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In seiner Crime-Comedy „Lieber Antoine als gar keinen Ärger“ mit Adèle Haenel, Pio Marmaï und Audrey Tautou lässt der Franzose Pierre Salvadori abermals die Liebe und die Anarchie Hand in Hand miteinander gehen.

Lieber Antoine als gar keinen Ärger (2018)

Eine Filmkritik von Andreas Köhnemann

Die Liebe – ein einziges Chaos!

Klar, von der Liebe kann man in hübsch-romantischen Tönen erzählen und gefällige Bilder in warmen Farben dafür finden. So richtig ehrlich ist das dann aber selten. Eine Möglichkeit, um der Kitschfalle zu entgehen, ist die furchtlose Umarmung der Unordnung: ein beherzter Sprung ins Chaos, ein Pfeifen auf Sonnenuntergänge am Strand, auf Tänze im Blumenfeld und auf Slow-Motion-Spaziergänge durch sauber gefegte Gassen. Ein besonders gelungenes filmisches Beispiel für diese bewusst unsentimentale Strategie ist die französische Krimikomödie „Ein verrücktes Huhn“ (1977) von Philippe de Broca mit der wundervollen Annie Girardot als Kommissarin und dem kongenialen Philippe Noiret als Polizei-Hasser.

Ähnlich unterhaltsam, heiter, überdreht und entwaffnend lustig geht es in Pierre Salvadoris neuer Regiearbeit Lieber Antoine als gar keinen Ärger zu. Bereits in Werken wie Der Killer und das Mädchen (1993), Alle lieben Blanche (2003) und Liebe um jeden Preis (2006) kombinierte der 1964 geborene Filmemacher aufflammende Gefühle mit schwarzem Humor sowie mit allerlei Gesetzeswidrigkeiten – und bewies, dass sich Galligkeit und Schönheit keineswegs ausschließen müssen.

Hier zeigt er nun zunächst eine junge Polizistin, Mutter und Witwe, die vor zwei Jahren ihren ebenfalls für die Polizei tätigen Gatten verloren hat. Yvonne Santi (Adèle Haenel) lebt mit ihrem kleinen Sohn Théo (Octave Bossuet) in einer südfranzösischen Stadt. In erstaunlich brutalen Gutenachtgeschichten hält sie die Erinnerung an den im Dienst verstorbenen Ehemann und Vater Jean (Vincent Elbaz) hoch – und auch die Stadt feiert den Gesetzeshüter als Helden, indem sie eine an Dirty Harry gemahnende Statue im Zentrum errichtet. Doch dann muss Yvonne erfahren, dass Jean korrupt war und sich durch Deals mit der Unterwelt bereicherte. Das Traumhaus, in dem Yvonne und Théo leben? Der Schmuck, den Yvonne trägt? Alles nur geklaut!

Und es kommt sogar noch schlimmer: Vor acht Jahren ließ Jean den gänzlich unschuldigen Antoine (Pio Marmaï) für einen angeblichen Juwelenraub in den Knast wandern. Dieser wird just zu diesem Zeitpunkt entlassen, weshalb Yvonne den Entschluss fasst, dem von seinem Aufenthalt im Gefängnis erkennbar verstörten Goldschmied zu helfen. Zwar wird Antoine von seiner Freundin Agnès (Audrey Tautou) liebevoll im gemeinsamen Heim empfangen; aber der junge Mann hat verlernt, sich vernünftig und gewaltfrei Konflikten zu stellen – und so gerät er bald in Prügeleien und kurzzeitig erneut hinter Gittern. Als Yvonne als Retterin in Erscheinung tritt, führt dies schnell zu weiteren Missverständnissen und chaotischen Situationen – zumal sich Antoine und Yvonne plötzlich auch noch zueinander hingezogen fühlen.

Das Drehbuch, das Salvadori zusammen mit Benoît Graffin und Benjamin Charbit verfasst hat, sowie die temporeiche Umsetzung werfen die Figuren von einem irrwitzigen Ereignis ins nächste. Nicht jeder Einfall ist dabei stimmig; die sich ständig wandelnden, von Yvonne erdachten Szenarien, in denen Jean als Polizeichef auf Gangster trifft, sind zuweilen allzu roh und blutig – und auch ein paar Running Gags erweisen sind als unnötig albern. Ganz großartig funktionieren indes die Screwball-Momente, sowohl zwischen Yvonne und Antoine als auch zwischen Antoine und Agnès und zwischen Yvonne und ihrem Kollegen Louis (Damien Bonnard), der heimlich in die Witwe seines einstigen Vorgesetzten verliebt ist. Man weiß als Zuschauer_in gar nicht, welchem Paar man am meisten Glück wünschen möchte – wodurch das Geschehen erfreulich unvorhersehbar bleibt.

