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Eine gefühlte Trilliarde popkulturelle Referenzen dürfte so manches Fanboy-Herz erfreuen, es macht aber noch lange keinen guten Film aus. Und auch ein Steven Spielberg kann sich hier nicht freischwimmen, es sei denn er würde Abstand vom Nerd-Phänomen nehmen und dieses kritisch betrachten…

Ready Player One (2018)

Eine Filmkritik von Beatrice Behn

Game Over, Player One

Das weltberühmte Spielberg-Gesicht, es ist ein Gesicht, dessen Augen weit geöffnet schauen und staunen, erschaudern und sich dem hingeben, was sie da sehen. Es ist das Gesicht, dass man beim Publikum in Ready Player One sehen wird. Allerdings in zwei Varianten. Die erste gehört den Fanboys, die wie Elliott in E.T. — Der Ausserirdische eine Epiphanie voller Popkultur-Referenzen erleben werden. Das zweite Gesicht ähnelt eher dem von Lex, die in Jurassic Park das erste Mal einen T-Rex sieht und nachhaltig verstört ist. Nicht über das Tier selbst, sondern über seine Bedeutung.

Columbus, Ohio im Jahr 2045. Ganz wie in der gleichnamigen Roman-Vorlage ist Spielbergs Film in der nahen Zukunft angesiedelt, die natürlich dystopischer Natur ist. Den Grund der Dystopie erfahren wir allerdings nicht, nur, dass die Menschen irgendwann aufgehört haben sich um ihre Probleme zu kümmern. Doch der Film insinuiert, dass der Grund dafür eine Weltflucht ist, die Dank der Erfindung der OASIS, eines weltweit gespielten virtuellen Spieles, in dem die gesamte Weltbevölkerung eine Zweitidentität ausleben und mit einander kommunizieren kann. OASIS ist quasi das Facebook der Zukunft, gepaart mit der Möglichkeit sich virtuell und dreidimensional zu erschaffen und zu ändern, plus der Möglichkeit mit Massen von anderen Usern Spiele zu spielen. Kurz um, es die Wollmilchsau, der feuchte Traum von Silicon Valley. OASIS ist einerseits  mitverantwortlich für die dystopische Realität, andererseits wird dieser Ort aber verklärt zu einem Garten Eden, in dem man frei sein und seine Identität ändern kann, wie es einem beliebt. Die  virtuelle gesellschaftliche Ordnung ist eine heile, diverse Welt. Keine Trolle, keine Arschlöcher, keine Grabber oder Nerver, keine Belästigungen, kein Hass – kurzum, OASIS hat nichts mit den Erfahrungen zu tun, die wir alle online oder in Multiplayer-Spielen machen. Doch ein wenig Ambivalenz gibt es, denn wer im Spiel stirbt, der verliert auch im echten Leben Geld und dies macht sich eine Firma namens IOI zunutze und kauft Schulden auf, die man in der Realität als virtueller OASIS-Sklave abarbeiten muss.

Diese Sklaven werden genutzt, um das ultimative Spiel aller Spiele zu gewinnen, denn OASIS-Erfinder James Halliday hat vor seinem Tod drei Schlüssel im Spiel versteckt. Wer das Rätsel löst und die Aufgaben besteht, der bekommt das Easter-Egg, den verborgenen Schatz und damit alle Rechte Hallidays  an der OASIS übertragen. Kurzum, man wird nicht nur virtuell reich und erlangt Weltmacht, gleich den Gott-Königen einer früheren Zeit. Gegen die Arbeiter-Masse von IOI treten nun ein paar typische Spielberg-Charaktere an: eine kleine Crew großäugiger Kinder. Allen voran Wade Watts aka Parzival, der dank seines unendlichen Trivia-Wissens rund um das Steve-Jobs-Double Halliday das erste Rätsel löst und den ersten Schlüssel gewinnt. Unterstützt wird er bald von Let’s-Play-Legende Art3mis (Olivia Cook) und seinem besten virtuellen Kumpel Aech (Lena Waithe).

