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Die Zukunft des Kinos. Oder in Zukunft ohne das Kino? - Teil 3

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Wie aber wirken sich diese Veränderungen auf der Produzenten- und Distributorenseite auf die Kinos selbst aus? Es deutet einiges darauf hin, dass es in der nahen Zukunft zunehmend zu Kooperationen zwischen den neuen Online-Playern und der Offline-Institution Kino kommen wird. Schon heute schrumpfen gegen den Widerstand der Kinos die Auswertungsfenster immer weiter zusammen, sie werden sich in Zukunft in Richtung „Day-And-Date“ Releases bewegen, zu  dem gleichzeitigen Herausbringen eines Films im Kino, auf physischem Datenträger und via Internet. Als Hauptgrund für diese Entwicklung wird vor allem die Filmpiraterie genannt, denn wenn man die entsprechenden Quellen kennt, gibt es kaum einen Film von größerem Interesse, der nicht schon kurz nach seinem Kinostart (oder manchmal auch davor) illegal im Netz angeboten wird. 

Der Filmemacher Virgil Widrich hielt die Idee einer Kinoschutzfrist schon im Jahr 2009 für „mittlerweile antiquiert“ und erklärte: „Raubkopien können dadurch besonders reüssieren, weil die Filme vielerorts sonst nicht erhältlich sind. Die DVD und die Online-Auswertungen werden künftig mehr und mehr zeitgleich passieren.“

Damit nicht zu viel Verkaufspotential für den Film verloren geht, werden die Sperrfristen und Verwertungsfenster immer häufiger verkürzt. In manchen Ländern kann schon drei Monate nach Filmstart der Film als DVD oder VOD gekauft werden.

Hannes Kreutzer beschreibt die derzeitige Lage in seinem Buch Digitale Film-Distribution: Funktionsweise und kritische Beleuchtung der Auswirkungen auf die Filmindustrie folgendermaßen: „Das Fenster für Kinoverwertung beträgt traditionell sechs Monate. Es lässt sich jedoch in den letzten Jahren der Trend beobachten, dass Kinofilme eine immer kürzere durchschnittliche Verweildauer aufweisen. Während in den USA die Top-100-Blockbuster im Schnitt 3,2 Monate im Kino sind, können weniger erfolgreiche Filme bereits nach dem ersten Filmwochenende aus den Kinos verschwinden. Auf eine DVD der erfolgreichsten Filme in den USA wartete man im Schnitt 4,3 Monate (keine Schutzfristen), auf weniger erfolgreiche nur drei Monate. Auch in Europa versuchen Produzenten, TV-Sender, Pay-TV und VOD-Anbieter die Fenster zu verkürzen, dabei kommt es aber immer wieder zu Widerständen seitens der Kinobetreiber, die um ihr Geschäft fürchten. Während sich nun auch Filmförderungen bei den Schutzfristen und Fenstern variabel zeigen (z.B. Sperrfristenverkürzung im deutschen Filmförderungsgesetz im Januar 2009: zwischen Kino und Pay-TV von 18 auf 12 Monate, VOD von 12 auf sechs Monate, Free-TV von 24 auf 18 Monate), bleibt die Bedeutung des Kinos, aufgrund der Marketingwirkung sowie der strategischen Wichtigkeit, am Anfang der Kette zu sein, groß. Ein Kinoerfolg kann die weitere Auswertung pushen und die Verhandlungsposition bei Verkäufen an TV-Sender oder VOD-Plattformen stärken.“

Für die Produzenten und Rechteinhaber ist die Day-And-Date-Strategie durchaus sinnvoll. Statt wie bisher unterschiedliche Marketingkampagnen für die verschiedenen Releases zu starten, können sie ihre Aktivitäten auf einen einzigen Termin hin konzentrieren. Und auch der Kunde (vulgo: Zuschauer) könnte bei dieser nahezu sicheren Zukunftsvision ein möglicher Gewinner sein: Er ist nicht mehr davon abhängig, ob der Film, den er sehen möchte, zufällig in einem Kino in seiner Nähe gespielt wird oder nicht, sondern kann selbst wählen, welche Abspielmöglichkeit er wählt: Das Gemeinschaftserlebnis mit anderen in einem Kinosaal, mehr oder minder störungsfrei und ohne lästige Ablenkungen. Oder doch lieber die bequeme Variante zuhause vor dem Laptop oder im Heimkino, weil das nächste Filmtheater zu weit weg ist oder kein Babysitter aufzutreiben war.

