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Nach Il Divo arbeitet sich Paolo Sorrentino in „Loro — Die Verführten“ zum zweiten Mal an einer prägenden Gestalt der italienischen Nachkriegspolitik ab: Silvio Berlusconi.

Loro - Die Verführten (2018)

Eine Filmkritik von Joachim Kurz

„Der beste Verkäufer Italiens“

Zehn Jahre ist es her, dass Paolo Sorrentino mit „Il Divo — Der Göttliche“ eine meisterliche Collage über Giulio Andreotti vorlegte – eine radikale Abrechnung mit dem Christdemokraten, der wie kein anderer die italienische Politik der Nachkriegsära beherrschte und prägte. Mittlerweile ist das Land deutlich ein anderes geworden und die derzeitige Mitte-Rechts-Regierung trägt nicht mehr die Handschrift Andreottis, sondern des zweiten berüchtigten „Politikers“ (gerade in diesem zweiten Fall sind die Anführungszeichen ebenso gerechtfertigt wie intendiert), der die Geschicke des Landes zum Schlechteren wandte: Silvio Berlusconi. Der wird, wie damals Andreotti in „Il Divo“, von Sorrentinos Haus- und Hofdarsteller Toni Servillo verkörpert – mit zentimeterdickem Make-up, schmierigem, wie ins Gesicht hineinoperiertem Dauergrinsen und einer wie aufgemalt wirkenden Frisur geometrischen Zuschnitts.

Dabei steht Silvio zu Beginn des Films nicht einmal im Vordergrund, sondern bleibt lange Zeit das unsichtbare Zentrum, um das sich alles dreht in diesem Film. Der Bauunternehmer und Quasi-Zuhälter Sergio Morra (Riccardo Scamarcio) aus dem süditalienischen Tarrent hat genug vom Leben in der heruntergekommenen Provinz und will nach oben – nach Rom und in die Nähe von IHM, wie er zu Beginn des Films nur genannt wird. Gemeint ist damit der ehemalige Ministerpräsident Silvio Berlusconi, der wieder auf dem Weg nach oben zu sein scheint. Und dafür ist Morra jede Mittel recht. Mit Hilfe seiner Frau Tamara, die den früheren Minister Santino Recchia durch eine sexuelle Gefälligkeit in der Hand hat, und vieler mit Koks und MDMA gefügig gemachten Provinzschönheiten will Morra den Cavaliere mit aller Macht auf sich aufmerksam machen und so in die Nähe der Macht und großen Geldtöpfe kommen. Zu diesem Zweck kratzt der schmierige Partykönig alles Geld zusammen und mietet sich in einem Anwesen direkt neben Berlusconis Domizil auf Sardinien ein, um dort mit Drogen, leichten Mädchen und lauter House-Musik die Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. Der solchermaßen Umworbene freilich hat derweil ganz andere Probleme: Zahlreiche Anklagen wegen verschiedenster Delikte, eine kriselnde Ehe, politische Konkurrenten, die Morgenluft wittern, und die nachlassende Manneskraft machen dem eitlen Geck schwer zu schaffen. Das alles kann „den besten Verkäufer Italiens“ aber natürlich nicht aufhalten, der sein politisches Comeback mit der Ausgebufftheit eines erprobten Strippenziehers minutiös vorbereitet. 

Man merkt dem Film in der in Deutschland ins Kino kommenden Fassung deutlich an, dass er ursprünglich anders intendiert war. In Italien, wo das Interesse an einer Aufarbeitung des mehrfachen politischen Sündenfalls ungleich größer sein dürfte, war Loro — Die Verführten von vornherein als Zweiteiler angelegt und verfügte über eine Gesamtlaufzeit von knapp vier Stunden. Für die deutsche Kinofassung wurden die beiden Teilen auf etwas mehr als zweieinhalb Stunden eingedampft, worunter vor allem die Struktur und die Stringenz des Filmes leiden.

Sicherlich ist Paolo Sorrentino nach wie vor ein Meister der eleganten Bilder, der schwebenden Kamerafahrten und des satirisch zugespitzten Stils, der immer wieder die Nähe zum Spätwerk von Federico Fellini aufblitzen lässt. Erzählerisch aber ist Loro — Die Verführten recht disparat geraten. Szenen von hoher Suggestivkraft wechseln sich ab mit langatmigen Dialogen, Nebenfiguren kommen und gehen ohne erkennbare Motivation und Intention, erzählerische Fäden werden aufgenommen und verlaufen anschließend im Sand. Gut möglich, dass diese dramaturgischen Holprigkeiten vor allem den Kürzungen um rund 40 Minuten geschuldet sind. Wer darüber hinwegsehen kann, wird mit einer opulenten Politsatire belohnt, die an zahlreichen Stellen unversehens Parallelen zu einem anderen Politclown unserer Tage förmlich aufdrängt. Gegen die Impertinenz eines Donald Trump wirkt nämlich selbst Silvio Berlusconi in seiner fiktionalisierten Zuspitzung fast schon wie ein Sympathieträger und eigentlich wie ein armer Tropf. Das muss man auch erst einmal schaffen. 

Loro - Die Verführten (2018)

Paolo Sorrentinos neuer, mit Spannung erwarteter Film zeichnet ein Porträt von Silvio Berlusconi und den Menschen in seiner engsten Umgebung.

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