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Ein junger französischer Soldat sucht in den Wirren des heraufziehenden Indochina-Krieges Rache für ein Massaker an seiner Familie und verirrt sich dabei in den Dschungel seines verblendeten Geistes.

Les confins du monde (2018)

Eine Filmkritik von Joachim Kurz

Auf den Irrwegen der Rache

Guillaume Nicloux ist ein durch und durch erstaunlicher Filmemacher – wo andere Regisseure ihre ganz eigenen Handschriften im Laufe der Jahre und Filme immer weiterentwickeln und verfeinern, ist er ein Wanderer zwischen den Welten und Genres, den Stilen und Erzählformen, die in der Zwischenzeit eine erstaunliche Bandbreite erreicht haben: Konventionelles Arthouse-Kino wie zuletzt in Valley of Love – Tal der Liebe (2015) findet sich darin ebenso wie experimentellere Formen (Die Entführung des Michel Houellebecq, 2014) oder ambitionierte Literaturverfilmungen (Die Nonne / La religieuse, 2013).

 

 

Und so verwundert es nicht, dass auch sein neuer Film Les confins du monde (To the Ends of the World) abermals eine neue Richtung einschlägt und zugleich vor allem Erinnerungen an einen Film weckt, der Filmgeschichte geschrieben hat. Wenngleich natürlich – und das gilt auch in diesem Falle – jeder Vergleich mit Francis Ford Coppolas Meisterwerk Apocalypse Now selten zum Vorteil des Nachfolgers ausgeht. Doch der Reihe nach …

Kurz nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges ist die japanische Armee aus Indochina abgezogen und hat ein Machtvakuum hinterlassen: Noch ist das Land eine Kolonie Frankreichs, doch die Kämpfer der Liga für die Unabhängigkeit Vietnams unter Führung von Ho Chin Minh drängen bereits auf die Machtübernahme und werden die französischen Kolonialtruppen in einen langen und zähen Guerillakrieg hineinzwingen. In dieser Lage taucht eines Tages der verwundete und traumatisierte französische Soldat Robert Tassen (Gaspard Ulliel) auf, der ein Massaker der abrückenden Japaner einige Zeit vorher überlebt hat und nun auf Rache sinnt. Weil die Japaner nicht mehr greifbar sind, kanalisiert er all seinen Hass auf Vo Binh, einen Kommandeur des Viet Minh, der das Abschlachten, bei dem auch Roberts Bruder und dessen Frau getötet wurden, kalt lächelnd beobachtet haben soll. Der Soldat ohne Einheit wird einer Truppe zugeordnet, die weitgehend isoliert und von Viet Minh umringt im Urwald kämpft. Von dort aus will Tassen seinen Rachefeldzug starten.

Doch dann lernt er in einem Bordell der nahegelegenen Stadt die Prostituierte Maï (Lang-Khe Tran) kennen und verliebt sich in die junge Frau. Als diese sein Flehen nicht erhört, entwickelt er zunehmend wahnhafte Züge und droht, zu einer Bestie in Menschengestalt zu werden. Halt findet er in dieser Zeit allenfalls in den Begegnungen mit dem versoffenen Schriftsteller Saintonge (Gérard Depardieu), der als einer der wenigen französischen Zivilisten das Land noch nicht verlassen hat.

Guillaume Nicloux und sein Kameramann David Ungaro finden teilweise betörende Bilder und Einstellungen, die die feuchte Schwüle Vietnams und die Verlorenheit der Soldaten in einer übermächtig scheinenden, üppigen und alles verschlingenden Natur immer wieder eindrucksvoll in Szene setzen. Hinzu kommen gelegentlich wirkungsvolle eingebaute Schockmomente. Bedauerlich ist jedoch, dass das Drehbuch kaum einem der Charaktere Tiefe und Eindringlichkeit verleihen kann. Aus der Truppe ragt allenfalls ein Kamerad namens Cavagna (Guillaume Gouix) heraus, für die Lebensumstände von Maï, die nicht aus Not heraus den Weg in die Prostitution gefunden hat, interessiert sich der Film kaum. Stattdessen widmet sich Guillaume Nicloux ausgiebig dem Leiden seines Helden, dem man aber aufgrund der unbeweglichen und starren Miene Gaspar Ulliels als Zuschauer auch nicht so recht nahekommen mag und möchte.

Bedenkt man weiter, dass sich das französische Kino bislang noch nicht allzu häufig mit dem unrühmlichen Kapitel des Indochina-Krieges auseinandergesetzt hat, so kann man sich nicht des Eindrucks erwehren, dass Les confins du monde bei aller gelegentlichen Eindringlichkeit ein viel besserer Film hätte sein können.

Les confins du monde (2018)

Indochina im Jahre 1945: Der junge französische Soldat Robert Tassen ist er einzige Überlebende eines Massakers, bei dem sein Bruder vor seinen Augen getötet wurde. Blind vor Wut und beseelt von dem Wunsch nach Rache macht er sich auf die Suche nach den Mördern. Doch dann trifft er auf Mayi — und diese Begegnung wird ihn verändern … 
 

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