Allerdings sind im Moment in Deutschland die Widerstände noch besonders stark. Eine Erfahrung, die auch der Regisseur Jakob Lass machen musste: Erstartete letztes Jahr in Deutschland mit seinem Film Love Steaks einen Angriff. Sein Ziel war es gewesen, für seine Abschlussarbeit an der Hochschule für Film und Fernsehen Konrad Wolf ein maximal großes Publikum zu erreichen. Und deshalb, so sagte er „wollten wir den Film so herausbringen, wie wir selbst auch Filme sehen: im Kino und digital“. Love Steaks war ohne Produktionsförderung zustande gekommen, weshalb Jakob Lass und seine Mitstreiter die gesetzlichen Vorschriften hätten umgehen können. „Wir haben uns ein Pay-per-View-System überlegt, das die Kinos am Umsatz unseres Films auf digitalen Plattformen beteiligt hätte.“ Einige Kinos hatten, so Lass, schon ihre Bereitschaft signalisiert, bei diesem Feldversuch mitzumachen. Doch einen Tag bevor er den ungewöhnlichen Vertriebsweg gemeinsam mit den Love-Steaks-Produzenten vorstellen wollte, intervenierte die AG Kino, der Verband deutscher Filmkunsttheater, und blies alles ab.

„Die Angst, dass die Zuschauer, die Filme zu Hause ansehen, nie wieder ins Kino kommen, ist in der Branche riesengroß“, so erzählt Lass in einem Artikel im Spiegel. „Wir wurden damals scharf angegriffen, es wurde richtig persönlich.“ Ein Argument der Gegner lautete: „Wer zu Hause streamt, der kauft auch sein Popcorn nicht mehr im Kino.“ Der ausbleibende Umsatz mit Concessions, also mit Süßigkeiten und Getränken, träfe die Kinobetreiber genauso hart wie ausbleibende Ticketverkäufe. Ein Argument, das Lass zwar nachvollziehen kann, aber: „Ich als Filmemacher will ja kein Popcorn verkaufen, sondern meinen Film unter die Leute bringen.“

Die Diskussion bringt ein Dilemma der derzeitigen Kinobranche auf den Punkt: Jakob Lass geht es um seinem Film, manchem Kinobetreiber eher um den Pocorn-Verkauf als um das aufzuführende Werk. Natürlich bemühte sich die AG Kino eilig zu widersprechen und gab zu Protokoll, nicht der Verband an sich, sondern einzelne Mitglieder hätten sich dagegen entschieden. Angeblich, weil sich das Modell für sie wirtschaftlich nicht gelohnt habe und weil die rechtlichen und technischen Modalitäten nicht geklärt gewesen wären. Für das VoD-Angebot hätte die Website umprogrammiert und mit einer Bezahlmöglichkeit ausgestattet werden müssen. Und dies unter Preisgabe der Exklusivität. 

Es bleiben die Fragen, ob dies über kurz oder lang nicht sowieso geschehen wird und ob Exklusivität in Zeiten einer größeren Offenheit durch das Internet wirklich noch das Alleinstellungsmerkmal des Kinos ist. Oder um das Problem mal beim Namen zu nennen: Gibt es diese behauptete Exklusivität überhaupt noch? Und was ist eine Exklusivität wert, wenn auf sieben Leinwänden in der Stadt der neue Bond läuft, drei weitere Säle durch ein Superhelden-Epos blockiert sind und das örtliche Programmkino einen Film für die Zielgruppe 50+ sowie einen erbaulichen Dokumentarfilm anbietet? 

Am Rande: Eines der Hauptprobleme in der derzeitigen Entwicklung für das Kino und dessen Fortbestand ist auch die Altersstruktur der Kinobetreiber, die uns in einigen Jahren eine erhebliche Nachfolge-Problematik bescheren wird. Denn welcher junge und engagierte Kinofan möchte schon ein Geschäftsmodell übernehmen, das über viele Jahre hinweg alle wesentlichen Entwicklungen verschlafen bis abgelehnt und sich keine Nachfolgegeneration für seine alternde Kundschaft aufgebaut hat?

Gerade mit Angeboten wie dem oben genannten, dann aber doch an den verkrusteten alten Strukturen gescheiterten, könnte, so denke ich, eine Zielgruppe ins Kino zurückgeholt werden, die man derzeit de facto aufgegeben hat. Die jungen netzaffinen Zuschauer, die sich häufig für Trash oder eher abseitiges Kino interessieren, finden im derzeitigen Arthouse-Einerlei kaum das Angebot, das sie sich wünschen würden. Es ist schon seltsam: Da bringt die Digitalisierung ganz neue Zugänge und Filme auf den Markt, während andererseits die Programme der Kinos immer eintöniger werden. 

Eine Flexibilisierung und Anpassung an das veränderte Konsum und Sehverhalten ist derzeit aber noch ein frommer Wunsch, Day-And-Date oder andere flexiblere Formen der Programmgestaltung sind bis auf wenige Ausnahmen — limited releases, also begrenzte Kinoauswertungen parallel zum DVD-Start — kein Thema in Deutschland. Zumindest nicht, wenn es um aktuelle Kinofilme geht.

Aufgrund der derzeitigen Gesetzeslage können parallele Online-/Offline-Strategien momentan nur mit Repertoire-Filmen probiert werden: Im Moment läuft ein solches Modellprojekt namens Kino on demand, initiiert von Rushlake Media in verschiedenen Kinos in Aachen, Bad Soden, Düsseldorf, Innsbruck, Duisburg, Bochum und Regensburg. Dabei werden die Filme direkt auf der Website des jeweiligen Kinos in einem Webshop angeboten, der dem Look und dem Corporate Image des Filmtheaters angepasst ist. Man sieht also, dass es Lösungen technischer Art gibt. Man muss sie als Kinobetreiber nur wollen.

Kommen wir noch einmal zurück zu der eingangs erwähnten Studie von Professor Dr. Dieter Wiedemann. Zum Schluss seines Papiers ist dort unter anderen zu lesen: „Die starre Bindung des Films an den Aufführungsort Kino beeinträchtigt die Entwicklung neuer, jugendaffiner Distributionsformen für deutsche Filme, z. B. parallele Auswertung in Filmportalen, im Fernsehen und in Kinos.“

Und weiter heißt es dort: „Es sollte über Einschränkungen bei der Exklusivfunktion des Kinos für den Start deutscher Filme nachgedacht werden und damit auch eine Diskussion zu deren Verwertungsfenstern geführt werden. Es wäre zeitgemäßer, die Beschränkung der Filmförderung durch den Bund auf den Erstaufführungsort Kino insbesondere hinsichtlich der starren Verwertungsfristen aufzuweichen und beispielsweise eine Auswertung in VoD-Diensten parallel zum oder auch vor dem Kinostart zu ermöglichen.“

Zugegeben: Die Vorstellung, dass neuen Filme zukünfitg nicht mehr nur im Kino gesehen werden, sondern auch auf allen möglichen Endgeräten, mag Cineasten bis ins Mark schmerzen. Leider scheint es so, als sei diese Entwciklung aber über kurz oder lang nicht mehr aufzuhalten. 

 

Zurück ins Cinema Paradiso

Es gibt — man vergisst das schnell wieder oder verdrängt es — tatsächlich eine Institution in Deutschland, die sich zumindest ihrem Titel nach um die Zukunft des Kinos kümmert. Sie hat ihren Sitz in Berlin und nennt sich Zukunft Kino Marketing GmbH, kurz ZKM. Sie alle kennen sie, die ZKM steckt nämlich hinter der Aktion Hart, aber gerecht, die seit vielen Jahren mit Anzeigen und Werbespots (Die Kinder, die ihrem Vater ein Ständchen vor dem Gefängnis singen) gegen Raubkopierer ins Feld zieht. Nun ist sicherlich eines der vielen Probleme für die Krise des Kinos die Internet-Piraterie, doch darüber hinaus fällt die Zukunft Kino Marketing GmbH kaum durch weitere Aktionen auf. Ich hielt das von Anfang an und halte das immer noch für ein fatales Signal, das hier ausgesendet wurde und wird. Es setzt in meinen Augen den Zuschauer unter einen Generalverdacht, es verbreitet Angst und baut eine Drohkulisse auf, statt dem Trend zum heimischen Konsum von Filmen ein positiv besetztes Bild entgegenzusetzen.

Vor kurzem erschien im Magazin der Süddeutschen Zeitung ein sehr lesenswerter Artikel des Sozialphilosophen Harald Welzer, der zuvor das Fehlen positiver Utopien in der gegenwärtigen Gesellschaft bemängelt hatte. Und ich bin durchaus geneigt, diese Worte für die Film- und Kinobranche in Deutschland umzuadressieren: „Wollen wir so wirklich leben? Oder sollten wir nicht lieber endlich anfangen, wieder eigene Zukunftswelten zu entwerfen, Welten, wie sie sein sollten — soziale Utopien, die zugleich eine Ästhetik des Widerstands gegen die infantile Konsumhölle entwickeln würden? Und zwar nicht nach den öden Fantasien technischer Machbarkeit, sondern nach den Überraschungen des Entdeckens.“

Lassen Sie uns zum Schluss dieser Aufforderung folgen und einige Szenarien für das Kino der Zukunft entwerfen. Wobei es, dies vorab, DAS EINE Kino nicht geben wird. Schon jetzt haben wir eine Zersplitterung des Kinos: Die großen Multiplexe mit ihrem Mainstream-Programm, die Programmkinos mit ihrem Crossover aus Arthouse-Ware von der Stange und den Erinnerungen an frühere Zeiten, als sie noch Orte der Filmkunst waren, und nicht zuletzt die Kommunalen Kinos.

