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„Die fabelhafte Welt der Amélie“ von Jean-Pierre Jeunet – ein moderner Klassiker des europäischen Kinos, der Audrey Tautou unsterblich machte. Auch 20 Jahre später verzaubert der Film noch immer durch seine herausfordernde Schönheit.

Die fabelhafte Welt der Amélie (2001)

Eine Filmkritik von Andreas Köhnemann

Yup, still fabulous!

Ein Film, auf den sich (fast) alle einigen können? Das klingt doch verdächtig nach mutloser Standardware. Nach einem gefälligen Werk, das nichts wagt. Wie innovativ kann eine von allen geliebte Geschichte schon sein? Nun, im Falle von „Die fabelhafte Welt der Amélie“ lautet die Antwort überraschenderweise: ganz unglaublich innovativ! Das französische Alltagsmärchen von Jean-Pierre Jeunet aus dem Jahre 2001 zählt zu den magischen Kinostunden, an die sich zahllose Menschen weltweit bis heute mit leuchtenden Augen und seligem Lächeln erinnern. Aber nicht weil dieser Film auf Nummer sicher geht, sondern weil er ein Triumph der Fantasie ist – von, über und für Träumer_innen.

Wir lernen die Titelheldin als kleines Kind, verkörpert von Flora Guiet, in der furios gestalteten Eröffnungssequenz kennen. Und bereits hier sprudeln die kreativen Ideen aus jedem einzelnen Bild hervor. Welch cleverer Einfall etwa, die verschrobenen Eltern von Amélie – Raphaël (Rufus) und Amandine (Lorella Cravotta) – in wenigen Sekunden überaus präzise darüber zu charakterisieren, welche Kleinigkeiten des Alltags sie mögen und verabscheuen. Amélies Entwicklung zur introvertierten Außenseiterin wird ebenso schlüssig wie kurios aufgezeigt: Hausunterricht, eine hypersensible (und alsbald bei einem tragisch-absurden Unfall verstorbene) Mutter sowie ein distanzierter Vater führen dazu, dass Amélie sich völlig in ihren eigenen gedanklichen Kosmos zurückzieht. Als junge Erwachsene, nun gespielt von Audrey Tautou, verlässt sie ihr Zuhause, um ihr einsiedlerisches Leben in einem Pariser Appartement fortzusetzen und als Kellnerin im Café des 2 Moulins zu arbeiten.

Gewiss ließe sich hier einwenden, dass es absolut unmöglich ist, eine derart zauberhafte Wohnung im 18. Pariser Arrondissement mit dem Gehalt einer Kellnerin zu finanzieren – und dass die französische Metropole überhaupt noch niemals so gepflegt und schön war wie in den Aufnahmen dieses Films. Doch genau das ist das Konzept von Jeunet: Wir sind in Amélies individueller Welt und betrachten die Stadt mit ihren Augen.

Das bedeutet allerdings nicht, dass hier alles einfach nur zuckersüß ist. Im kollektiven Gedächtnis haben sich eher die berückenden Elemente von Die fabelhafte Welt der Amélie festgesetzt. Etwa das verschmitzte Grinsen von Audrey Tautou auf dem ikonischen Filmplakat, das in etlichen WGs von Studierenden rund um den Globus hing. Oder die hinreißende Ausstattung in Amélies Appartement, von der drolligen Schweinelampe bis zu den witzigen Gemälden an der Wand, sowie in Amélies Arbeitsstätte und den Wohnungen der schrulligen Nachbarschaft – einnehmend erfasst von Bruno Delbonnels Kamera und unterlegt mit Yann Tiersens herrlichem Score. Und nicht zuletzt ist da noch der Gartenzwerg, der sich dank einer befreundeten Stewardess in ein Jetset-Dasein stürzt, um Amélies Vater zu einer Reise zu animieren.

