Anna Karenina

Eine Filmkritik von Melanie Hoffmann

High Society im Theater

Anna Karenina von Leo Tolstoi gilt als ein Meisterstück des russischen Realismus und wird aufgrund seiner Thematik um Ehebruch in der höheren Gesellschaft gerne in einem Atemzug mit Madame Bovary und Effi Briest genannt. Verfilmungen gibt es zahlreiche, doch diese hier von Joe Wright sticht aus der Masse hervor.
Anna und Alexeij Karenin gehören zu den höchsten Kreisen des russischen Adels. Während Alexeij eher der Arbeit frönt und über Büchern sitzt, genießt Anna das gesellschaftliche Leben in vollen Zügen. Bälle, Theaterbesuche oder Konzerte … überall trifft sie ihr zugetane Menschen. Darunter auch ihren Bruder Stiwa mit seiner Frau Dolly und deren Schwester Kitty, die mit ihrem bezaubernden Wesen alle für sich einnimmt. Kitty liebt den jungen Grafen Wronskij. Auch ihre Mutter würde dieser Verbindung gerne zustimmen. In Erwartung eines Heiratsantrages schlug Kitty bereits einen anderen Antrag aus. Doch Graf Wronskij genügt bereits eine kurze Begegnung mit Anna Karenina auf dem Bahnsteig, um sich Hals über Kopf in die verheiratete Frau zu verlieben.

Nach einigen Begegnungen und Wronskijs beharrlichem Werben gibt Anna nach und lässt sich auf die verbotene Affäre ein. Doch sie kann es nicht mit ihrem Gewissen vereinbaren, ihren Mann zu hintergehen und beichtet ihren Betrug. Aufgrund der gesellschaftlichen Stellung der Familie vergibt er ihr, verlangt aber, dass sie Wronskij nie wieder treffen darf.

Dies ist nur die Haupthandlung, es gibt noch zahlreiche Nebenstränge vor allem mit Kitty und mit dem verschmähten Lewin, der Kitty heiraten wollte. Doch der Film bietet mehr, als nur ein üppiger Kostümfilm zu sein. Die Schauwerte sind zweifellos überwältigend, man kann sich kaum sattsehen an der Pracht der Kostüme, der Farben, an der Szenerie. Für Liebhaber des Genres ist diese Neuverfilmung ein Muss.

Die Besetzung des Film ist mit Keira Knightley in der Rolle der Anna Karenina eine sichere Nummer. Nach den Filmen Stolz und Voruteil und Die Herzogin kennt sie sich bestens in historischen Interieurs aus. David Cronenbergs Eine dunkle Begierde war zuletzt eine gute Übung für den Nervenzusammenbruch, den sie als Anna Karenina meisterlich hinlegt. Etwas befremdlich für das weibliche Publikum ist sicherlich Jude Law in der Rolle des verschmähten Gatten Karenin. Sichtlich gereift (und mit guter Maske) nimmt er allen Charme aus seinem Spiel heraus. Die bezaubernde Alicia Vikander – zuletzt während der Berlinale als Europas neuster Shooting Star im Licht der Öffentlichkeit – ist in der Rolle der jungen Kitty zu sehen. Mit minimaler Mimik bringt sie Maximales zum Ausdruck. Von ihr wollen wir noch so viel sehen!

Joe Wrights fünfter Kinofilm ist nun bereits die dritte Zusammenarbeit mit Keira Knightley und alle drei waren Literaturverfilmungen. Ein Ermüdungseffekt ist aber keineswegs festzustellen. Wo Stolz und Vorurteil noch ganz solide Kost war, stach Abbitte schon deutlicher heraus. Mit Anna Karenina wagt Wright einen großen Kunstgriff. Er lässt alles in einem großen Theater spielen, da der russische Adel des ausgehenden 19. Jahrhunderts sein Leben führte, als spiele sich alles auf einer Theaterbühne ab. Wright nutzt natürlich nicht nur die Bühne, sondern auch den Zuschauerraum, die Garderoben, lässt die handelnden Personen den Bühnenhimmel mit seinen Seilzügen erkunden. Immer wenn eine Türe aufgeht, erschließt sich ein völlig neues Universum von Möglichkeiten. Bereits Tolstoi zeichnet in seinem Roman ein kaleidoskopartiges Bild der Gesellschaft, die Form des Filmes unterstützt diesen Eindruck hervorragend.

Die künstliche Szenerie des Theaters könnte beim Publikum aber auch befremdlich wirken. Das Verlassen gewohnter Erzählstrukturen hat auch zur Folge, dass man sich nicht so sehr in die Handlung einbezogen fühlt. Teilweise wirkt der Film dadurch fast wie ein Musical. Die Fülle an Handlungssträngen ist groß und eine Herausforderung an die Aufmerksamkeit des Publikums. Eine so gewaltige Geschichte in nur gut zwei Stunden unterzubringen ist eine sportliche Leistung. Joe Wright verzettelt sich jedoch nicht und schafft es, Tolstois Roman wortwörtlich eine würdige Bühne zu bieten. Ist man gewillt, sich auf die etwas abenteuerliche Reise einzulassen, erlebt man eine große Neuinterpretation eines keineswegs angestaubten Stücks Weltliteratur.

Anna Karenina

„Anna Karenina“ von Leo Tolstoi gilt als ein Meisterstück des russischen Realismus und wird aufgrund seiner Thematik um Ehebruch in der höheren Gesellschaft gerne in einem Atemzug mit „Madame Bovary“ und „Effi Briest“ genannt. Verfilmungen gibt es zahlreiche, doch diese hier von Joe Wright sticht aus der Masse hervor.
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Meinungen

marcus · 10.01.2013

Der film ist einfach überwältigend. Am Anfang muss man sich erst einmal an die Theaterkulisse gewöhnen.
Nach ca. 20 Minuten ist man aber mit der Handlung eins geworden.
Die Bilder sind berauschend, und auch der Soundtrack von Dario Marinelli tut sein übriges um den Zuschauer in seinen Bann zu ziehen.
Wer gutes Kino zu schätzen weiß, muss in Diesen Film gehen.
Einer der schon besten Filme in Diesem Jahr.