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Vor Watergate gab es die Pentagon Papers – unter der Regie von Steven Spielberg und an der Seite von Tom Hanks spielt Meryl Streep die Herausgeberin der Washington Post, die ihre Zeitung, ihr Vermögen und ihre Freiheit aufs Spiel setzt, um für die Pressefreiheit einzustehen.

Die Verlegerin (2017)

Eine Filmkritik von Sonja Hartl

Die Unbestechliche

Einer oder vielleicht sogar der Journalismusfilm schlechthin ist Alan J. Pakulas All The President’s Men (Die Unbestechlichen) über die Reporter Carl Bernstein und Bob Woodward, die den Watergate-Skandal in der Washington Post öffentlich gemacht haben. Es gibt in diesem spannenden, herausragenden Film, der berühmt für seine Genauigkeit und Korrektheit ist, aber eine bemerkenswerte Leerstelle: Katharine Graham, die Herausgeberin der Washington Post zu dieser Zeit, kommt in dem Film abgesehen von einer Referenz in einem Dialog nicht vor und damit wird die bedeutende Rolle, die sie gespielt hat, nicht nur minimiert, sondern regelrecht ausradiert. Dabei war sie es, die Howard Simons als erste von dem Hinweis erzählte – und nicht Chefredakteur Ben Bradlee. Nachträgliche Korrektur besorgt nun Steven Spielbergs Die Verlegerin, wenngleich der Film filmisch nicht so herausragend ist wie Pakulas Werk.

Katharine Graham war die Tochter von Eugene Meyer, der 1933 die zahlungsunfähige Washington Post gekauft hat. Nach seinem Ruhestand überließ er die Leitung Katharines Ehemann Philip Graham, der 1963 Selbstmord beging. Katharine haderte niemals mit der Entscheidung ihres Vaters, vielmehr führte sie einfach ihr Leben als Ehefrau und Mutter weiter. Sie nahm den Platz, den die Gesellschaft ihr zuwies, an und füllte ihn aus. Doch nach dem Tod ihres Ehemannes musste sie die Geschäfte übernehmen – und unter ihrer Führung wurde die Washington Post zu einer nationalen Zeitung, bekannt für investigativen Journalismus.

Wesentlich für diese Entwicklung war Katharine Grahams Entscheidung, die Pentagon Papers zu publizieren. Die Tage um diese Entscheidung stehen nun im Zentrum von Spielbergs Film, der die Emanzipationsgeschichte einer Frau mit einem Plädoyer für Pressefreiheit verbindet. „Katie throws a great party, but her father gave the paper to her husband“ ist der Satz, der von den Männern um Katharine Graham (Meryl Streep) immer wieder genannt wird. Und sie ist in der Geschäfts- und Verlagswelt der Ostküste fast ausschließlich von Männern umgeben, wie in sehr vielen Einstellungen zu sehen: Immer wieder geht Katharine Graham durch Türen, vor denen Frauen stehen und hinter denen ausschließlich Männer auf sie warten. Bei Dinnerpartys verlassen die Frauen das Zimmer, wenn Männer anfangen, über Politik zu reden. Während sie nun gerade dabei ist, den Börsengang der Zeitung vorzubereiten, wittert Chefredakteur Ben Bradlee (von Tom Hanks mit einem James-Stewart-Touch gespielt), dass die New York Times einen Coup vorbereitet. Tatsächlich wurde der Zeitung eine streng geheime Studie zugespielt, über 7000 Seiten, die beweisen, dass mindestens drei US-Präsidenten über die Rolle der USA in Vietnam gelogen haben, das militärische Eingreifen von langer Hand geplant war und schon seit Jahren die Bevölkerung gezielt belogen wird. Die New York Times beginnt damit, Teile zu publizieren, aber ihnen wird „aus Gründen der nationalen Sicherheit“ eine weitere Publikation untersagt. Doch auch die Washington Post erhält Zugriff auf die Dokumente – und nun muss Katharine Graham entscheiden, ob sie ihre Zeitung und ihre persönliche Freiheit aufs Spiel setzt, um diese gezielte Desinformation der amerikanischen Öffentlichkeit öffentlich zu machen und die Pressefreiheit zu verteidigen.

In diesem Moment der Entscheidung kulminiert der Film: Katharine Graham sitzt in einem weiß-goldenen, leicht ägyptisch angehauchten Abendkleid am Telefon, umringt von Männern, die ihr sagen wollen, was sie zu tun hat, ehe sie entscheidet: „yes … yes … um … big decision … Let’s publish, let’s publish!“. Das Timing von Meryl Streep ist hier makellos, die Ausstattung von Ann Roth setzt die richtigen Akzente und die Kamera von Janusz Kaminski erfasst die Spannung im Bild. Er wählt in dem Film oft weite Einstellungen, die sowohl die hektische Zeit widerspiegeln als auch einen gelungenen Kontrapunkt zu der Bildsprache von Gordon Willis in All the President’s Men setzen, dessen Einstellungen oft abwartend waren und lange anhielten. Sehr deutlich wird dies am Ende von Die Verlegerin, an dem es eine Sequenz gibt, die den Anfang von Watergate und Pakulas Film aufgreift. Damit wird nicht nur die Verbindung dieser Filme gezeigt, sondern auch deutlich, dass auf eine Vertuschung die nächste folgt.

