Spring Breakers (2012)

Eine Filmkritik von Beatrice Behn

Die Macht der Transgression

Spring Breakers ist ein Film voller Gegensätze: Denn wer würde schon angesichts der Eingangssequenz, in der nackte Menschen zu lauter Musik ihre Körperteile in die Kamera schwenken, vermuten, dass sich daraus am Ende seiner Laufzeit ein Meisterwerk des transgressiven, sozialkritischen Kinos entwickelt. Oberflächlich betrachtet ist der Film eigentlich nichts weiter als eine etwas krassere Variation des Coming-of-Age Themas. Der Spring Break ist eine amerikanische College-Tradition, die darin besteht, dass man in den Frühlingsferien sein Geld zusammenkratzt, mit seinen Freunden nach Florida fährt und dort eine Woche lang nichts weiter tut, als sich zu betrinken, hemmungslosen Sex zu haben und Unmengen an Drogen zu nehmen. Ein bisschen wie die härtere Version des deutschen Karnevals, nur eben mit dem Hintergrund, dass der Spring Break sich ausdrücklich nur an junge Menschen wendet und ein Fest ist, welches den Übergang ins Erwachsenenleben markiert – Ethnologen würden so etwas wohl einen Initiationsritus nennen.

Der Film erzählt von vier jungen Mädchen gespielt von Selena Gomez, Rachel Korine, Vanessa Hudgens und Ashley Benson. Und schon hier wird es sehr interessant, da zwei dieser Schauspielerinnen, Gomez und Hudgens, sogenannte Disney Girls sind, die ihre Karriere als Kinderstars im Disney Channel gestartet haben. Sie besitzen also ein sehr distinktives Image – und zwar das des jungen, prüden und ordentlichen Mädchens, das mit Drogen, Alkohol und Sex so gar nichts am Hut hat, dafür aber eine Unmenge an jungen Fans, denen sie als Vorbilder dienen sollen. Vor diesem Hintergrund bestreiten die beiden jungen Frauen nun einen recht radikalen Imagewechsel: Denn natürlich wollen die vier Mädels in Spring Breakers ebenfalls nach Florida fahren und dort jene Art von Spaß haben, an den echte Disney Girls nicht einmal zu denken wagen. Da das Geld für die Dauerparty nicht reicht, beschließen drei von ihnen einen Laden zu überfallen – schließlich könne das ja heutzutage jeder, es reiche so zu tun, als wäre alles nur ein Videospiel. Gesagt, getan: In kurzen Shorts und Pussy Riot-Skimasken (der Film wurde vor der Pussy Riot-Kontroverse gedreht, doch die politische Wirklichkeit gibt dem Werk ungewollt noch eine ganz neue Bedeutungsebene) besorgen sie sich das benötigte Geld und fahren ab in den Urlaub. Hier treffen sie, nachdem sie wegen Drogenkonsums festgenommen wurden, auf Alien (James Franco), einen weißen Rapper mit Rastalocken und Silberzähnen, der ihnen zeigt, was ein richtiger Gangsta ist. Das gefällt einigen der Damen zusehends und anstatt in die Uni zurückzukehren, werden sie Gangsterbräute im Bikini.

