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Couchperle: Limbo von Soi Cheang

Ein Beitrag von Mathis Raabe

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Filmstill zu Limbo (2021) von Soi Cheang
Limbo (2021) von Soi Cheang

So dreckig, verregnet und düster hat man Hongkong noch nie gesehen. Und das will etwas heißen, schließlich ist die Sonderverwaltungszone unter anderem für brutales Thrillerkino bekannt.

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Limbo feierte seine Premiere 2021 bei der Berlinale. Es war dieser zweigeteilte Corona-Jahrgang, in dem es zunächst zum gewohnten winterkalten Termin Online-Vorführungen gab, und dann im Sommer Open-Air-Screenings. So merkwürdig es auch war, zur Berlinale die heimischen Vorhänge zuzuziehen und den Fernseher zu starten: Zu diesem Film haben das schlechte Wetter und der Weltschmerz perfekt gepasst. Als ich nach gut zwei Stunden wieder zu mir kam, auf der Rückenlehne meines Sessels kauernd wie eine verängstigte Katze, die Fingernägel tief ins Polster gegraben, da dachte ich: Man kann also auch unter widrigen Umstände Filmerlebnisse haben, die alles andere vergessen lassen – fast wie im Kino. So schlimm kann’s nicht werden.

Was Soi Cheang auftischt, ein Regieveteran mit über 20 Jahren Schaffen, der erst letztes Jahr mit Mad Fate erneut bei der Berlinale zu Gast war, ist indes ganz schön schlimm. Die Plotstruktur kennt man: Zwei ungleiche Cops müssen einen Serienmörder finden. Der eine ist ein Rookie, der noch nach den Regeln spielt, der andere ein desillusionierter Veteran. Als dann auch noch die Person auftaucht, die das Leben seiner Frau und seiner Tochter auf dem Gewissen hat, droht Papa Cop, durchzudrehen. Soi Cheang inszeniert das Ganze jedoch als derart hoffnungslose und nihilistische Großstadtsymphonie, dass es einem den Atem verschlägt. In detaillierten Schwarz-Weiß-Bildern zeichnet er Hongkong als Moloch, der nur aus kreischenden Straßenbahnen und Bergen von Müll und menschlichen Überresten zu bestehen scheint, durch die seine Figuren auf Knien kriechen müssen, während es ununterbrochen regnet und die Wolkenkratzer im Hintergrund hämisch auf sie herabzublicken scheinen.

Vermutlich hat der Veröffentlichungszeitpunkt damit zu tun, dass Limbo bislang sträflich untergegangen ist. In Deutschland erschien er offiziell erst letztes Jahr – und zwar auf DVD. Inzwischen können aber auch die gängigen VoD-Anbieter weiterhelfen. Für Fans des Hongkong-Kinos ist Limbo ein Muss – und für alle anderen eigentlich auch.

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