Multiplexe werden immer mehr zu Erlebniskinos werden, mit Lightshows und anderen Events, die davon ablenken, dass das Blockbuster Kino der kommenden Jahre durchkonfektionierte Standardware ist. Hollywood Kinos haben bereits jetzt die Planungen für die kommenden fünf bis zehn Jahre abgeschlossen, auf dem Programm stehen vor allem Superhelden-Epen, Games-Verfilmungen, Remakes von Erfolgsfilmen und natürlich Sequels, Prequels und Spin-offs — die Rettung des Kinos darf man von dieser Strategie sicher nicht erwarten, sondern muss vielmehr befürchten, dass die kommende Krise des Mainstream-Kinos die angespannte Lage noch verschärfen wird.

Ergänzt wird das Programm mittlerweile durch den sogenannten alternative content: Fußballspiele, Opernübertragungen und sonstige Sonderformen, bei denen das Kino seine eigentliche Position als Abspielort von Filmen aufgibt und damit letzten Endes seinen Markenkern weiter beschädigt.

Programmkinos werden sich wandeln, ebenfalls mehr in Richtung Event gehen (Kino & Vino, Frühstückskino), um das Kino wieder als Wohlfühlort zu etablieren. Beispiele Astor Filmlounge, Zoo-Palast und andere Luxuskinos. Allerdings ist kaum zu erwarten, dass man hier Filmkunst oder Sperriges zu Gesicht bekommt, sondern ebenfalls durchkonfektioniertes Feelgood-Kino. Ein Blick auf die Startlisten der vergangenen Monate und Jahre und auf die Kinocharts verrät jedenfalls, wohin die Reise führen wird.

Bleiben also noch die Kommunalen Kinos — und in ihnen liegt ehrlich gesagt meine einzige Hoffnung auf eine Rettung der Filmkunst. Doch auch sie müssen sich verändern, müssen sich weiter öffnen, müssen attraktiver werden, offener, transparenter, mehr am Puls der Zeit, anstatt immer noch Konzepten hinterherzulaufen, die in den 1970er, 1980er und vielleicht noch in den 1990er Jahren funktionierten.

Vor allem aber brauchen die Kommunalen Kinos eine viel bessere finanzielle Ausstattung. Und die würde wiederum eine grundlegende Reform der Filmförderung nötig machen, die derzeit enorm viel Geld darauf verwendet, dass immer neue Filme gedreht werden, die dann aber oft genug im Nirwana verschwinden, die vielleicht auf manchen Festival zu sehen sind und dann bei dem beteiligten Fernsehsender zu nachtschlafender Zeit über den Äther flimmern.

Meine Idee, mein Wunschtraum, meine Utopie wäre folgende: Wir besinnen uns auf den Wert der Filmkultur und nehmen diese endlich ernst als erhaltenswertes und schützenswertes Kulturgut. Dazu gehört, wie bereits erwähnt, eine bessere finanzielle Ausstattung der Kommunalen Kinos, die ich gerne zu Kinematheken umbauen würde. Zentral gelegenen, fachkundig geführten, offenen Orten der Begegnungen mit anspruchsvollen Filmen, mit Meisterwerken aus der Vergangenheit, mit Reihen, die Epochen, Genres, Ländern und manchmal auch Seiten- und Holzwege der Filmgeschichte präsentieren. In meiner zugegeben vielleicht etwas naiven Vorstellung besitzt eine solche Kinemathek die gleiche Wichtigkeit und eine nahezu identische finanzielle Ausstattung wie ein Stadttheater, ein städtisches Orchester oder eine Stadtbücherei. Sie initiiert Veranstaltungen für Schulklassen (im Rahmen eines verpflichtenden Schulfachs Film- und Medienkunde — eine weitere Utopie, ich weiß), sie kuratiert Filmreihen für die verschiedenen Ethnien und Gruppen, die in der Stadt wohnen, sie lockt mit Gesprächsangeboten, Regisseursbesuchen, Konzerten und Lesungen — und sie entwickelt sich zu einem Ort, an den man gerne geht und an dem man auch gerne bleibt. Weil man weiß, dass es dort immer etwas gibt, das man für sich mitnehmen und lernen kann. Ein Kino, eine Kinemathek als Lernort, als Raum der sozialen Begegnung, als Platz für den Austausch über Filme und Ideen, im Kino selbst ganz ruhig und still, ohne Störendes und Ablenkendes, draußen ein quirliger, lebendiger Ort des Beisammenseins.