All das ist auch heute noch so wunderbar wie damals. Aber tatsächlich ist Die fabelhafte Welt der Amélie noch viel facettenreicher – wenn auch in der Darstellung der Bevölkerung nicht divers genug, um ein rundum perfekter Entwurf zu sein. Etliche Filme, die in den vergangenen zwei Dekaden als „Amélie-esk“ bezeichnet wurden, konzentrierten sich in ihrer Nachahmung des Jeunet-Werks auf die lieblichen Seiten – und landeten dadurch schnell in Kitsch-Gefilden. Übersehen wurden dabei die vielen Ecken und Kanten, die Jeunets Film bei all seinem reizenden Charme erst zum Meisterstück machen. Die Menschen, mit denen Amélie im Café zusammenarbeitet, sind grummelig, neurotisch, anstrengend – und auch Amélies Versuche, zum Beispiel durch eine Verkupplungsaktion für Harmonie zu sorgen, sind nicht zwangsläufig von Erfolg gekrönt. Die Personen in Amélies Wohnhaus, vom rätselhaften Maler Raymond Dufayel (Serge Merlin) bis zur einsamen Concierge Madame Wallace (Yolande Moreau), haben Biografien voller schwerer Schicksalsschläge. So ist die Welt von Amélie zwar zweifellos fabelhaft, aber dennoch ziemlich komplex. Auch dass Amélies Schwarm Nino (Mathieu Kassovitz), ein Sammler weggeworfener Passfotos, in einem Sex-Shop jobbt, passt gar nicht in die Schublade niedlicher Arthouse-Dramödien, in die das Werk gelegentlich zu Unrecht geschoben wird.

Dass Die fabelhafte Welt der Amélie in jener Schublade nichts verloren hat, ist eigentlich schon klar, wenn wir uns bewusst machen, wer diesen Film realisiert hat. Der 1953 geborene Regisseur Jean-Pierre Jeunet gab im Jahre 1991 (gemeinsam mit Marc Caro) sein Leinwanddebüt mit dem Märchen Delicatessen, in dem es um die globale Katastrophe geht – in erster Linie jedoch um skurrile Charaktere. Diese Skurrilität wurde zum Markenzeichen Jeunets. Auf die Verbindung von Kannibalismus und Liebe in Delicatessen folgten die schwarze Fantasy-Komödie Die Stadt der verlorenen Kinder (1995) und der erstaunlich humorvolle vierte Teil der Alien-Reihe (1997, nun in Solo-Regie). Selbst im Schrecklichen wird bei Jeunet die Schönheit sichtbar. Im Surrealen entdeckt er das Wahre – wie in Die fabelhafte Welt der Amélie die Seelenverwandtschaft zwischen der Protagonistin und dem nicht minder eigentümlichen Nino, dem Amélie in ihrer Schüchternheit zunächst nicht von Angesicht zu Angesicht gegenübertreten kann.

Ein kritischer Blick etwa auf romantische Komödien aus den USA – selbst auf die unbestrittenen Klassiker des Genres – offenbart häufig, dass sich die Figuren darin erschreckend fragwürdig verhalten. Wir akzeptieren dies meist deshalb, weil diese Figuren von attraktiven Stars verkörpert werden und weil der Plot so temporeich und witzig in Szene gesetzt ist, dass wir kaum Zeit zum Nachdenken finden. So werden Stalking, Eifersucht oder Impulsivität rasch romantisiert statt reflektiert. Auch Amélie und Nino verhalten sich fraglos höchst eigentümlich – aber Jeunet macht daraus zu keinem Zeitpunkt einen Hehl. Die beiden flüchten sich in Spielereien, um sich vor dem Kuddelmuddel des Lebens zu schützen. Sie greifen zu unkonventionellen Methoden, um sich näherzukommen. Und es macht nach wie vor unendlich viel Spaß, sie dabei zu begleiten.

Die fabelhafte Welt der Amélie (2001)

Ein kleines, großes Meisterwerk

In jenen Tagen, als sich in Deutschland und anderswo die erste Wolken am Horizont auftauchten, die anzeigten, dass sich die golden funkelnden Tage der New Economy dem Ende näherten, brachte ein Märchen aus Frankreich die Menschen zum Lächeln. In Frankreich sahen rund neun Millionen Zuschauer diesen Film und auch in Deutschland wurde Amélie zu einem veritablen Arthouse-Hit. Die Fabelhafte Welt der Amélie des Regisseurs Jean-Pierre Jeunet traf anscheinend genau den Nerv der anbrechenden trüben Zeiten und seine Hauptdarstellerin Audrey Tautou würde zum neuen Role-model und Gegenentwurf der allgegenwärtigen Businessfrauen. Mit Doc Martens, Blumenröcken und Rehaugen nahm Amélie die Zuschauer mit auf eine märchenhafte Reise durch Paris, das nie so traumhaft, versponnen und kindlich wirkte wie in diesem Film.

Amélie ist eine junge Frau, die ein scheinbar ganz normales Leben als Kellnerin in einem Café am Montmartre führt. Doch eine kleine Blechdose, die ein kleiner Junge vor Jahrzehnten in ihrer Wohnung versteckt hat, verändert ihr Leben. Denn nachdem sie den mittlerweile ergrauten Mann ausfindig gemacht und mit ihrem Fund zu Tränen gerührt hat, beschließt sie, fortan Schicksal zu spielen und ihre Umwelt glücklich zu machen oder – wenn erforderlich – rächend einzugreifen. Doch erst als sich ihre Wege immer wieder mit denen des gut aussehenden, aber schüchternen Nino (Mathieu Kassovitz) kreuzen, scheint auch sie ihr Glück gefunden zu haben. Doch bevor der Film zu seinem (selbstverständlich guten) Ende kommt, gilt es erst noch, hypochondrische Kolleginnen, eifersüchtigen Männern, selbstgefährdeten Zierfischen und anderen Unwägbarkeiten des Lebens zu begegnen.

Mit einem scheinbar unerschöpflichen Fundus an Geschichten, Anekdoten, skurrilen Figuren und visuellen Extravaganzen versteht es Jean-Pierre Jeunet, der sein Talent bereits mit Delicatessen und Die Stadt der Verlorenen Kinder unter Beweis stellte, eine Atmosphäre voller Wärme und Witz zu schaffen, von der man sich nichts mehr wünscht, als dass sie wahr wäre. Ein magisches Panoptikum, bei dem man bei jedem Zusehen ein neues Detail, eine neue überraschende Wendung entdeckt, eine Hymne an das Leben und die Liebe, ein ganz großes Meisterwerk.

Die fabelhafte Welt der Amélie (2001)

In jenen Tagen, als in Deutschland die ersten Wolken am Horizont auftauchten, die anzeigten, dass sich die golden funkelnden Tage der New Economy dem Ende näherten, brachte ein Märchen aus Frankreich die Menschen zum Lächeln.

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Meinungen

Hälläna · 15.06.2007

Einfach nur magisch und wunderbar.

Merle · 17.03.2006

Tja, ich kenne den Film mittlerweile auswendig, weil er einfach ein schönes Märchen ist. Paris durch die rosarote Brille gesehen, sogar die ganzen Graffitti fehlen, nachträglich per PC digital entfernt. Ist doch nett! Als ich den Film das erste Mal im Kino gesehehn habe, konnte ich monatelang an nichts Anderes denken, das ist für einen Film schon eine Leistung.

edelgard · 19.04.2005

den film fand ich ziemlich enttäuschend hatte echt besseres von ihm erwartet

Novi · 31.03.2005

Dieser Film ist ein Meisterwerk der Filmgeschichte !!!

Be · 30.03.2005

der film ist super mega cool!

Hälläna · 15.06.2007

Einfach nur magisch und wunderbar.

Merle · 17.03.2006

Tja, ich kenne den Film mittlerweile auswendig, weil er einfach ein schönes Märchen ist. Paris durch die rosarote Brille gesehen, sogar die ganzen Graffitti fehlen, nachträglich per PC digital entfernt. Ist doch nett! Als ich den Film das erste Mal im Kino gesehehn habe, konnte ich monatelang an nichts Anderes denken, das ist für einen Film schon eine Leistung.

edelgard · 19.04.2005

den film fand ich ziemlich enttäuschend hatte echt besseres von ihm erwartet

Novi · 31.03.2005

Dieser Film ist ein Meisterwerk der Filmgeschichte !!!

Be · 30.03.2005

der film ist super mega cool!