Lieber Antoine als gar keinen Ärger steckt voller absurder Passagen, ist herrlich widerspenstig – und dann wieder überraschend zauberhaft, etwa wenn Agnès ihren gerade nach Hause zurückgekehrten Freund bittet, immer wieder den Augenblick des Wiedersehens zwischen ihnen durchzuspielen, bis alles perfekt ist. Und zwischendurch, zwischen makabren Scherzen und konfuser Action, fällt mal eben die eindrücklichste Liebeserklärung, die es seit langem auf der Leinwand zu hören gab: „Ich liebe es, an dich zu denken. Ich liebe es, auf dich zu warten. Ich liebe deine Anwesenheit. Sie beruhigt und verwirrt mich. Ich liebe auch deine Stimme. Wenn du sprichst, fühle ich mich in Sicherheit. Besonders liebe ich deine heimlichen Blicke. Wenn du mich heimlich ansiehst, möchte ich ein schöner Mensch sein. Und ich liebe dein Lächeln. Ich liebe dich.“ Wow!

Lieber Antoine als gar keinen Ärger (2018)

Der Polizist Santi bekommt eine Statue auf einem Marktplatz. Er wird für seine Taten verehrt. Seine Witwe Yvonne ist auch Polizistin, an der französischen Riviera. Bald findet sie heraus, dass alle Heldentaten ihres Mannes auf dunklen Machenschaften beruhen und Lug und Trug sind. Tatsächlich war Santi zutiefst korrupt.

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Meinungen

Martin Zopick · 08.09.2022

Die dem Film zugrunde liegende Idee ist gar nicht mal so schlecht, aber die Umsetzung verhält sich so wie die Nominierungen zu den Preisen: 9 Nominierungen und keine Auszeichnung. Ein Familienvater (Vincent Elbaz), war bis zu seinem Tod ein Polizist wie ein Denkmal. Doch er fällt vom Sockel als seine Frau Yvonne (Adèle Haenel) erfahren muss, dass der hochgelobte Beamte ein korrupter Gauner war. Die Ehefrau, die auch Polizistin ist, kommt damit nicht klar und nachdem sie den Exknacki Antoine (Pio Marmai) ausfindig gemacht hat, der für ihren Verstorbenen 8 Jahre unschuldig im Gefängnis gesessen hatte, versucht sie es mit ihrem Kollegen Louis (Damien Bonnard). Der himmelt sie an und gefällt ihr auch besser. Anfang und Ende des Films zeigen wüste Polizeieinsätze mit Riesenballereien, wobei das Komödiantische nie aus den Augen verloren wird. Der gemeinsame Bruch in einem Juweliergeschäft, der die Bindung zwischen Yvonne und Antoine stärken solle, bringt nur die moralische Entlastung. Antoine wurde dafür schon verurteilt, kann entkommen, sie muss ins Gefängnis. Das macht sie auch schlanker, meint sie.
Die sonderbare Komik, die diesem Film anhaftet, ist etwas gewöhnungsbedürftig. So verabschiedet sich zum Schluss der verstorbene Vater fliegend ins Jenseits, wobei es auf die Hinterbliebenen Geldscheine regnet. Und zwischen der Dreierkonstellation agiert Agnès (Audrey Tautou) etwas unglücklich als emotionale Stütze für Antoine. Für sie ist es ein weiterer Schritt weg vom Image der Amelie, das ihr immer noch nachhängt. Mit märchenhafter Sicherheit hat am Ende jedes Töpfchen sein Deckelchen und der Plot löst sich in Wohlgefallen auf. Wendungsreich und komplex, auch mit Gefühl wird nicht gespart.

Martin Zopick · 11.04.2021

Frei nach dem deutschen Titel könnte man abwandelnd sagen Lieber keinen Film, als einen schlechten. Die dem Film zugrunde liegende Idee mag ja noch durchgehen, aber die Umsetzung verhält sich so wie die Nominierungen zu den Preisen: 9 Nominierungen und keine Auszeichnung. Der Vater, ein Polizist als Denkmal, fällt vom Sockel als seine Frau Yvonne (Adèle Haenel) erfahren muss, dass der hochgelobte Beamte ein korrupter Gauner war. Die Ehefrau, die auch Polizistin ist, kommt damit nicht klar und nachdem sie den Exknacki Antoine (Pio Marmai) schon mal ausprobiert hat, versucht sie es mit ihrem Kollegen Louis (Damien Bonnard). Der gefällt ihr besser. Anfang und Ende des Films zeigen wüste Polizeieinsätze mit Riesenballereien. Was soll das? Der gemeinsame Bruch in einem Juweliergeschäft, der die Bindung zwischen Yvonne und Antoine stärken sollte, bringt nichts. Er kann entkommen, sie muss ins Gefängnis.
Die sonderbare Komik, die diesem Film anhaftet, wirkt aufgesetzt. So entfernt sich der verstorbene Vater fliegend ins Jenseits wobei es auf die Hinterbliebenen Geldscheine regnet. Und zwischen der Dreierkonstellation eiert Agnès (Audrey Tautou) rum, und gibt unverständliche Bemerkungen von sich. K.V. Es gibt Komödien deren Unterhaltungswert mit dem Kreistreiben einer Waschmaschine konkurrieren.

Morwan Obed · 21.02.2019

Kann es kaum erwarten, diesen Film hier in Deutschland endlich zu sehen.