Was folgt ist ein langatmiger Dreiakter, der die Crew durch verschieden Spielarten und Challenges schickt, gefolgt von IOI, die in der virtuellen und realen Welt Jagd auf die Crew machen. Wahrlich, die grundlegende Geschichte von Ready Player One ist kaum der Rede wert, so eintönig und dünn ist sie gestaltet. Zudem wird sie konstant verschüttet von gefühlten Trilliarden an popkulturellen Referenzen der 1970er-1990er Jahre, die in Horden immer wieder das Bild bevölkern, dass die schiere Masse die Idee des Referenzierens schnell ad absurdum führt. Selbst für Retro-Liebhaber und Fanboys (und -girls) macht dies schon bald keinen Sinn mehr, wenn selbst das Erkennen der Referenzen seinen Wert verliert, weil man schier nicht hinterher kommt. Da fällt es schon kaum noch auf, dass Spielberg seine eigenen Hinzugaben von E.T. bis Jurassic Park hier mit hineinmischt und dem ganzen einen etwas eigenartigen Unterton gibt. Das Problem des Filmes ist schon das Problem des Buches, dass seitenweise aufzählt was für unendliches Wissen der Autor doch akkumuliert hat. Und genau wie das Buch zeigt der Film hier ungefiltert und unbedacht das Schlimmste der Nerdkultur. Da ist zum einen die toxische Idee des Gatekeepings, die konstant versucht zu bestimmen wer wirklich ein Nerd ist und wer nicht. Denn nur der oder diejenige, der/die eine bestimmte Quantität an Wissen hat und diese in einer korrekten Art und Reihenfolge preisgeben kann und dabei inhärenten angeblichen Qualitätsmerkmalen angepasst argumentiert, findet Einlass. Und nichts anderes tut der Film, denn die Schlüssel gewinnt nur, wer massives Wissen hat und dieses korrekt zum Einsatz bringt. Dazu kommt noch ein unangenehmer Personenkult um Halliday, dessen Leben gottgleich in einer eigenen Bibliothek erfasst wurde und aus dessen privaten Erfahrungen sich die gesamte Challenge und auch der moralische Kern des Filmes speisen sollen.

Denn Halliday ist der Nerd-Prototyp, eine Verkörperung des typischen weißen, männlichen Users, der viel weiß, weil er introvertiert ist und immer zu Hause saß und der aus diesem Wissen Macht und Reichtum geschöpft hat. Aber, das gehört auch zum Nerd-Mythos, diese Figur ist aberwitzigerweise doch ein Opfer, denn da fehlt die Liebe. Denn natürlich kann der Mann mit dem wirren Haar, der Brille und den Nerdklamotten keine Frau für sich gewinnen und die eine, die er mal hätte kriegen können, traut er sich nicht zu küssen. Und so kreist Hallidays moralisches Erbe nur darum, dass man auch in der echten Welt, die er absurder Weise mit zur Hölle auf Erden gemacht hat, leben soll und dort mit anderen Menschen Verbindungen aufbauen. Und ach ja, unbedingt eine Frau küssen. Wie praktisch, dass Wade auf der Suche nach den Schlüsseln also durch diese Schule geht und ihn eine Art3mis gleich zur Verfügung steht.

Doch viel perfider ist der sozio-politische Aspekt des Films. Oberflächlich palavert Spielberg hier immer noch von Liebe und der Macht der Imagination. Man soll spielen um des Spielens willen und seiner Fantasie freien Lauf lassen. Doch da ignoriert er die massiven sozialen Auswirkungen der OASIS. Er ignoriert eine in Ruinen liegende Welt, eine Armee an Versklavten, eine Masse an Einsamen, die hier täglich ihr virtuelles Futter finden. Facebooks Algorithmen lassen grüßen. Die süße Spielberg-Patina kann auch nicht darüber hinwegtäuschen, dass dieser Film auch einer ist, in dem es erstaunlich viel um die Corporate-Welten der Silicon Valley geht. Denn selbst so nett-verkauzte Erfinder wie Halliday arbeiten mit Konzernen, sind an der Börse, akkumulieren Macht und Reichtum, beeinflussen die gesamte menschliche Kultur und — ganz wie auch derzeit zu sehen — ignorieren ihre eigentlichen Verantwortungen. Und gleichsam ist hier auch der Kern der Faszination. Ready Player One verteufelt einerseits diesen Teil des Geschäfts, doch eigentlich ist der Film fasziniert mit genau dieser Macht, die sich hinter der Idee der armen Nerds verbirgt. Es ist ein Fetisch-Objekt reinster Freudscher Art. Immer wieder zückt man goldene Füller, zeigt Verträge, spricht von Beratergehältern und zeigt Männer in Anzügen. Das eigentlich Geile am Nerd sein ist doch, dass der Nerd längst nicht mehr der Typ im Keller ist, der Spiele zockt. Und dies kann auch Ready Player One nicht verbergen.

