The Girl with All the Gifts (2016)

Eine Filmkritik von Lars Dolkemeyer

Das Kind am Ende der Hoffnung

Nachdem Pandora ihre Büchse geöffnet und alles Übel auf die Welt losgelassen hat, bleibt zuletzt die Hoffnung. Der Zombiefilm lehrt, dass diese Hoffnung vergebens ist und dass nur das gegenwärtige Überleben eine Rolle spielt. In Colm McCarthys düsterer Genre-Variante ist jedoch ausgerechnet ein Mädchen zugleich das Monster und möglicherweise die einzige Aussicht auf einen Impfstoff gegen die sich ausbreitende Seuche.

Melanie (Sennia Nanua) wächst in einer Hochsicherheitsanlage auf, einem der letzten Zufluchtsorte der Menschheit, nachdem weltweit ein Pilz Menschen zu Zombies werden ließ. Die Wissenschaftlerin Dr. Caldwell (Glenn Close) sieht in Melanie die einzige Hoffnung auf ein Gegenmittel. Denn: Melanie war von Geburt an infiziert und könnte so den letzten Teil zur Herstellung eines Impfstoffs abgeben. Erscheint sie einerseits als wissbegieriges, intelligentes Mädchen, schlummert andererseits in ihr der plötzlich durchbrechende Hunger auf Fleisch. Als die Sicherheitsanlage von Untoten überrannt wird, muss Caldwell mit Melanie und ihrer Lehrerin Helen Justineau (Gemma Arterton) fliehen. Diese glaubt jedoch an das Menschliche in dem Mädchen und will sie trotz der Gefahr, die sie für die Gruppe darstellt, beschützen.

Das Zombie-Genre kennt keine Zukunft – nach dem Zusammenbruch der Zivilisation gibt es nur noch den Kampf der Überlebenden gegen die gesichts- und zeitlosen Horden. Gäbe es eine Zukunft, läge sie in der endgültigen Niederlage einer der beiden Fraktionen und damit im Ende des grundlegenden Konflikts. Auf der anderen Seite bietet aber Kindheit die wohl deutlichste Manifestation von Hoffnung und Neuanfang. In einem Kind liegt das Mögliche, das nur darauf wartet, sich zu entfalten. The Girl with All the Gifts wählt also eine Situation, die einen besonderen Zugang zum Genre benötigt – schließlich ist das Kind hier nicht lediglich das Andere, wie es sonst im Horrorfilm durchaus auftritt, sondern eben zugleich immer auch ein ganz normales Mädchen.

Der Film zeigt diesen Konflikt dabei in einem recht konventionellen Gewand. Eine kleine Gruppe schlägt sich durch die feindliche Welt, ständig in der Gefahr, durch eine falsche Bewegung oder ein plötzliches Geräusch auf sich aufmerksam zu machen. Das Monster in der eigenen Gruppe ist hier jedoch selbst tatsächlich ein Zombie. Oder?
Melanie weiß um ihre monströse Seite. Sie versucht, sich als hilfreicher Teil der Gruppe zu erweisen und ihren Drang nach Lebendnahrung auf Tiere (bevorzugt: Katzen) zu lenken. Die Konflikte, die sich in dieser Aufstellung ergeben – einerseits das monströse Kind mit dem Wunsch nach einem normalen Leben und andererseits die Gruppe, die auf eben dieses Kind angewiesen ist und es zugleich fürchtet – sind dabei leider nicht ganz so neuartig, wie der Film es zu inszenieren versucht.

Abgesehen vom natürlichen Schock-Potenzial der Kombination aus Kindern und Gewalt, vermag The Girl with All the Gifts erst in den letzten Augenblicken ein Bild davon zu zeigen, was der Film viel früher hätte in den Mittelpunkt rücken sollen: Das schwierige und komplexe Verhältnis, das sich aus der Unvereinbarkeit von Zombie-Apokalypse und in die Zukunft gerichteter Kindheit generiert, wenn beide gleichermaßen in einer Figur zusammenfallen. Denn viel zu spät entsteht damit tatsächlich eine interessante Perspektive, die zuvor in den vielen Standardszenen, derer der Film sich bedient, gefehlt hat. Viel zu spät gelingt es dann, das Problem, das der Zombie-Film mit der Zukunft hat, auf die denkbar düsterste Art zu lösen.

The Girl with All the Gifts ist zwar durchweg packend und beängstigend, klar am oberen Ende der Genre-Skala – leider verschenkt er aber über weite Strecken sein viel größeres Potenzial. So bleibt schließlich ein Zombie-Film, dessen gedankliche Ansätze zumindest nachdenklich stimmen – und dessen letzte Minuten zu den bedrückendsten Aussichten gehören, die das Genre aufwerfen könnte.
 

The Girl with All the Gifts (2016)

Nachdem Pandora ihre Büchse geöffnet und alles Übel auf die Welt losgelassen hat, bleibt zuletzt die Hoffnung. Der Zombiefilm lehrt, dass diese Hoffnung vergebens ist und dass nur das gegenwärtige Überleben eine Rolle spielt. In Colm McCarthys düsterer Genre-Variante ist jedoch ausgerechnet ein Mädchen zugleich das Monster und möglicherweise die einzige Aussicht auf einen Impfstoff gegen die sich ausbreitende Seuche.

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