In Berlin gibt es beispielsweise eine recht erfolgreiche Veranstaltung, die heißt Fang den Film — eine Art Pub-Quiz für Filmliebhaber, wo auf hohem Niveau etliche Rätselrunden zum Thema Film und Kino ausgetragen werden. Warum nicht auch einmal so etwas?

Dieser neue Typus des Kinos schließt Allianzen mit anderen Kinematheken, schickt Reihen auf die Reise, tauscht Filme aus, vernetzt sich mit Online-Anbietern und macht dann beispielsweise mal einen Better-Cal- Saul-Abend, eine House-of-Cards-Woche, eine lange Nacht mit True Detective. Oder man kann sich mittels einer Partnerschaft mit MUBI das neue Meisterwerk von Miguel Gomes anschauen. Und das alles immer begleitet von fachkundigen Einführungen, Analysen, anschließenden Gesprächen als Angebot. Vielleicht wird sie ja sogar — wie es einzelne Kinos bereits tun (erwähnt sei hier das Arsenal in Berlin oder das Stadtkino in Wien) — selbst zum Verleiher für für Perlen, die sonst in Deutschland nicht zu sehen sein würden.

Sie kooperiert mit Filmmuseum und Filmfestivals, bildet Allianzen, sorgt dafür, dass statt einzelner Leuchtturm-Events wie einem Festival vor Ort eine kontinuierliche Versorgung mit Filmkunst ermöglicht wird. Sie schaut sich um in ihrer Stadt, ihrer Region — und findet dort Themen und Menschen, mit denen sie zusammen Neues entwickeln kann. 

 

Ein Beispiel hier aus Mannheim: Das Leitmedium Mannheims ist leider nicht das Kino und der Film, sondern die Musik. Mannheim ist UNESCO CITY OF MUSIC, besitzt die Popakademie, ein Clustermanagement Musikwirtschaft — und Musikstudenten. Ein riesengroßes Potenzial für eine fruchtbare Zusammenarbeit. Daraus könnten Filmreihen entstehen, Neuvertonungen von Klassikern, Symposien, Workshops, Kooperationen. Damit könnte sich die Kinemathek klar mit einem Schwerpunkt verorten, der mit den kulturellen Zielen der Stadt korrespondiert. Daraus könnte noch viel mehr entstehen — ein Kompetenzzentrum für die Schnittstelle Film und Musik, das Komponisten, Arrangeure, Sängerinnen und Sänger und Instrumentalisten anlockt. Es könnte daraus entstehen, dass dieses Vorgehen endlich wieder die jungen, musikaffinen Leute ins Kino holt. Es könnte daraus entstehen, dass Mannheim zu DER STADT FÜR FILMMUSIK wird. Wäre das nicht ein lohnenswertes Ziel? Und ich bin mir sicher, dass ähnliche Modelle auch in anderen Städten möglich sind. 

Sie sehen: Die Zukunft ist nun doch nicht so finster, wie ich sie zu Beginn gemalt habe. Wenn man es recht bedenkt, könnte sie sogar recht vielversprechend sein. In diesem Sinne: Lassen Sie uns damit beginnen.

Das Kino und damit auch die Filmkunst haben für mich ohne jeden Zweifel eine Zukunft. Aber diese ist nicht mehr die gleiche, die es früher einmal hatte. Gewiss ist derzeit nur der Wandel. Und dem sollten wir begegnen: Offen, mutig und voller Freude auf das, was da kommen möge. Wir haben es in der Hand. Und vielleicht gelingt es uns ja so wieder, das Lachen und das Weinen und das Staunen ins Kino zurückzubringen. Vielleicht kommen wir ja auf diese Weise wieder zurück in einen paradiesischen Zustand des Kinos, zurück ins Cinema Paradiso.

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(Schlussszene aus Cinema Paradiso von Giuseppe Tornatore)

 

(Joachim Kurz)

(Der hier vorliegende Text ist der dritte Teil eines Vortrags, den Joachim Kurz beim 30. Filmsymposium „Zuschauer(t)räume“ im Mannheimer Cinema Quadrat hielt, Teil 1 und 2 gibt es hier und hier)

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