Mollà) im Berufs- und Privatleben. Dies geschieht allerdings nicht in üblicher Form, sondern mittels thermischer Infrarotfotografie, die obendrein noch in einigen Momenten mit digitalen Tricks angereichert wird. So sehen wir durchweg flimmernde Rot- und Blautöne und zuweilen etwa einen animierten Teufel, der auf ein Reich des Bösen hinweisen soll, oder sich bewegende Tätowierungen auf den Körpern der Figuren.

Unterlegt wird das Ganze mit konstant wummernden Elektro-Beats, die einen gewissen Sog zu erzeugen vermögen. Es gelingt Korine teilweise, eine beklemmende Atmosphäre zu schaffen, in der sich die brutale Welt offenbart, die wir mit Bo durchstreifen. Hier geht ein dekadenter Luxuskosmos mit protzigen Autos, Motorbooten und riesigen Villen mit einem täglichen Überlebenskampf in harten Street-Fights einher.

Wenn der Protagonist in der Eröffnungssequenz des Nachts eine Zielperson in einem Swimmingpool tötet, während der Regen über der Stadt peitscht und die Palmen im Wind schwanken, blitzt das Potenzial für eine düstere urbane Studie auf – doch der Film verliert sich sowohl auf visueller Ebene als auch in seinem Inhalt rasch in Redundanz, die wenig Raum für Spannung bietet.

Die größte Schwäche von Aggro Dr1ft sind die bizarr verfremdeten und überaus repetitiven Voice-over-Monologe, in denen Bo Sätze wie „I was born to kill“ sagt und sich wiederholt als „the world’s greatest assassin“ beschreibt. Wenn wir Bos Frau und Kinder „kennenlernen“, die freilich nie zu Charakteren werden, und der (Anti-)Held Floskeln über die Kraft der Liebe vorträgt, erreicht das Werk eine bedauerliche Banalität.

Das Dasein als Killer, Ehemann und Vater könnte der Ausgangspunkt für ein reizvoll-ambivalentes Porträt sein – zum Beispiel, wenn Bo seine Kids an einer Stelle zu Bett bringt und ihnen erklärt, dass Daddy nun zur Arbeit müsse. Um daraus etwas wirklich Beachtliches entstehen zu lassen, müssten die Figuren aber entschieden einnehmender und präziser gezeichnet sein. So bleibt Aggro Dr1ft ein in Ansätzen interessantes Experiment, das wie die dunkle Erinnerung an eine wilde Partynacht recht schnell wieder verflogen ist.

Gesehen bei den Internationalen Filmfestspielen von Venedig.

Aggro Dr1ft (2023)

„Aggro Dr1ft“ — der durch die Verwendung einer thermischen Linse eine ganz besondere Optik hat — erzählt von kriminellen Machenschaften in Miami. Dort macht sich ein erfahrener Auftragskiller auf die unerbittliche Jagd nach seinem nächsten Ziel. Die Spannungen lösen sich auf und führen zu einer psychedelischen Reise, bei der die Grenzen zwischen Räuber und Beute verschwimmen.

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