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Wie viele Coming-of-Age-Filme braucht ein Kino-Leben? Die Antwort wissen wir auch nicht. Aber eines wissen wir: „Lady Bird“ brauchen wir auf jeden Fall!

Lady Bird (2017)

Eine Filmkritik von Sonja Hartl

Liebeserklärung(en)

Es ist immer wieder bemerkenswert, wie viel eine spezifische Perspektive ausmachen kann. Im Fall von „Lady Bird“ ist es die Perspektive von Greta Gerwig, die bei diesem Film das Drehbuch geschrieben, Regie geführt und in ihre Heimatstadt Sacramento zurückgekehrt ist. In Interviews verweist sie zwar darauf, dass dieser Film nicht autobiographisch ist, die Parallelen lassen sich aber leicht finden: Gerwig wurde nicht nur in Sacramento geboren, sie ging auch auf eine katholische Schule, ihre Mutter arbeitete als Krankenschwester und zum Studium ging sie nach New York.

Aber es sind nicht diese biographischen Parallelen, die das Besondere von Lady Bird ausmachen, vielmehr geht es bei jedem künstlerischen Werk stets um mehr als die Biographie der Künstlerin bzw. des Künstlers. Bei Lady Bird spielt zunächst die bisherige Filmographie von Greta Gerwig eine wichtige Rolle, insbesondere die Filme wie Mistress America oder auch Frances Ha, die sie mit Noah Baumbach gemacht hat. Damit haben sie einen bestimmten Tonfall und Typus im amerikanischen Independentkino etabliert: Leicht humoristisch wird zumeist die Geschichte eines durchschnittlichen Menschen erzählt, der tendenziell eher auf der Verliererseite des Lebens steht. Niemand ist perfekt, aber jeder gibt sein Bestes. Dabei werden die Figuren mit einem sehr humanistischen Blick betrachtet und nicht der Lächerlichkeit preisgegeben.

Hier reiht sich die Protagonistin von Lady Bird nahtlos ein: Christine „Lady Bird“ McPherson träumt von einem Leben an der Ostküste, denn dort findet man Kultur. Am liebsten will sie nach New York – und von diesen Träumen lässt sie sich nicht abhalten. Nicht von ihren Schulnoten, die einem Stipendium im Wege stehen könnten. Und nicht von ihrer Mutter, die sie pragmatisch darauf hinweist, dass das City College eher eine Option ist. Lady Bird lässt sich von der finanziell klammen Lage ihre Eltern nicht entmutigen, wenngleich sie sich ein wenig dafür schämt. Deshalb lässt sie sich von ihrem Vater nie vor der Schule absetzen und verheimlicht ihrer cooleren Mitschülerin auch, dass sie „auf der falschen Seite der Gleise“ wohnt. Denn Lady Bird ist ein Teenager und will dazugehören.

In Lady Birds Abschlussjahr findet Gerwig die richtigen Momente, um von dem Erwachsenwerden zu erzählen – sicherlich sind sie aus anderen Filmen nicht unbekannt, aber hier werden sie mit viel Empathie, Zuneigung und Witz geschildert. Die schönsten Momente des Films finden sich zudem an überraschenden Stellen – in den Streitigkeiten und Versöhnungen mit ihrer besten Freundin Julie (Beanie Feldstein) zum Beispiel. Oder in der ersten Autofahrt durch Sacramento, die Lady Bird alleine unternimmt. Hier zeigt sich, dass dieser Film auch ein wenig eine Liebeserklärung an Sacramento ist. Denn wie Lady Bird erfährt, muss man manche Dinge erst aus der Distanz sehen, um sie wirklich lieben zu können. 

In diesen Bildern und Momenten steckt eine Aufrichtigkeit, die sich auch in der Besetzung und Inszenierung widerspiegelt. Die 23-jährige Saoirse Ronan ist erstaunlich glaubwürdig als dickköpfige Teenagerin. Ihre Haare sind ein wenig strähnig-unglücklich, sie hat Pickel, ist ein wenig ungelenk und kann innerhalb weniger Sekunden Freude, Trauer, Angst und Wut empfinden. Einst wird aus ihr eine dieser ungeschickten jungen Frauen werden, die auch Greta Gerwig so oft gespielt hat. Aber noch sucht sie nach sich selbst und ihrem Platz im Leben. Laurie Metcalf als ihre Mutter ist gleichermaßen herzlich wie erschöpft und es gelingt ihnen, die Vertrautheit und Genervtheit, die Mütter und Töchter in diesen Jahren oftmals verbindet, auf die Leinwand zu bringen. Sie sind ähnlich stur und hart, wollen das aber bei der jeweils anderen nicht sehen. 

In diesen Charakteren, Bildern und Momenten stecken sehr viel Liebe und Zuneigung -und vor allem ein wahrer Kern. Er ist es, der Lady Bird zu einem Sehvergnügen und nahezu unwiderstehlichen Film macht. Sicherlich besteht das Drehbuch aus allerhand cleveren und lustigen Dialogen, aber selten wurde weibliches Coming of Age so glaubwürdig auf die Leinwand gebracht. Denn Lady Bird ist in manchen Bereichen ihres Lebens so selbstbewusst – in ihrer Sexualität, ihrem Auftreten – und dann wieder erstaunlich naiv – beispielsweise in der Wahl des coolen Jungen, den sie unbedingt haben will. Aber kennen wir nicht alle diese eine Schwärmerei, bei der wir uns heute fragen, wie doof wir waren?

Lady Bird (2017)

In ihrem Regiedebüt erzählt die bislang vor allem als Schauspielerin in Erscheinung getretene Greta Gerwig („Frances Ha“) den Kampf von Christine ‚Lady Bird‘ McPherson um Freiheit, Unabhängigkeit und künstlerische Verwirklichung. Die junge Frau, die in Sacramento eine katholische Schule besucht, träumt von einem Leben an der Ostküste, einem Ort, der für sie voller Magie und beinahe unbegrenzter Möglichkeiten ist.

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Meinungen

Hans im Glück · 19.04.2021

Ein wirklich toller Film, der in jeder Minute überzeugt. Beschreiben würde ich ihn eher als Coming of Age Dramödie. Als solche kann sich Lady Bird mit Filmen, wie z.B. Juno vergleichen, wobei Lady Bird deutlich realistischer ist.