Die Geschichte der Dienerin

Eine Filmkritik von Marie Anderson

Schreckensvision der nahen Zukunft

Drei internationale Koryphäen auf ihrem jeweiligen Territorium sind an der Entstehung dieses spannungsreichen, intensiven Films aus dem Jahre 1989 beteiligt, der 1990 im Wettbewerb der Berlinale lief: Der deutsche Regisseur Volker Schlöndorff, als Drehbuchautor der Brite Harold Pinter sowie die kanadische Schriftstellerin Margaret Atwood, auf deren Roman Der Report der Magd / The Handmaid’s Tale der Stoff beruht. Die Geschichte der Dienerin / The Handmaid’s Tale entwirft ein bedrückendes, erschreckend stimmiges Szenario einer totalitären Gesellschaft, die durch die Unterwerfung und strikte Regulierung ihrer spärlichen, forcierten Nachkommenschaft das eigene Überleben sichern will.

Bei dem Versuch, den repressiven Staat Gilead mit seiner bedrohlichen Militärdiktatur zu verlassen, gerät die verzweifelte Kate (Natasha Richardson) in staatliche Gefangenschaft, während ihr Mann erschossen wird und ihre Tochter in der verschneiten Landschaft verschwindet. Kate wird mit einigen anderen als fruchtbar getesteten Frauen innerhalb einer religiösen Zeremonie als „Dienerin“ eingeschworen, deren Aufgabe es ist, für eine der herrschenden Familien ein Kind zu empfangen und auszutragen. Gnadenlose Härte und grausame Bestrafungen bestimmen den aberwitzigen Alltag der Ausbildungsstätte, wo Kate allein in der widerständigen Moira (Elizabeth McGovern) eine verwandte Seele unter den indoktrinierten, verängstigten Sklavinnen findet, die in flammendroten Trachten zu potentiellen Gebärsubjekten degradiert werden.

Schließlich wird Kate dem Haushalt des einflussreichen Kommandanten Fred (Robert Duvall) zugeteilt, dessen Gattin Serena (Faye Dunaway) sich dieses Mal gute Chancen ausrechnet, um endlich ein Kind zu bekommen. Von nun an wird die Dienerin wie ihre Vorgängerinnen in dieser Familie Offred genannt und von ihrem neuen Herrn zunächst in Gegenwart seiner Frau höchst sachlich im biblischen Sinne erkannt, denn die autoritäre Sozialstruktur ist bemüht, sich anhand von Fragmenten des Alten Testaments zu legitimieren. Mit der Zeit jedoch findet Fred ganz persönlichen Gefallen an der Magd, und Kate lässt sich auf eine verbotene Verbindung zu ihm ein, um ihre karge Einsamkeit zu lindern, doch sie bleibt vorsichtig und kennt nur das Ziel der erneuten Flucht und der Suche nach ihrer verlorenen Tochter.

Nick (Aidan Quinn), der undurchsichtige Chauffeur des Kommandanten, beobachtet Kate ganz besonders scharf, doch ihr entsteht der Eindruck seines Wohlwollens, und als er sie eines Nachts küsst, erkennt sie in ihm einen möglichen Komplizen. Der verschwiegene, achtsame Mann beginnt sie heimlich zu unterstützen, und als Kate nach einer guten Weile noch immer nicht schwanger ist, hat sie auf den Vorschlag Serenas hin Sex mit Nick, was beiden durchaus sehr gut gefällt. Tatsächlich erwartet sie bald darauf ein Kind, zur Freude ihrer Herrschaften, doch für Kate bedeutet dies, nun so rasch wie möglich zu fliehen, und auch Nick will sie allem Anschein nach in Sicherheit wissen. Doch Vertrauen kann in diesem System nur allzu rasch den Tod bedeuten …

Es ist eine sehr schöne Sitte beim Arthaus-Label, dass den Filmen von Volker Schlöndorff in der Regel ein ausführliches Interview mit dem Regisseur als Extra beigefügt ist. In seiner offenen, unaufgeregten und selbstkritischen Art berichtet dieser darin über die Hintergründe seiner Inszenierungen, ordnet die Stoffe in ihren geschichtlichen Kontext ein und erzählt so ganz nebenbei einige interessante Geschichten über das Territorium und die Protagonisten des filmischen Schaffens. Auf der DVD Die Geschichte der Dienerin schildert Volker Schlöndorff in der Interview-Dokumentation Die Gewalt – Elegant verpackt von Christiane Habich die komplizierte Konstellation der Entstehung des Films, der eine Auftragsarbeit für ihn darstellte, die von einigen notwendigen Kompromissen begleitet war – eine spannende Reflexion, die einige kuriose Aspekte enthält.

Auch wenn die Bedingungen dieser Verfilmung sich nicht optimal gestalteten und die Ausrichtung von jener der Romanvorlage abweicht, ist Die Geschichte der Dienerin dennoch ein sehenswerter Science Fiction Streifen, dessen Visionen mit Tendenzen innerhalb der (damaligen) US-amerikanischen Gesellschaft korrespondieren, die ein Jahrzehnt später in die Wahl von George W. Bush zum Präsidenten mündeten, der als so genannter wiedergeborener Christ der zweifellos berühmteste Repräsentant der zur Bekehrung zu traditionellen Werten aufrufenden Erweckungsbewegung ist. Dass Robert Duvall während der Dreharbeiten die ironische Bemerkung „Feminist bullshit“ fallen ließ, ist eine nette Anekdote, doch dieses formlose Prädikat hat der Film keinesfalls verdient, und letztlich hat sich der Schauspieler beeindruckend gut mit seiner Rolle identifizieren können.
 

Die Geschichte der Dienerin

Drei internationale Koryphäen auf ihrem jeweiligen Territorium sind an der Entstehung dieses spannungsreichen, intensiven Films aus dem Jahre 1989 beteiligt, der 1990 im Wettbewerb der Berlinale lief.

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