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Mit „Dumbo“ erweckt Leinwandmagier Tim Burton einen Animationsklassiker aus dem Hause Disney als Realfilm zu neuem Leben. Geht die Geschichte des Elefantenbabys mit den großen Ohren auch dieses Mal ans Herz?

Dumbo (2019)

Eine Filmkritik von Christopher Diekhaus

Als Attraktion missbraucht

Seit seiner Uraufführung im Jahr 1941 hat der Disney-Animationsklassiker „Dumbo, der fliegende Elefant“, der das Schicksal eines kleinen Dickhäuters mit überdimensional großen Ohren erzählt, Scharen von Zuschauern aller Altersklassen berührt. Die Geschichte des zunächst verspotteten Titelhelden, der plötzlich zum Star in der Manege aufsteigt, als seine Flugkünste entdeckt werden, scheint wie gemacht für den Filmemacher Tim Burton („Die Insel der besonderen Kinder“), dessen Interesse für tragische Außenseiter und skurrile Figuren in vielen seiner Werke klar hervorsticht. Seine recht freie Live-Action-Adaption des ergreifenden Disney-Stoffes ist ein optisch berauschender Ausflug in eine farbenfrohe Zirkuswelt, fühlt sich auf Handlungsebene aber zu mechanisch an, um wirklich unter die Haut zu gehen.

Sehnsüchtig erwarten die Geschwister Milly (Nico Parker) und Joe Farrier (Finley Hobbins) die Rückkehr ihres Vaters Holt (Colin Farrell), eines einstigen Zirkusstars, der vor einiger Zeit in den Krieg gezogen ist. Als sie ihm auf dem Bahnsteig gegenüberstehen, stellen sie erschrocken fest, dass er einen Arm verloren hat. Da er mit diesem Handicap keine spektakulären Reitstunts mehr vollbringen kann, überträgt ihm der finanzielle angeschlagene Zirkusdirektor Max Medici (herrlich quirlig: Danny DeVito) die Verantwortung für die Elefanten. Ein kniffliger Job, denn die Dickhäuter-Dame Mrs. Jumbo bringt ein Baby zur Welt, das mit seinen übergroßen Ohren zur Zielscheibe des Spotts wird und schon bald den Spitznamen Dumbo erhält.

Nachdem die wütende Elefantenmutter bei der ersten öffentlichen Präsentation ihres Nachwuchses für Chaos und Verwüstung gesorgt hat, verkauft der in immer größeren Nöten steckende Medici den erwachsenen Vierbeiner wieder an seinen früheren Besitzer (Lars Eidinger). Milly und Joe können die Traurigkeit des einsamen und verlachten Dumbo nur zu gut verstehen. Immerhin vermissen auch sie ihre viel zu früh gestorbene Mutter. Eines Tages finden die beiden Kinder heraus, dass der kleine Elefant seine Ohren zum Fliegen nutzen kann. Und schon bald avanciert er dank seiner ungewöhnlichen Gabe zu einer Attraktion, die den windigen Unternehmer V. A. Vandevere (Michael Keaton) auf den Plan ruft.

Schon die ersten Einstellungen des Films lassen erahnen, dass Dumbo ein Fest für die Augen ist. Mit viel Liebe zum Detail erweckt der als Kinomagier bekannte Burton auf der Leinwand eine vergangene Zeit zum Leben und lässt seine Kamera durch die wimmeligen Kulissen schweben, denen unverkennbar etwas Nostalgisches anhaftet. Wer große Freude an prächtigen Kostümen und einem opulenten Szenenbild hat, in dem es einiges zu entdecken gibt, dürfte hier voll auf seine Kosten kommen. Erst recht, wenn in der zweiten Hälfte das Spektakelniveau mit Vandeveres gigantischem Vergnügungspark Dreamland noch einmal beträchtlich ansteigt. Einem funkelnden Ort der unbegrenzten Möglichkeiten, an dem auch die Leidenschaft des Regisseurs für düster-abgründige Impressionen aufblitzt.

Der kleine Elefant, der wie alle anderen Tiere am Computer entstand, fügt sich überzeugend in die Realfilmumgebung ein und gewinnt mit seinem knuffigen Aussehen im Handumdrehen die Sympathien des Publikums. Obwohl man inständig hofft, dass Dumbo seine Mutter wiedersehen und einen Ausweg aus dem rauen Showgeschäft finden möge, verpasst es das von Ehren Kruger (Ghost in the Shell) verfasste Drehbuch, die Handlung und die Entwicklung des Titelhelden mit wahrhaftigen Emotionen aufzuladen. Der Schmerz über die Trennung von Mrs. Jumbo verblasst in manchen Passagen gänzlich. Und die Verlusterfahrung, die Milly und Joe mit Dumbo verbindet, hätte man deutlich stärker in den Mittelpunkt rücken können.

Große Wendemomente scheinen eher von dramaturgischer Notwendigkeit beeinflusst als von echten Erkenntnissen bestimmt. Lange Zeit haben die Zirkusleute rund um Medici und Holt kein Problem damit, dass der Babyelefant zu einem Unterhaltungsobjekt verkommt. Irgendwann findet jedoch ein abrupter, arg forcierter Meinungsumschwung statt. Überhaupt wirkt der Film ab dem Auftauchen des von Michael Keaton lustvoll exaltiert gespielten, leider etwas eindimensionalen Kapitalisten holzschnittartiger und verliert dadurch einiges an Charme. Dass die Lebensbedingungen von Zirkustieren äußerst qualvoll sein können, ist heutzutage allgemein bekannt. Um eine ernsthafte kritische Auseinandersetzung mit diesem Thema drückt sich der neue Dumbo allerdings herum. Eine explizit formulierte Botschaft soll es am Ende richten, unterstreicht aber umso mehr, dass es vorher an erzählerischem Feingefühl mangelt.

Dumbo (2019)

Disneys Zeichentrickfilm „Dumbo, der fliegende Elefant“ aus dem Jahre 1941 ist der ingesamt vierte abendfüllende Animationsfilm des Studios. Die Geschichte des kleinen Elefanten mit den großen Ohren wird nun von Tim Burton als Realfilm und kommt im April 2019 in die deutschen Kinos. 

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