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3 Tage in einem Sanatorium in der Bretagne. 3 Tage Romy Schneider, die in einer Lebenskrise steckt. Und ausgerechnet jetzt gibt der sonst scheue Star ein Interview. Es wird das berühmte letzte Interview der Schauspielerin sein. 

3 Tage in Quiberon (2018)

Eine Filmkritik von Beatrice Behn

Romy, nicht Sissy

Nein, sie ist nicht Sissy. Oder eine der anderen Figuren, die sie im Film oder auf der Theaterbühne dargestellt hat. Sie ist einfach Romy Schneider (Marie Bäumer). „Eine Frau, 42 Jahre und einsam“, sagt sie im Interview mit dem Stern-Reporter Michael Jürgs (Robert Gwisdek), der sie in einem Hotelzimmer im Sanatorium in Quiberon interviewt. Ihre Freundin Hilde (Birgit Minichmayr) will daraufhin das Gespräch abbrechen. Verrückt sei es, sagt Hilde, was Romy da tue.

Sich erst jahrelang nicht interviewen lassen und nun so offen und ehrlich alles sagen, sich preisgeben als Mensch und Frau, die in einer Krise steckt, die gebrochen ist. Aber Romy macht weiter, wissend, dass sie hier einen dieser Journalisten-Haie vor sich sitzen hat, die alles, absolut alles gegen sie verwenden werden. 

3 Tage in Quiberon heißt Emily Atefs Film und so einfach dieses Setting ist – ein Ort, drei Tage – so wunderbar kompliziert und vielschichtig ist die Geschichte, die sich hier abspielt. In komplett schwarz-weiß gehaltenen Bildern sieht man Romy Schneider bei ihrem Versuch, ihre Alkoholsucht in einem französischen Sanatorium zu überkommen. Sie ist am Ende. Kann nicht schlafen und nimmt deswegen Tabletten. Ihr Ex-Mann hat sich vor kurzem das Leben gekommen, ihren Sohn David scheint sie gerade zu verlieren, da ihr jetziger Mann die Scheidung und das Aufenthaltsrecht will. Und sie, Romy, ist zerrissen zwischen ihren beiden Kindern und dem Wunsch, eine gute Mutter zu sein, und der Arbeit, die ihr so wichtig ist, weil sie nichts anderes kennt. 

Seit sie ein Kind ist, macht sie nichts anderes. Und seit sie ein Kind ist, lebt sie in Abhängigkeiten. Erst von der Mutter Magda, die sich eine goldene Nase an ihr verdient hat, dann von zahlreichen Männern, die sie lieben, verehren und sich vor allem mit ihr schmücken und sie ausnutzen. Einer der besseren Nutznießer ist Fotograf Robert Lebeck, der zusammen mit dem Stern-Journalisten anreist. Er will Fotos machen für das Interview, das nicht zu einem schlimmeren Zeitpunkt für die Schauspielerin hätte kommen können. Es ist nur sehr subtil in Atefs Film zu finden – die wichtigsten Dinge und Momente in Quiberon sind nicht mehr als Halbsätze, Blicke oder Gesten – doch eines ist klar: die Männer in Schneiders Leben und auch in diesem Film sind es, die sie, jeder auf seine Weise, benutzen. Und auf sie herabschauen oder Mitleid haben. Mit Romy mitleiden, das tun allerdings die Frauen. Egal ob es das Zimmermädchen (Mini-Gastauftritt von Vicky Krieps) ist, das weint, als sie Romy auf dem Boden kauernd findet und ihr dann zusehen muss, wie sie mit einer Flasche Wein im Arm davon wankt. Oder Hilde, Romys beste Freundin, die da sein will und helfen, die aber ihrer Freundin aus Kindheitstagen nicht helfen kann. Denn diese hört, so wie sie es seit jeher gewohnt ist, nur auf Männer, nicht einmal auf sich selbst. 

Es ist diese besondere Melange aus kindlicher Offenheit, Naivität, Schönheit und Weiblichkeit, die die Schneider berühmt und für viele zum Sehnsuchtsobjekt gemacht hat, die Marie Bäumer in dieser Rolle besonders gut trifft. Sie ruht sich nicht darauf aus, der Schneider besonders ähnlich zu sehen, sondern sucht und trifft den unvergleichlich eigenen Kern dieser Frau, die sich einfach nicht selbst helfen kann. Wie schnell hätte diese Rolle abgleiten, albern werden können, doch Bäumer, die man viel zu selten im Kino sieht, trägt sie mit solcher Würde und Liebe, dass man nach kürzester Zeit bei ihr und mit ihr ist und leidet. Überhaupt vermag der gesamte Film die Schwere von Schneiders Lebenswelt und -gefühl auf unglaublich atmosphärische Weise zu vermitteln. Während sich der Film visuell an die von Lebeck gemachten Fotos dieser Tage anlehnt, nimmt er diese Ästhetik auch zum Anlass, sie umzuschreiben und Romy zuzuordnen. Es ist ihre schwarz-weiße Welt, nicht Lebecks, die sich in diesem Film entwickelt und niemals prätentiös wirkt, sondern angemessen. 

Überhaupt zeigt Atef hier ein unglaubliches Gespür für Details und ein ungeheures Verständnis für die Erfahrungswelt der Schauspielerin, die hier niemals vorgeführt oder abgeurteilt wird, sondern die ein tiefes und vielschichtiges Porträt erfährt. Und das ist wohl der größte Wurf von 3 Tage in Quiberon: Diesen kurzen Zeitraum und diesen einen Ort mit so vielen Nuancen zu füllen, die niemals damit arbeiten, einfach viele – und den meisten bekannte – Fakten in den Raum zu werfen und das Bild der Schneider vor allem mit Worten zu entwerfen, sondern es in den kleinen Momenten wachsen zu lassen. Momente, in denen es Romy einfach genießt, mit ihrer besten Freundin in der Badewanne zu sitzen, und nicht ans Telefon gehen will, als es klingelt. Augenblicke, in denen sie von jetzt auf gleich wechseln muss in die Persona Schneider, die versucht, sich zu schützen und dann doch ihrer eigenen Offenheit erliegt und sich so sehr preisgibt, wie es für niemanden jemals gut wäre. 

So entwickelt 3 Tage in Quiberon einen unglaublichen Sog, eine schwere Seelentiefe, die man mit jedem Zigarettenzug der Grand Dame zu spüren vermag. Ein großes, tieftrauriges Porträt, dass Emily Atef hier geschaffen hat. Würdig und würdevoll für eine Frau wie Schneider und damit auch ein Werk, das dieser Frau den Respekt entgegenbringt, den sie Zeit ihres Lebens nicht erfahren durfte. 

3 Tage in Quiberon (2018)

Es sind genau diese drei Tage im Titel von „3 Tage in Quibéron“, die Romy Schneider Zeit hat, sich von ihrem Sissi-Image ein für alle Mal zu lösen. Es sind diese drei Tage, die Romy im Sanatorium verbringt und in denen sie von Michael Jürges interviewt wird. Es werden drei sehr anstrengende Tage werden.

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