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Alice Winocour schildert in „Proxima – Die Astronautin“ in sinnlichen Bildern die beruflichen und privaten Entscheidungen einer Ingenieurin und Mutter, verkörpert von Eva Green.

Proxima - Die Astronautin (2019)

Eine Filmkritik von Andreas Köhnemann

Der lange Weg ins All

Ein Film über Menschen, die ins All fliegen – das klingt nach Action. In „Proxima – Die Astronautin“ setzt die Französin Alice Winocour jedoch vor allem auf eine authentische Anmutung. Sie zeigt keine gefährlichen Abenteuer; sie ist nicht am Spektakel oder an der Überhöhung ihrer Figuren interessiert, sondern widmet sich in beinahe dokumentarischer Manier den intensiven, strapaziösen Vorbereitungen, die mit einer Weltraummission verbunden sind. Und sie erzählt von einer engen Mutter-Tochter-Beziehung, die durch den Beruf der jungen Mutter vor einer harten Herausforderung steht.

Sarah Loreau (Eva Green) wurde ausgewählt, mit dem US-Amerikaner Mike Shannon (Matt Dillon) und dem Russen Anton Ocheivsky (Aleksey Fateev) eine einjährige Mission anzutreten, die die Erforschung des Mars einleiten soll. Nach einer Trainingszeit im Europäischen Astronautenzentrum in Köln geht es weiter zum Ausbildungsstützpunkt in Star City bei Moskau, ehe die Crew nach Baikonur in Kasachstan zum Startplatz der Rakete reisen wird. Ihre kleine Tochter Stella (Zélie Boulant) muss Sarah in Darmstadt bei ihrem Ex-Partner Thomas (Lars Eidinger), einem deutschen Astrophysiker, zurücklassen. Die Psychologin Wendy Hauer (Sandra Hüller) soll Mutter und Tochter dabei helfen, sich auf die vorübergehende Trennung einzustellen.

In ihrer dritten abendfüllenden Regiearbeit nach Augustine (2012) und Der Bodyguard – Sein letzter Auftrag (2015) beweist Winocour abermals, dass sie ein Gespür für emotionale Spannung besitzt. Die Filmemacherin, die unter anderem auch als Co-Autorin von Deniz Gamze Ergüvens feinsinnigem Drama Mustang (2015) auf sich aufmerksam machen konnte, zeichnet in ihrem gemeinsam mit Jean-Stéphane Bron entwickelten Drehbuch eine komplexe Protagonistin, die sowohl ihre beruflichen Träume zu verfolgen versucht als auch eine fürsorgliche Mutter sein will.

Dass an eine Frau im (Berufs-)Leben andere Erwartungen gestellt werden, wird immer wieder deutlich: Mal scheint sich Sarah dafür rechtfertigen zu müssen, ihre Tochter für die Teilnahme an der einjährigen Weltraummission zu verlassen (während dies bei ihrem verheirateten Kollegen Mike und dessen Kindern als völlig „natürlich“ empfunden wird); mal muss sich Sarah wiederum dagegen wehren, in ihrem Beruf nicht ernst genommen zu werden. Die chauvinistische Darstellung von Mike wirkt zunächst recht klischeehaft; doch auch diese Figur wird im Laufe der Handlung nuancierter.

Der Konflikt, dem sich Sarah stellen muss, wurde in ähnlicher Form bereits in der Netflix-Miniserie Away (2020) mit Hilary Swank in der Mutter- und Astronautinnenrolle behandelt. Der Zehnteiler baute indes zahlreiche Schicksalsschläge und Soap-Elemente in seinen Plot ein. Proxima verlässt sich – mit vollem Erfolg – auf vielsagende Blicke und Gesten; der Film hat einen ruhigen Ton und gibt der großartigen Hauptdarstellerin Eva Green und deren ebenfalls eindrücklichem Co-Star Zélie Boulant die Möglichkeit, ganz intim die familiäre Bande zwischen Sarah und Stella zu vermitteln. Die Bilder, die Winocour und ihr Stammkameramann Georges Lechaptois finden – wenn sich Mutter und Tochter etwa in einem Swimmingpool aneinanderklammern oder gemeinsam im Wald spazieren gehen – verfügen über eine enorme physische Kraft und Ausstrahlung.

Ebenso wird das Trainingsprogramm und der damit einhergehende Aufwand glaubhaft auf audiovisuellem Wege spürbar, wenn wir teilhaben, wie Sarah diverse Tests durchführen lassen muss und an ihren baldigen (All-)Alltag herangeführt wird. Proxima ist nicht zuletzt ein Film, der in etlichen Details überzeugt – sei es die Musik (bis hin zum perfekten Abschlusssong You’re High von Agar Agar), die anfängliche Kühle, die Sandra Hüller in ihren Nebenpart als Stellas Betreuerin legt, oder auch der Name der Katze, die mit Stella nach Darmstadt ziehen muss: Laika. Für alle Beteiligten – die Mutter, die Tochter, den Vater, das Haustier, die Astronauten-Kollegen – stehen Reisen in unbekanntes Terrain an. In einem sehr schönen Schlussteil würdigt die Regisseurin all jene Frauen, die Sarahs Herausforderungen in der Vergangenheit bereits auf ihre jeweils eigene Weise bewältigt haben.

Proxima - Die Astronautin (2019)

Die Astronautin Sarah ist die einzige Frau unter den anderen europäischen Astronauten, die im Kölner Weltraumzentrum hart trainieren. Stets hat die Alleinerziehende ein schlechtes Gewissen, ihrer 7-jährigen Tochter nicht genug Aufmerksamkeit zu bieten. Als sie für die nächste Weltraummission ausgewählt wird, wird ihr Leben vollkommen auf den Kopf gestellt. 

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Meinungen

Martin Zopick · 04.04.2023

Eine simple Dokumentation über die Ausbildung von Astronauten. Als Titelfigur steht Sarah (Eva Green) im Mittelpunkt. Damit die Handlung etwas aufgelockert wird, taucht Sarahs Tochter Stella in ihr näheres Umfeld. Ihre Aufgabe ist es, etwas auf der emotionalen Schiene zu fahren und Muttern anzuhimmeln. Vater Thomas (Lars Eidinger) trudelt ebenso planlos um die Protagonistin herum wie Wendy (Sandra Hüller), der man überhaupt keine echte Position zuordnen kann. Da tut sich Kollege Mike (Matt Dillon) auch nicht viel leichter. Die starke Präsenz deutscher Schauspieler ist auffällig. Leider müssen hier alle unter der Regie von Alice Winocour mit gebremstem Schaum agieren, obwohl sie es mehrfach bewiesen haben, dass sie es echt draufhaben.
Eine Werbung für die bemannte Raumfahrt ist der Film keineswegs und die Profis, die den Job kennen, werden höchstens sachliche Kritik äußern. So gesehen ist es eine echte Talentverschwendung! Wen sollte der Streifen also interessieren? Vielleicht Tony Tonne? K.V.