Die Rolle der Presse in schwierigen Zeiten ist das zweite große Thema des Films. Das wird schon am Anfang deutlich: Der Film beginnt in Vietnam 1966. Daniel Ellsberg (Matthew Rhys) beobachtet für die US-Regierung den Krieg in Vietnam und wird auf dem Rückweg in die USA nach vorne ins Flugzeug gebeten, um Verteidigungsminister Robert McNamara (Bruce Greenwood) eine Einschätzung der Lage zu geben. Beide Männer sind sich einig, dass es in Vietnam zum Stillstand gekommen ist – und sich die Lage damit verschlechtert habe. Doch beim Aussteigen aus dem Flugzeug verkündet McNamara der Presse, dass es in jeglicher Hinsicht Fortschritt gebe. Diese Divergenz zwischen Fakten und öffentlichen Aussagen – oder moderner formuliert: zwischen dem tatsächlichen Zustand und alternativen Fakten – ist es, die Daniel Ellsberg letztlich dazu bringt, die Studie zu stehlen und an Zeitungen zu schicken.

In nur sechs Monaten produziert, ist Die Verlegerin der Wille zur Relevanz deutlich anzumerken. Leider verlässt sich Spielberg bisweilen zu wenig auf die Aussagekraft der Bilder, sondern buchstabiert vieles noch aus – sei es hinsichtlich der offensichtlichen patriarchalen Struktur, der bemerkenswerten Entscheidungen von Katharine Graham, die u.a. mit Robert McNamara sehr gut befreundet war, oder auch der Bedeutung der Pressefreiheit – und lässt wichtige Botschaften zusätzlich von der manipulativen Musik von John Williams untermalen. Es geht hier um die dramatische Zuspitzung eines Konflikts, deshalb ist auch nicht alles in diesem Film korrekt. Beispielsweise war Katharine Graham schon seit acht Jahren Herausgeberin der Zeitung und weitaus weniger unsicher als sie hier dargestellt wird. Aber Die Verlegerin holt auch eine Frau zurück ins Bewusstsein, deren Wirken fraglos inspirierend war und ist.

Zudem erinnert der Film an die bedeutende Rolle, die die Presse spielt. Sicherlich bestätigt er damit eine Botschaft, die gerade JournalistInnen teilen – aber mit seinem altmodischen Pathos betont er auch die Bedeutsamkeit dieses oftmals ermüdenden Kampfes. Weiterhin haben sowohl die Washington Post als auch die New York Times starke Eigentümer (den Amazon-Gründer Jeff Bezos bzw. die Familie Sulzberger) und damit eine besondere Verantwortung zu tragen. Wenn JournalistInnen ihre Arbeit nicht ordentlich machen, wenn sie sich von der Nähe zur Macht verführen lassen, dann verliert die gesamte Gesellschaft. Wenn Zeitungen nur noch das drucken, was ihre LeserInnen lesen wollen, was den Mächtigen gefällt, dann verlieren sie ihre Existenzberechtigung. Und deshalb ist dieser Film auch ein in dieser Zeit wichtiges Mahnmal, dass Pressefreiheit ein Gut ist, das unter allen Umständen geschützt werden muss.
 

Die Verlegerin (2017)

In den 1970er Jahren steht Katharine „Kay“ Graham (Meryl Streep) als Herausgeberin der Washington Post vor einer der größten Herausforderungen ihrer Karriere — und der freien Presse der USA: Soll sie die geheimen Pentagon Papiere veröffentlichen, die der Redaktion zugespielt wurden und Informationen über die Rolle der USA im Vietnamkrieg enthalten?

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Meinungen

Martin Zopick · 21.07.2020

Stephen Spielberg hat diesen Film gemacht, in dem es um die Pressefreiheit geht. Meryl Streep ist hier die Titelheldin Kay Graham. Sie hat die Washington Post geerbt und hängt mit Leib und Seele an ihrem Familienunternehmen. Tom Hanks ist der Chefredakteur.
Über dunkle Kanäle gelangen Unterlagen über die Erfolgsaussichten des Vietnamkriegs in die Hände der Post. Eine Diskussionslawine wird unter allen Beteiligten losgetreten, die das Für und Wider einer Veröffentlichung abwägen. Dass der Film auf wahren Begebenheiten beruht, versteht sich von selbst. Verteidigungsminister McNamara (Bruce Greenwood) gab sie in Auftrag mit dem Vermerk TOP-SECRET! Ein Whistleblower im Pentagon hatte etwas dagegen.
Danach wusste man, dass die USA den Krieg nicht gewinnen können und dass man der Öffentlichkeit diese Infos vorenthalten müsse. Es sei militärischer und diplomatischer Selbstmord. Auch die Verschiebung der Veröffentlichung war eine Option. Genauso wie das moralische Gewissen von Journalisten und Verlegern. Meinungen wurden ausgetauscht, ob die Presse den Regierenden oder den Regierten dienen solle. Selbst die ‘Domino Theorie‘ wird erwähnt, nach der, wenn ein Staat im Fernen Osten den Kommunisten in die Hände fällt, dem Beispiel weitere folgen könnten.
Vor allem Meryl Streep bietet ihr ganzes schauspielerisches Talent auf, um diese Mrs. Graham aus persönlich menschlicher Sicht zu beleuchten: zwischen Moral und Commerz, Verantwortung und Zivilcourage, denn eine Gefängnisstrafe könnte drohen. Ihr gelingt der Spagat zwischen Mutter und Geschäftsfrau. Die letzte Einstellung bringt einen Hinweis auf Watergate (sic!).
Der Film ist vor allem so wichtig, wenn man an die momentane Figur im Weißen Haus denkt.