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Es gibt nur noch wenige Frauen, die ein Kind bekommen können. Sie werden in die Sklaverei gezwungen, um Nachwuchs für das Vaterland zu gebären. „The Handmaid’s Tale – Der Reporter der Magd“ ist ein dystopischer Albtraum, eine patriarchale Zukunftsversion – und erschreckend aktuell.

The Handmaid's Tale: Der Report der Magd (TV-Serie, 2017)

Eine Filmkritik von Jelena Čavar

Sklavinnen der Fruchtbarkeit

Die USA, wie wir sie jetzt kennen, gibt es nicht mehr. In einem dystopisch anmutenden Gegenwartsszenario ist die Republik von Gilead entstanden, welche einige Staaten der USA umfasst. Der Kongress und die Regierung wurden gestürzt, die Verfassung unter dem Vorwand des Terrorismus temporär aufgehoben. Es herrschen bürgerkriegsähnliche Verhältnisse.

Eine Gruppe von religiösen Fundamentalisten, die sich für all diese Machenschaften verantwortlich zeigt, hat eine neue autoritäre Ordnung auf den Plan gerufen, die für vermeintliche Sicherheit sorgt und eine neue Gesellschaftsstruktur etabliert hat. Den Frauen wurde mit der Arbeitserlaubnis auch das Recht auf Eigentum entzogen. Die Folgen der Umweltverschmutzung hat die Mehrheit der Menschheit steril gemacht. Wohingegen diejenigen, die noch fruchtbar sind, zur heiß begehrten menschlichen Handelsware geworden sind. Wie es eine patriarchale Gesellschaftsstruktur vorsieht, sind das natürlich nur Frauen. Sie werden zu so genannten Mägden – Handmaids – erkoren. 

Diese Mägde werden mit Einschüchterung und Psychoterror auf ihre Aufgaben und ihr Leben als Magd vorbereitet – allerdings rüstet sie das nicht für den alltäglichen Horror, der ihnen bevorsteht. Allmonatlich werden sie vergewaltigt. Sind sie erst einmal schwanger, werden ihnen die Babys nach der Geburt weggenommen. Bei mangelnder Folgsamkeit werden sie verstümmelt. Bei regelmäßigen Tribunalen – in denen Steinigung die bevorzugte Tötungsform ist – sogar zur Gewaltausübung indoktriniert.

Desfred (Elisabeth Moss) ist so eine Magd. In ihrem vorherigen Leben hieß sie June und hatte einen Mann Luke (O-T Fagbenle) und eine kleine Tochter. In diesen Leben ist sie eine Magd, ihr Leben gehört jemand anderem, sogar ihr neuer Name setzt sich aus dem Vornamen ihres Masters zusammen: Des-Fred (Offred im Original). In dieser ersten Staffel erzählt sie – manchmal kommentiert sie auch zynisch, verzweifelt oder stoisch im Off – ihre Geschichte. Vor die Wahl wird sie natürlich nicht gestellt. Sie kommt zu Commander Fred Waterford (Joseph Fiennes) und dessen Frau Serena Joy Waterford (Yvonne Strahovski) und soll dem kinderlosen Paar zu Nachwuchs verhelfen. Für das Gemeinwohl und für das Vaterland. Im allmonatlichen Ritual – in der Serie als Zeremonie bezeichnet – vergeht sich Commander Fred in Anwesenheit seiner Frau an June. Für keinen der Beteiligten ist dieser zeremonielle Akt eine angenehme Angelegenheit. Diese Szenen sind es auch, die in ihrer Regelmäßigkeit für das Publikum mehr als unangenehm sind. Der Akt vollzieht sich meist in einer Beiläufigkeit. Die Grausamkeit liegt hier eindeutig darin, dass June diesen Gewaltakt über sich ergehen lässt, um zu überleben.