Wenn man die Story des Filmes kurz nacherzählt, erscheint Spring Breakers eher wie ein dummer und noch dazu sinnfreier Film. Doch weit gefehlt, denn die Erzählebene ist nichts weiter als die Inititalzündung für eine ganze Serie von Attentaten, die der Filmemacher auf die amerikanische Gesellschaft loslässt. Ganz im Stile der Filme eines Russ Meyer kann man das Werk ausschließlich als Spaßfilm betrachten und sich an den Massen an nackten Körpern und expliziten Sexszenen ergötzen. Oder man wagt einen etwas tieferen Blick. Von Anfang an verstört der Film nämlich mit seiner Machart. Viele Szenen, die einzeln betrachtet ganz typisch stereotype Filmbilder sind, werden ständig wiederholt. Diese Repetition erscheint anfänglich nur eigenartig, eröffnet aber alsbald eine ganz neue Ebene. Korine wiederholt die oft bekannten, ikonographischen Bilder so oft, dass sie ihren Kontext völlig verlieren und sich selbst dekonstruieren und aufzeigen, wie leer und hohl sie eigentlich sind. Genauso leer sind auch die wenigen Dialoge, mit denen der Film aufwartet. Beim ersten Hören klingen sie noch nach Popsonglyrik, doch bald schon entlarven sie ihr innewohnendes Nichts. Nicht umsonst wird hier Britney Spears als Pop-Philosophin verehrt – Korine macht klar, dass diese Generation junger Menschen mit MTV, Videospielen und viel Weichspülpop aufgewachsen ist und nichts weiter gelernt hat als hohle Gesten. Das Land hat mit seiner Fastfood-Kultur sein eigenes Volk entleert und eine Generation geschaffen, die nichts hat und nichts ist. Und dennoch ist der Film nicht deprimierend, sondern er lässt seine Protagonistinnen vielmehr in all dieser Sinnlosigkeit und dem Drogenkonsum etwas finden, in dem sie sich nicht nur erfahren, sondern das sie auch erfüllt und ihnen einen Sinn gibt: Gewalt. Denn, so stellt sich bald heraus, diese Frauen gehen einen Schritt weiter als Quentin Tarantinos Death Proof-Girls. Diese lernten sich zu wehren, doch Korines Frauen sind proaktiv und ziehen einfach mit aller Konsequenz das durch, was ihnen ihre Gesellschaft beigebracht hat. Der American Dream, so will der Film eindeutig machen, ist ein dreckiger, verkommener und durch und durch schmutziger Traum. Und die neue Generation hat sich befreit von den Skrupeln und der Schuldfrage und nimmt sich einfach, was sie will.

Es ist nicht zu bestreiten,dass dieser Film die Gemüter spaltet – vor allem in den USA. Doch so definitiv er Kontroversen entfacht, so klar ist auch: Dieser Film ist, zumindest in einem Zirkel von Eingeweihten, ein Kultfilm, was in sich schon wieder eine Verdrehung und Perversion dessen ist, auf das Korine hier hinweisen möchte.
 

Spring Breakers (2012)

Wenn man zu einem Filmfestival fährt und es sich zur Aufgabe macht, jeden Film im Wettbewerb zu sehen – der ja per Definition die Crème de la crème beinhalten soll und somit auch ein Indikator für den momentanen Stand der Filmkunst ist – erwartet man natürlich auch Filme, die einen wirklich beeindrucken, die innovativ sind und emotional berühren. So gut gemacht und proper die Filme im diesjährigen Wettbewerb hier in Venedig auch sein mögen, keiner vermochte es wirklich, das gesamte Publikum mitzureißen.

  • Trailer
  • Bilder

Meinungen

Niki · 05.12.2023

Leider sind das schwache negativ Kommentare. Der Film will tiefer gehen, ich war anfangs auch extrem irritiert und ablehnend, öaber es will mehr als man denkt zu bekommen. Es setzt sich auseinander mit Gewalt, Popkultur, Erwartungen und Extremgefühle. Annehmen und auseinandersetzen in dem eigenen Radius, es hilft, wenn man die Courage hat.

Steffi Jähn · 24.06.2013

Miesester Film aller Zeiten, total kompliziert und das obwohl es absolut keinen Sinn hinter dem großen Trubel gibt. Durcheinander geworfene Szenen und null Hintergrundgedanke. Wirkt wie ein billiger Poooorno und Aktion "Film". Absolut unnötig.

Merliah-Rosella Luciana Theresa · 10.05.2013

ich finde den fim super cool wen ich punkte verteilen musste gebe ich 9.9 von 10.0

Lara · 08.04.2013

Hab den Film noch nicht gesehen,aber ich hoffe das er nicht eine zu herbe Enttäuschung sein wird..

Marie · 31.03.2013

Absolute zeitverschwendung. Null Handlung.

Snacki · 23.03.2013

Arg kontrovers - großer Mist und großes Meisterwerk in einem. Der synchronisierten deutschen Fassung aber besser aus dem Wege gehen.