Ready Player One (2018)

Als der Erschaffer einer Massenmultiplayer-Onlineplattform namens Oasis stirbt, hinterlässt er ein Video mit einem Wettbewerb, an dem alle User teilnehmen können. Sie müssen versteckte Botschaften finden, die zu einem versteckten Schatz führen. Wer ihn findet, erbt alles. Wade Watts findet den ersten Hinweis und begibt sich auf die Jagd nach dem Schatz.

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Meinungen

Ludwig · 17.07.2018

Hmm hier hat aber jemand die Geschichte überhaupt nicht verstanden. Die OASIS ist nicht der Verursacher der selbstzerstörerischen Welt, der realen Welt, in der die Menschen als Konzern Sklaven leben müssen.
Die Idee hinter der Geschichte von Ready Player one ist eine äußert differenzierte und tiefgründige. Die gezeigte Zukunft ist eine Überspitzung unserer jetzigen Welt und es wird eine Dystopie entworfen in der halt jeder Mensch in den Coltan Mienen der Jetztzeit schuften muss, und nicht nur einige Unterprivilegierte. Es entwirft ein Bild in dem wir alle Sklaven sind. Dies Sklaven finden nur Freiheit in einer Simulation die allen, alle Möglichkeiten eröffnet. Egal welche Hautfarbe, welches Geschlecht etc.. Jeder kann alles sein und in der OASIS unabhängig von der Realität, zu Wohlstand und Arbeit kommen. Sehr gut an dem Charakter "H" dargestellt. Die Mutter von "H" war eine arbeitslose Farbige die sich in der OASIS einen männlichen, weißen Charakter geschaffen hat. Hier hat sie dann nun mit der selben Qualifikation einen Job bekommen. Eine herrliche Kritik an unserer Welt.
Die Firma IOI dagegen ist der Megakonzern der nun diese Freiheit auch in der OASIS vernichten, gleichschallten und ausbeuten möchte. Hiergegen wehren sich nun die Menschen in der OASIS. Die im wahren Leben chancenlosen und geknechteten solidarisieren sich gegen diese Versklavung in der Simulation und obsiegen letztendlich gegen das Menschenausbeutende und Menschenverachtende System in der Simulation aber letztendlich auch in der Realität. Ein sehr schöner revolutionärer Gedanke und ganz sicher keine flache oder hohle Geschichte wie hier beschrieben. Schönen Abend Ludwig

Evi · 23.03.2018

Die Kritik ist natürlich nachvollziehbar. Doch bin ich anderer Meinung. Und ich frage mich, ob der Autor selbst in den 1980er-Jahren aufgewachsen ist. Spielberg ist ein meta-kulturelles Kunstwerk gelungen, das die Magie einer verlorenen Ära zumindest für einen Moment zurückbringt und das in einer Zeit, in der sich viele Menschen nach Stabilität und Sicherheit sehnen. Und Wissen ist der Schlüssel zum Erfolg, warum der Autor dieses Aspekt fragwürdig findet, ihn mit einer Torwächter-Mentalität assoziiert, und das mit Blick auf die Bildungskrise, ist schon erstaunlich. Denn der Erwerb, die Anwendung und die Verknüpfung von Informationen ist eine Leistungsvoraussetzung, die zunehmend erodiert. Und dann noch eine Gender-Perspektive in Bezug auf die Figur des Halliday einzubringen, halte ich persönlich nicht für zielführend. Als IT-Beraterin kann ich dem Autoren dieses Textes versichern, dass die meisten Programmierer tatsächlich ... unglaublicherweise und "unerhörterweise" ... Männer sind, nämlich in Deutschland in einem Verhältnis von eins zu fünf (s. Eurostat bestätigt: http://appsso.eurostat.ec.europa.eu/nui/show.do?dataset=educ_grad5&lang…); also bitte keine politischen Ansprüche an einen Blockbuster stellen, der ganz klar andere Ziele hat und ein wunderbares Kultbuch mit eigener Tonalität auf die große Leinwand bringt.