Da sich die Frauen außerhalb des Hauses alleine nicht frei bewegen dürfen, bekommt June – die wie alle Mägde immer rote Kleidung tragen muss – eine Einkaufs-Gefährtin. In den ersten Folgen ist es die gleichaltrige Ofglen (Alexis Bledel). Am Anfang folgt die Gesprächsführung einem einstudierten Protokoll, alles andere stellt für beide Frauen eine lebensgefährliche Situation dar. Bald aber und in aller Heimlichkeit entwickeln die Frauen eine Freundschaft. Bis June merkt, welch unglaublich gefährliches Geheimnis Ofglen hütet. Eine weitere und sehr spannende Figur in der Serie ist ihre Jugendfreundin Moira (Samira Wiley), die die Ausweglosigkeit der Frauen in dieser Gesellschaft noch einmal deutlich macht. Im Gegensatz zu June gelingt Moira die Flucht aus der Mägde-Einrichtung – doch als sich Moira und June ein paar Folgen später wieder über den Weg laufen, ist Moira Prostituierte in einem Nobelbordell. 

Margaret Atwoods gleichnamige literarische Vorlage aus 1985 wurde bereits einmal verfilmt. Volker Schlöndorff brachte Die Geschichte der Dienerin fünf Jahre nach Erscheinen des Romans ins Kino. Schlöndorffs stimmungsvoller Umriss porträtiert eine nun knapp 28 Jahre alte Sci-Fi-Vision, wohingegen die Serie vielmehr eine durchaus möglich erscheinende düstere Gegenwart vermittelt. Beide gezeigten Szenarien laden nicht zum Verharren ein, aber die Serie geht viel näher an die Grenzen des Erfahrbaren, weil sie einerseits die zeitliche Beschränkung des Spielfilms nicht hat und andererseits viel detailreicher und umfangreicher aus Margaret Atwoods Roman-Beschreibungen schöpfen kann. 

Dabei wird die Optik weder in Volker Schlöndorffs Film Die Geschichte der Dienerin noch in der Serie The Handmaid’s Tale — Der Report der Magd vernachlässigt. Dazu gehören imposante Bildkompositionen, in denen symmetrische Anordnungen und gegensätzliche Farbenspiele die Bilder von totalitären Regimen, die viele Jahrzehnte zurückliegen, unweigerlich in Erinnerung rufen. Diese Bilder wiederum lassen sich zu einer angsteinflößenden und nichts Gutes erahnenden Zukunftsvision ableiten. Dort, wo sich die Serie zurücknimmt, kontrastierten die Farben im Film viel mehr. 

Gezeigtes und Gesagtes lösen in vielen Szenen deutliches Unbehagen aus. Die darin vorkommende Gewalt wird nie zur Schau gestellt, sie ist so in der Geschichte angelegt, wie sie es nur sein kann. Es ist das Wissen um diese Gräueltaten, das nicht mehr aus dem Kopf geht. Die Ohnmacht der Frauen ist das Erschreckende. Ihre Körper gehören nicht ihnen selbst. Ihnen werden bei Nichtgehorsam Gliedmaßen oder Augäpfel entfernt, in einem Fall erfolgt sogar die Beschneidung der Klitoris. Dabei spielt es kaum eine Rolle, dass diese Verstümmelungen nicht gezeigt werden, das Grauen im Kopf reicht aus.

The Handmaid’s Tale — Der Report der Magd zeigt eine beklemmende und sich an der Vergangenheit orientierende Zukunftsversion, in der eine patriarchale Gesellschaftsstruktur einiger weniger Fundamentalisten Frauen und Regimegegner untergräbt. Dabei verlangt die Serie dem Publikum mental einiges ab – gerade weil sich so einige Parallelen in die Gegenwart ziehen lassen.

The Handmaid's Tale: Der Report der Magd (TV-Serie, 2017)

Die TV-Adaption eines Romans von Margaret Atwood Adapted erzählt von einer Gesellschaft nach einer nuklearen Katastrophe, die unter anderem dafür gesorgt hat, dass ein Großteil der Menschheit unfruchtbar geworden ist. In der Folge hatte eine christlich-fundamentale Gruppe die Macht an sich gerissen und aus den Vereinigten Staaten von Amerika die Republik Gilead geformt. Um dem drohenden Bevölkerungsschwund Einhalt zu gebieten, werden die wenigen noch fruchtbaren Frauen als „Gebärmaschinen“ missbraucht. Offred ist eine dieser Frauen, doch dann beginnt sie sich gegen das Unrecht zu wehren.

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