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Ist das Böse „The Outsider“ oder weilt es längst unter uns und wartet nur auf den richtigen Moment, sich zu erkennen zu geben? In der Adaption des Buchs von Stephen King führt ein vermeintlicher Serienkiller den Ermittlern auf mehreren Ebenen ihr eigenes Leid vor Augen. Auch als Zuschauer wird man konfrontiert und mit dem Unerklärlichen angesteckt.

The Outsider (Miniserie, 2020)

Eine Filmkritik von Elisabeth Hergt

Danke für die Angst

„Und wenn du nicht mehr weiter weißt, frag Stephen King“. So besingt Thees Uhlmann in seinem Loblied den Altmeister der Schreckensszenarien. In diesen Tagen braucht man eigentlich nicht noch mehr Gedankenspiele, die einen an den Rand der Realität führen, aber eine Verfilmung nach Stephen King geht eben stets über das Vorstellbare hinaus und so schleicht sich auch hier der Horror unaufhaltsam an und kommt uns vielleicht noch näher, als es uns gerade lieb ist.

Kann man einen Mord begehen und dabei gleichzeitig an zwei Orten sein? Mit dieser Lehrbuchfrage aus dem Kriminalhandbuch verhandelt die 10-teilige Miniserie The Outsider zunächst in klassischer und unspektakulärer Manier den schockierenden Fall um Frankie Peterson, einen Jungen, der brutal zugerichtet wurde und dessen Tod eine kleine Gemeinde in Georgia zutiefst erschüttert. Der Täter ist schnell gefunden, denn die Beweislage gegen Lehrer und Baseballcoach Terry Maitland (Jason Bateman) ist so erdrückend, dass selbst er beginnt, an seinem Verstand zu zweifeln. Dennoch sind seine Frau Glory (Julianne Nicholson) und Anwalt Howard (Bill Camp) sich seiner Unschuld sicher. Fest steht, dass Terry zur Tatzeit mit dem Jungen gesehen wurde und danach sogar blutüberströmt bei seinem Kumpel Claude Bolton (Paddy Considine) auftaucht. Als ein neues Video ihn schließlich aber zur gleichen Zeit meilenweit entfernt auf einer Konferenz zeigt, scheint es keine logische Erklärung mehr zu geben und das Unheil nimmt weiter seinen Lauf.

Über allem grübelt dabei Ralph Anderson (Ben Mendelsohn), der als Ermittler kaum geerdeter sein könnte und knallharte Fakten jedem Ansatz von unnützen Spekulationen vorzieht. Seit sein Sohn an Krebs gestorben ist, sind er und seine Frau Jeannie (Mare Winningham) schon genug damit beschäftigt, das normale Leben zu ertragen. Als weitere, identische Mordfälle aus anderen Bundesstaaten dazukommen und sich eine Verbindung zwischen den Angeklagten abzeichnet, wird die Privatdetektivin Holly Gibney (Cynthia Erivo) in das Geschehen involviert. Nur sie ist offen für die Theorie, dass hier eventuell auch eine andere Macht ihr Unwesen treibt und den Taten Gestalt verleiht. Aus Erfahrung kann sie sagen, dass nichts so weit entfernt liegt, wie es scheint. „An outsider knows an outsider“. Ihre eigenen Gefühle liegen ihr dabei oft ferner als das Übernatürliche.

Der Schriftsteller Richard Price hat das Buch von Stephen King als Serie entwickelt und sich nach The Night Of damit wieder einer Art Sozialstudie mit Außenseitermotiv zugewandt. Autor und Produzent Dennis Lehane hat mit Serien wie Bloodline und der starken King-Adaption Mr. Mercedes, in der auch schon Holly Gibney als Figur auftaucht, ebenfalls den tiefen Ton für The Outsider vorgegeben. Auch bildlich bleibt es düster. Man muss schon den Sonnenuntergang abwarten, nachts schauen oder die Vorhänge richtig zuziehen, um alles erkennen zu können, denn The Outsider bringt kaum Licht ins Dunkel. Jede Lampe ist eine Provokation. Der Übergang hin zum Unerklärlichen ist hierbei fließend und doch ist es der komplexe, menschliche Zustand, der schon im nächsten Moment alles real wirken lässt.

„Que Viene el Coco“ und „Tear-Drinker“ gehören zu den stärksten Folgen und führen die Handlung zurück auf unsere Urängste, dem Monster unter dem Bett und der Mythologie, sowie kulturellen Präsenz des Schrecklichen überhaupt. Ein Gott, mehrere Teufel. Handelt es um Doppelgänger, einen Formwandler, ein Tier im Mensch, ein außerirdisches Geschöpf oder einfach um einen subtilen Verbrecher? Letztendlich fügt sich alles noch weitreichender, wenn auch weniger abstrakt zusammen als vermutet und die Spannung schwankt. Gerade das intensive Spiel mit den Perspektiven und Möglichkeiten überzeugt aber und beschäftigt einen auch noch über einen Abspann hinaus, bei dem man nicht vorzeitig abschalten sollte.

Fast alle Beteiligten werden im Verlauf von einem dunklen Wesen heimgesucht, das sie davon abhalten will, der Wahrheit auf den Grund zu kommen. Dieses Etwas entwickelt zudem einen besonderen Einfluss auf auserwählte Personen, die anfälliger für die zerstörerische Kraft der unbekannten Gewalt sind. Sie dienen dem Outsider und kämpfen doch auch mit sich. Die monumentale Angst, die sich daraus schleichend entwickelt, kommt einem sehr nah. Sie entsteht aus der Erkenntnis heraus, dass es unmittelbar jeden treffen kann und vermutlich auch wird. Immer, so scheint es, ist einem etwas auf den Fersen: eine Krankheit, ein Virus, Krieg, Verlust, die Trauer, Wut und Ohnmacht danach. Man kann dem Bösen nicht vorwerfen, dass es sich davon nährt und es gehört viel Kampf dazu sich nicht ebenfalls beherrschen zu lassen, also setzt man einen Schritt vor den anderen. Der Killer wird immer noch mal aufstehen, aber die Hoffnung stirbt zuletzt.

The Outsider (Miniserie, 2020)

Basierend auf Stephen Kings gleichnamigem Bestseller mit dem gleichen Titel, beschäftigt sich die Drama-Serie mit dem Mord an einem Jungen und der geheimnisvollen Macht, die hinter der Tat zu stecken scheint.

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