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Maggie Gyllenhaal hat einen Ferrante-Roman für ihr Regiedebüt gewählt. Leider kann nicht einmal Olivia Colman in der Hauptrolle den Film retten.

Frau im Dunkeln (2021)

Eine Filmkritik von Maria Wiesner

Gefühliges Kino für Ferrante-Fans

Maggie Gyllenhaal hat sich für ihr Regiedebüt nur auf sicherstes Terrain getraut und das ist sehr schade. Sich einen Roman der italienischen Schriftstellerin Elena Ferrante zur Vorlage für das Drehbuch nehmen, ist keine Risikoentscheidung, sondern vielmehr eine Entscheidung, die den Erfolg bei den Käuferinnen des Bestsellers bereits in die Filmauswertung einkalkuliert. Und auch Olivia Colman die Hauptrolle spielen zu lassen, steht im Regiehandbuch wohl eher unter dem Kapitel „Sichere Nummer“. Das soll kein Vorwurf an Frau Colman sein, sie würde einen Film auch tragen, der das Telefonbuch von Bielefeld zur Vorlage hätte. Aber es spricht nicht gerade dafür, dass Gyllenhaal sich selbst und ihrer Vorlage groß vertraut hat. Den Eindruck bekommt man zumindest nach den 121 Minuten, die THE LOST DAUGHTER dauert — viel von Gyllenhaals Regieideen sieht man nicht.

Colman spielt Leda, eine Professorin für italienische Sprache, die sich für die Arbeit an ihrem nächsten Buch auf eine griechische Insel zurückgezogen hat. Ihr Vermieter (Ed Harris) macht sie über gegrilltem Oktopus ein bisschen an. Sie geht an den Strand, ärgert sich über laute, neureiche griechische Familien. Sie schaut einer jungen Frau mit Kleinkind beim Spielen zu. Sie denkt über ihre eigenen Lebensentscheidungen nach. Die zeigt Gyllenhaal in Rückblenden, in denen eine junge Leda (Jessie Buckley) als überforderte Mutter zweier Kinder zu sehen ist, die zwischen Karriere und Familie zerrissen wird. Ihr Mann ist keine große Hilfe, irgendwann flüchtet sie sich in eine Affäre und muss eine Entscheidung treffen.

Die Kämpfe zwischen der Mutter und den kleinen Töchtern nehmen viel Raum ein, sie werden gespiegelt im Kampf der jungen Mutter am Strand mit deren Tochter. Mehrfach wiederholt sich die Szene, dass kleine Mädchen am Hals ihrer Mütter hängen, ganz symbolisch erdrückt ihre Last die Frauen fast. Sie sind gereizt, sie leiden an Schlafmangel, sie rasten aus, sie zerschlagen Dinge, sie fragen sich, ob das schon alles war, was sie vom Leben erwarten sollen.

Leda fallen Entscheidungen auch mit Ende 40 noch schwer. Sie durchdenkt ihr Tun nicht, fragt sich nicht, welche Konsequenzen ihre Handlungen hervorrufen könnten. Hat das, so legen es die Rückblenden aus, auch noch nie getan — egal, ob sie auf der Insel einer Gruppe lärmender Halbstarker im dunklen Kino mit der Polizei droht oder offensichtlich den Entschluss fasste, mit einem unemanzipierten Partner zwei Kinder zu bekommen. Schlimmer noch, sie suhlt sich dafür im Nachhinein gern in Selbstmitleid.

Es mag an Ferrantes Vorlage liegen, doch der Handlung fehlt jeglicher Konflikt, jegliches Vorwärtskommen: Gewalt hängt in der Luft, wenn die patriarchal geführte, reiche griechische Familie zu sehen ist, doch das verläuft sich im Nichts. Auch die latente sexuelle Spannung, zwischen Harris und Colman führt nirgendwohin, wird weder endgültig thematisiert oder ausgelebt. Stattdessen flüchtet sich Leda in die Vergangenheit, kaut auf den Fehlern herum, die sie vor Jahrzehnten gemacht hat.

Leda bleibt passiv, schiebt Handlungen, Anrufe, klärende Gespräche auf. Bekommt, ganz Klischee, kleine Schwächeanfälle, wenn sie eigentlich eine Entscheidung treffen müsste. Sie genießt ihr Selbstmitleid, denn eigentlich gibt ihr Leben nicht wirklich viel an Konfliktstoffen her.

Das die beiden Themen „Mutter-Töchter-Konflikt“ und „soll ich Kinder bekommen oder lieber nicht“ ihr Publikum trotzdem finden werden, steht außer Frage. Dafür werden auch die Namen Maggie Gyllenhaal, Olivia Colman und Elena Ferrante sorgen. Doch das ändert nichts an der Tatsache, dass The Lost Daughter genauso gut als kleines Fernsehspiel im ZDF hätte gezeigt werden können. Gyllenhaal hat sich irgendwo im Versuch „großes Gefühlskino“ zu fabrizieren, verfangen, von ihrer Handschrift als Regisseurin erkennt man nichts.

Frau im Dunkeln (2021)

„The Lost Daughter“ handelt von der Mutter Leda, die während eines Urlaubes auf unangenehme Art und Weise mit ihren Lebensentscheidungen konfrontiert wird.

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Meinungen

Bella · 11.03.2022

Nun ka , ein Kritiker ist ja auch nur ei Mensch . Er hat nur eine Analyse von der Materie gemacht. Ich sage als Mutter von zwei Töchter : Montag gehe ich zum Psychologe. Diese Film hat mich umgehauen...

Sebastian · 15.02.2022

Schon interessant, dass der Autorin der Rezension gleich wieder vorgeworfen wird, sie hätte den Film nicht verstanden, nur weil sie eine abweichende Meinung vertritt. Geschmäcker sind nun mal verschieden.

Jacqueline · 26.01.2022

Ein wunderbar berührender Film. