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In „Mission: Impossible – Dead Reckoning, Teil Eins“ wird Tom Cruise alias Ethan Hunt mit einer Künstlichen Intelligenz konfrontiert – und rennt durch seinen bis dato stärksten Einsatz.

Mission: Impossible – Dead Reckoning Teil eins (2023)

Eine Filmkritik von Andreas Köhnemann

Eine Welt der Lügen

Hat ein Film-Franchise seinen siebten Teil erreicht, der noch dazu „Teil Eins“ eines aufgesplitteten Finales ist, dann ist eher mit Routine zu rechnen. Ähnlich wie bei der Filmreihe um den jungen Zauberer Harry Potter, deren acht Beiträge auf vier unterschiedliche Regisseure kamen, waren auch bei den Kino-Abenteuern des Impossible-Mission-Force-Agenten Ethan Hunt zunächst mehrere Regisseure im Einsatz, die jeweils ihre eigene Handschrift einbrachten, ehe eine Person ab dem fünften Teil das inszenatorische Steuer endgültig in die Hand nahm: Nach Brian De Palma, John Woo, J. J. Abrams und Brad Bird wurde Christopher McQuarrie dauerhaft zum Mann für die unmöglichen Missionen.

Als Drahtzieher kann indes Hauptdarsteller und Produzent Tom Cruise bezeichnet werden. Er ist seit den Anfängen an Bord. Mission: Impossible – Dead Reckoning, Teil Eins ist „A Tom Cruise Production“, wie zu Beginn zu lesen ist. Umso erfreulicher ist es daher, dass dieser Film nicht wie ein reines Eitelkeitsprojekt wirkt. Gewiss steht der von Cruise verkörperte Ethan Hunt wieder im Mittelpunkt. Und natürlich gehört es zum Marketing des Films, dass Cruise darin wieder eifrig sprintet, als sei seit Mission: Impossible aus dem Jahre 1996 kein Tag vergangen. Auch die Tatsache, dass der 1962 geborene Superstar die meisten seiner waghalsigen Stunts, etwa einen Bergklippensprung mit einem Motorrad, erneut selbst macht, wird selbstverständlich bei jeder Gelegenheit betont.

Doch dieser Film ist zum Glück viel mehr als eine Tom-Cruise-Show – und viel mehr als bloße audiovisuelle Überwältigung, die im hektischen Wechsel von Verfolgungsjagden, Kämpfen, Explosionen und Effekten keine Momente zum echten Mitfiebern ließe. Das Drehbuch, das McQuarrie zusammen mit Erik Jendresen geschrieben hat, setzt wie etliche andere Big-Budget-Movies auf diverse internationale Schauplätze, hetzt dabei aber nicht von Set-Piece zu Set-Piece, ohne die Besonderheiten der Orte dramaturgisch zu nutzen. Stattdessen wird jede Kulisse genüsslich ausgekostet – darunter ein U-Boot unter einer Eisdecke, ein Versteck in der Arabischen Wüste, ein Flughafen in Abu Dhabi, eine Mitternachtsgala in einem venezianischen Palast und schließlich ein Zug.

Überdies vermeidet es Dead Reckoning 1, sich in bleischwere Nostalgie-Gewänder zu kleiden, schafft es jedoch zugleich, an seine Wurzeln, die Fernsehserie Kobra, übernehmen Sie (1966-1973), zu erinnern, etwa wenn Latexmasken übergestülpt und mit Aplomb wieder abgestreift werden, um das Umfeld clever auszutricksen – oder wenn das populäre musikalische Leitthema stimmig in den Score integriert wird.

Hunt, der abermals als Schatten, als Geist abseits der Gesellschaft eingeführt wird, muss sich diesmal auf die Suche nach einem kreuzförmigen Schlüssel begeben, der aus zwei Teilen besteht. Hierfür muss er zunächst eine alte Bekannte, die MI6-Agentin Ilsa Faust (charismatisch: Rebecca Ferguson), finden, auf die ein Kopfgeld ausgesetzt wurde. Mit Hilfe des bewährten Hacker-Duos Luther (Ving Rhames) und Benji (Simon Pegg) muss er sodann die Diebin Grace (Hayley Atwell) zur Zusammenarbeit bewegen. In Venedig begegnet er der Händlerin Alanna alias White Widow (Vanessa Kirby) wieder, die sowohl Geschäfte mit Grace als auch mit dem sinistren Gabriel (Esai Morales) machen will. Letzterer spielte wiederum in Hunts Vergangenheit eine fatale Rolle.

Dass der begehrte Schlüssel ein MacGuffin ist, also ein mehr oder weniger beliebiges Objekt, das die Handlung vorantreibt, steht außer Frage. Was er zu entsperren vermag, weiß (bisher) niemand. Interessant ist allerdings die abtrünnig gewordene KI, die damit in Verbindung steht und zum eigentlichen Gegner wird: Die sogenannte „Entität“ hat es offenbar auf die weltweiten Nachrichtendienste abgesehen, um Chaos zu stiften und eine Welt der Lügen zu schaffen. Obwohl ihr genaues Motiv am Ende von Dead Reckoning 1 noch im Unklaren bleibt, liefert McQuarrie keinen Film, der Eigenständigkeit vermissen lässt und nach dem Seifenoper-Prinzip an der fiesesten Stelle aufhört.

Vielmehr ist dieser Film der derzeitige Goldstandard der Suspense-Unterhaltung. Wenn eine Atombombe entschärft werden muss, indem es diverse Rätsel zu lösen gilt, oder ein quietschgelbes Mini-Auto durch Straßen und über Treppen rast, ist die Mischung aus Action, Spannung und Humor perfekt. Nahkämpfe in einer engen, abgeriegelten Gasse, auf einer einsamen Brücke oder auf dem Dach eines fahrenden Zuges sind virtuos in Szene gesetzt.

Und bei alldem gelingt es, dem Geschehen durch die Figuren eine Seele zu verleihen. „Wer oder was ist dir am wichtigsten?“, wird als Frage in den Raum geworfen. Für Benji sind es seine Freunde. Wir sehen Menschen, die sich „auf ihre Weise“ nah sind, wie es Luther an einer Stelle auf den Punkt bringt. Von der zärtlichen Vertrautheit zwischen Hunt und Ilsa bis zu den Screwball-Funken zwischen dem Protagonisten und der neu hinzugekommenen Grace – hier wird nicht einfach nur ein Spektakel abgefeuert, sondern großes, lustvolles Genrekino mit allen nötigen Zutaten geboten.

Mission: Impossible – Dead Reckoning Teil eins (2023)

In „Mission: Impossible – Dead Reckoning Teil eins“ starten Ethan Hunt (Tom Cruise) und sein IMF-Team ihre bisher gefährlichste Mission: Sie sollen eine furchterregende neuartige Waffe, die die gesamte Menschheit bedroht, aufspüren, bevor sie in die falschen Hände gerät. Während die Zukunft und das Schicksal der Welt auf dem Spiel stehen und die dunklen Mächte aus Ethans Vergangenheit ihn wieder einzuholen drohen, beginnt ein tödlicher Wettlauf um den gesamten Globus. Konfrontiert mit einem mysteriösen, allmächtigen Feind muss Ethan erkennen, dass nichts wichtiger sein kann als seine Mission – nicht einmal das Leben derer, die ihm am meisten am Herzen liegen.

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