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Shakespeares berühmtes Drama über den schottischen Königsmörder in reduziertem Schwarzweiß ist eine echte Schau — und das liegt nicht an den Settings und den erlesenen Bildern, sondern vor allem an einem exzellenten Ensemble.

Macbeth (2021)

Eine Filmkritik von Joachim Kurz

Geisterbeschwörungen

Vielleicht ist es ja lediglich ein Zufall, dass nahezu zeitgleich zwei Filme in die Kinos kommen, die beide sehr starke Bezüge zum Theater aufweisen — neben Ryusuke Hamaguchis ausgezeichnetem „Drive My Car“ läuft derzeit auch Joel Coens „Macbeth“ in den Kinos an — allerdings in recht begrenztem Umfang, da der Film in wenigen Wochen, ab dem 14. Januar 2022, vor allem über den Streamingdienst Apple+ ausgewertet wird.

Nun kann und sollte und muss man viel streiten über die Sinnhaftigkeit einer doppelten Auswertung von für Streamingdienste produzierten Inhalten auf den eh schon unter der Last zahlreicher Kinostarts stöhnenden Kinos, aber im Falle von Perlen wie Jane Campions Power of the Dog, Alfonso Cuaróns Roma und nun eben auch Joel Coens Macbeth besteht kein Zweifel daran, dass Werke von solcher Qualität eigentlich die ganz große Leinwand verdient haben.

Gerade Macbeth verfügt mehr noch als andere Theaterstoffe Shakespeares über eine lange Tradition an filmischen Umsetzungen, die bis in die Frühzeit des Kinos zurückreichen, unter denen vor allem die Leinwandfassungen von Orson Welles (Macbeth — Der Königsmörder aus dem Jahre 1948), Akira Kurosawa (Das Schloss im Spinnwebwald aus dem Jahre 1957) und Roman Polanski (Macbeth aus 1971) eine herausragende Stellung einnehmen. Doch Joel Coens Film steht diesen berühmten Vorbildern in nichts nach.

Der Film beginnt mit einer schwarzen Leinwand, aus dem Off sind die Stimmen der drei Hexen zu hören, deren Auftakt seit jeher zu den ganz großen Theatermomente gehört. Dass Joel Coen dies als reinen Sprechakt ohne Bilder zeigt, verdeutlich seinen Respekt vor der Wirkmacht des Originaltextes, der — abgesehen von kleineren Straffungen und Streichungen — die Tonebene des sich nun entfaltenden Dramas beherrscht. Tastend erst kommen dann die Bilder hinzu — zunächst blendendes Weiß eines nebelverhangenen Himmels, vor dessen Hintergrund erst langsam kreisende Krähen sich abzeichnen (sie werden auch am Ende noch eine Rolle spielen). Aus dieser Dichotomie von Schwarz und Weiß entwickeln sich mit großer Folgerichtigkeit dann die Szenen, die dem Aufbau und der Sprache sowie Diktion von Shakespeares Bühnentext mir großem Respekt folgen und nur mittels der Interpretation, der Besetzung und der Bilder sowie dem dezenten Score von Carter Burwell, einem erprobten Komponisten im Dienste der Coens, ihren ganz eigenen Stempel aufdrücken.

Es sind vor allem die Darsteller*innen, die in diesem Film bei aller Düsternis und Abgründigkeit hell glänzen lassen — beginnend mit Denzel Washington als Macbeth und Frances McDormand als dessen Gemahlin. Darüber hinaus aber zeigt sich das Ensemble bis in die kleinsten Nebenrollen glänzend aufgelegt und voller Spielfreude und dem Willen, die Ursprungstexte mit neuem Leben und vor allem Spannung zu beflügeln. Und auf magische Weise gelingt dies, ohne dass man die Anstrengung dahinter allzu sehr spüren würde.

All dies sowie die Spannung, die aus dem sperrigen Drama um Schuld und Sühne einen Historienthriller mit deutlichen Elementen eines psychologisch fundierten Horrorfilms über die Abgründe der menschlichen Existenz und die Willfährigkeiten des Schicksals erzeugen einen förmlichen Sog, der die Handelnden wie Geister in einer aller Mitmenschlichkeit beraubten Welt erscheinen lässt.

In gewisser Weise ist auch Joel Coens Adaption von Macbeth eine Geisterbeschwörung — und womöglich auch das Dokument einer Ablösung. Denn nach etlichen Filmen, die Joel stets im symbiotischen Verbund mit seinem Bruder Ethan realisierte, ist dies die erste Arbeit, die ohne das Zutun des Bruders geschah. Eine family affair ist Macbeth dennoch — und das liegt vor allem an Frances McDormand, die seit 1984 mit Joel Coen verheiratet ist und die hier erneut eine unglaubliche Präsenz auf der Leinwand entwickelt.

Die exquisiten, aufs Äußerste verknappten und in minimalistische Bühnensettings verpflanzten Schwarzweiß-Bilder von Bruno Dubonnel erinnern in ihrer ausgeklügelten Balance zwischen Licht und Schatten, Räumlichkeit und ausdrucksstarken Porträt- und Detailaufnahmen an expressionistische Stummfilmdramen großer Meister wie Carl Theodor Dreyer, Fritz Lang und Robert Wiene. Jeder Landschaft beraubt und in einem fiktiven Raum angesiedelt, der an keine konkrete Verortung gemahnt, sondern vielmehr die Universalität des Stoffs betont, wird so die Bühne und der Bildraum zu einem labyrinthischen Ort, einen eiskalten Kerker aus Machtgier, Schuld und Wahn.

Macbeth ist vor allem auf der großen Leinwand ein echtes Erlebnis und dürfte nicht nur Cineasten, sondern auch Theaterbegeisterte und Verehrer*innen Shakespeares begeistern.

Macbeth (2021)

Die Tragödie von William Shakespeare aus dem Jahre 1606 dreht sich um einen machtgierigen, skrupellosen Fürsten (Denzel Washington), der mit Hilfe seiner Frau Lady Macbeth (Frances McDormand) zum König von Schottland aufsteigen will. 

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Meinungen

Andreas · 13.03.2022

Ich würde mich gern o. g. Kritik anschließen, kann es aber beim besten Willen nicht. Resümee, kann sein. Muß es aber nicht. Für mich einfach nur schade.

Fleance · 20.02.2022

Eine überflüssige Neuverfilmung mit einer bisweilen albernen deutschen Übersetzung.
Die klassischen Monologe von Macbeth und seiner Lady werden ton- und inhaltslos runtergeleiert, die Handlung abstrakt durchgehetzt, und der Clou, dass Fleance von Ross versteckt wird, um Malcolm vom Thron zu stürzen, na ja...wäre nicht nötig gewesen. Polanskis Meisterwerk von 1971 bleibt bislang unerreicht.