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In der Literaturverfilmung „Enemy“ von Garth Davis verkörpern Paul Mescal und Saoirse Ronan ein Paar in einer dystopischen Zukunft. Diese Zukunft bleibt deutlich blasser als der engagierte Schauspieleinsatz.

Enemy (2023)

Eine Filmkritik von Andreas Köhnemann

Der Himmel unter uns

Wir befinden uns im Mittleren Westen des Jahres 2065. Trinkwasser und bewohnbares Land sind knapp. Die Menschen ballen sich in den großen Städten, während Künstliche Intelligenzen, „Menschenersatz“ genannt, in vielen verwüsteten Gebieten die Arbeit übernommen haben. Der Weltraum könnte für die Erdbevölkerung indes neue Lebensmöglichkeiten bieten.

All diese Informationen erfahren wir in Enemy zu Beginn via Texttafel – und eventuell weist diese wenig einfallsreiche Methode schon auf eine Schwäche des Werks hin. Der australische Regisseur Garth Davis (Lion) hat gemeinsam mit dem kanadischen Schriftsteller Iain Reid dessen 2018 veröffentlichten gleichnamigen Roman adaptiert. Mit seinem Kameramann Mátyás Erdély erzeugt Davis fraglos einnehmende Bilder, in denen die extrem trockene Landschaft, die Hitze und Leere erfasst werden – atmosphärisch unterlegt mit Klängen von Park Jiha, Oliver Coates und Agnes Obel. Wirklich greifbar wird die entworfene Welt, die uns hier geschildert und gezeigt wird, allerdings nicht. Und auch die Distanz zu den Figuren kann trotz eines intensiv agierenden Schauspieltrios nie so richtig überwunden werden, was vor allem an der Erzählweise liegt, die zu sehr auf einem recht erwartbaren Twist aufbaut.

Am Anfang lernen wir Junior (Paul Mescal) und Hen (Saoirse Ronan) kennen. Die beiden sind seit sieben Jahren verheiratet. Gleich nach der Schule folgte die Ehe; von Juniors Familie haben sie eine Farm geerbt. Auf die Hilfe von „Robotern“ verzichten sie dort. Eines Tages steht ein Mann namens Terrance (Aaron Pierre) vor ihrer Tür. Er verkündet, dass Junior in der engeren Auswahl sei, um an einer längeren Weltallmission teilzunehmen. Während dieser Zeit werde ein „biologischer Ersatz“, ein Duplikat seinen Platz auf der Farm einnehmen, um Hen Gesellschaft zu leisten. Was zunächst wie ein Angebot klingt, entpuppt sich rasch als Verpflichtung – die Option einer Absage scheint nicht vorgesehen. Das ohnehin voneinander entfremdete Paar droht durch diese Situation in eine noch heftigere Krise zu geraten.

Der Film wirft (auf Basis seiner literarischen Vorlage) äußerst spannende Fragen auf: Welche Belastungen hält eine Liebesbeziehung aus? Was kann zwischen zwei Menschen, die sich einst nahe waren, über die Jahre verloren gehen? Und sind wir einfach so als Personen und Partner:innen ersetzbar? Saoirse Ronan und Paul Mescal haben als Paar eine hervorragende Chemie miteinander. Glaubhaft vermitteln sie sowohl die Vertrautheit zwischen ihren Figuren als auch deren Schmerz über den Verlust vergangener Nähe.

Der Plot um sie herum ist derweil nicht immer überzeugend genug umgesetzt, um diese Stärken zu nutzen. Ist Juniors zunehmende Paranoia berechtigt? Versuchen Hen und Terrance, ihn zu täuschen? Haben die beiden gar eine Affäre? Diese Ungewissheiten werden in der filmischen Version des Stoffes nicht stimmig eingefangen. Dass etliche Dinge bewusst im Vagen gelassen werden, mutet in Davis’ Inszenierung eher wie ein durchschaubarer Trick an, um schließlich mit einer Wendung aufzuwarten, die dann leider nicht die nötige Wucht entfaltet.

Was bleibt, ist ein hochwertig gestaltetes Science-Fiction-Drama, dessen Einzelteile besser funktionieren als das große Ganze. Insbesondere Mescal, der für seine herzbrechende Leistung in Aftersun (2022) für den Hauptrollen-Oscar nominiert war, spielt sich in einigen Momenten die Seele aus dem Leib. Er und seine sogar schon vierfach Oscar-nominierte Spielpartnerin sorgen für mitreißende Augenblicke, die Enemy im Endeffekt als (weitere) Talentprobe der beiden über den Durchschnitt heben.

Enemy (2023)

Der Film handelt von einem jungen Farmer-Ehepaar, dessen Leben sich für immer verändert, als der Mann im Rahmen eines Forschungsprogramms für einen Aufenthalt auf einer experimentellen Raumstation im erdnahen Orbit ausgewählt wird.

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