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Ethan Coen präsentiert uns mit „Drive-Away Dolls“ ein queeres Roadmovie durch den Süden der USA, in dem die Freundinnen Jamie und Marian versehentlich in Besitz eines Koffers geraten und deshalb von Gangstern verfolgt werden.

Drive-Away Dolls (2024)

Eine Filmkritik von Stephan Fasold

Eine wilde Schlittenfahrt?

In „Drive-Away Dolls“ machen sich die beiden lesbischen Freundinnen Jamie (Margaret Qualley) und Marian (Geraldine Viswanathan) im Jahre 1999 auf den Weg von Philadelphia nach Florida. Jamie hat sich von ihrer Partnerin getrennt, und die orientierungslose Marian sucht nach einem neuen Lebensziel. Auf ihrem Roadtrip nach Tallahassee durch den Süden der USA werden sie von zwei Gangstern verfolgt, die einen Koffer in ihren Besitz bringen wollen, der durch eine Verwechslung in die Hände der beiden jungen Frauen gelangt ist. 

Der Film nimmt uns mit auf eine Reise in das letzte Jahr vor der Jahrtausendwende. Die feministische Electropunk-Band Le Tigre hat gerade ihr erstes Album veröffentlicht und läuft über das Autoradio von Jamie und Marian. Die Überblenden erinnern an die eklektische Videoclip-Ästhetik einer Zeit, in der der Bible Belt im Süden der USA voller Lesben-Bars war und junge Menschen ihre queere Sexualität frei ausleben konnten – davon erzählt jedenfalls der Film. Ob Ethan Coen mit Drive-Away Dolls eine authentische Darstellung der späten 90er Jahre gelungen ist, lässt sich hinterfragen. Der Humor des Films und die aufgedrehten Charaktere wirken jedoch zweifellos wie aus einer längst vergangenen Zeit. Wenn Jamies Exfreundin Susie (Beanie Feldstein) den wackelnden Dildo nicht von der Wand abmontiert bekommt, befürchten wir schon: Dies ist nicht der letzte Sexspielzeug-Fäkalwitz, den wir vorgeführt bekommen. 

Ein Element, das aus den Filmen der Coens schon bekannt ist, sind die randständigen Charaktere, die in ihren eigenen Gedankenwelten unterwegs sind und schlagfertige Sprüche auf den Lippen haben. Allerdings führt das stakkatoartige Abfeuern ebendieser frechen One-Liner in Drive-Away Dolls dazu, dass sich die Welten der Charaktere nicht zu treffen scheinen und die Dialoge aneinander vorbeigeführt werden. Ebenfalls einen Haken können wir hinter die typischen Gewaltspitzen machen — und das schon nach den ersten Minuten des Films. 

Ethan Coen arbeitet in Drive-Away Dolls vorrangig nicht mit Mitteln eines Coming-of-Age-Dramas, in dem die Charaktere ihre Sexualität ergründen, sich von gesellschaftlichen Normen emanzipieren und gleichzeitig mit Unsicherheiten zu kämpfen haben. Das Queersein der Figuren steht im Mittelpunkt des Films. Wenn dieser Film der Coen-Beitrag zum Kulturkampf sein soll, ist seine Message mehr als deutlich. Die beiden sexpositiven Demokratinnen behaupten sich gegen den konservativen und unter Kastrationsangst leidenden republikanischen Gouverneur Gary Channel (Matt Damon) und sind ständig auf der Suche nach dem nächsten Phallus, um sich zu befriedigen. In Drive-Away Dolls besteht die lesbische Sexualität nämlich zu einem Großteil daraus, sich Objekte in Form von männlichen Geschlechtsorganen einzuführen. 

Der Film beschwört noch eine weitere Erinnerung an die 90er Jahre herauf: 1994 wurde Pulp Fiction veröffentlicht, in dem ebenfalls ein Koffer als MacGuffin die Handlung in Gang setzt. Doch anders als in Tarantinos Klassiker bleibt der Inhalt des Koffers in Drive-away Dolls dem Publikum nicht verborgen, und genau das stellt sich als größtes Problem des Films heraus: Drive-Away Dolls möchte für das Genre der Roadmovies das sein, was Booksmart für das Genre der vom männlichen Blick durchzogenen Highschool-Filme war. Allerdings sorgt Coens Film aufgrund der fehlenden Subtilität eher für Gähnen und Augenverdrehen als für frischen Wind. Auf dem Kofferraum des Autos steht geschrieben: „Love is a sleigh ride to hell“. Ständig werden wir an dieses Mantra erinnert. Schade nur, dass der Film uns diese wilde Schlittenfahrt schuldig bleibt.

Drive-Away Dolls (2024)

Jamie hat gerade eine Trennung von ihrer Freundin und auch ihre Freundin Marian will nichts weiter als nur ganz weit weg. Doch der Trip nach Tallahassee, der für beide einen Neuanfang bringen soll, gestaltet sich als etwas schwieriger als gedacht, als sie auf eine Gruppe von Kriminellen stoßen, die ihre Pläne durchkreuezen.

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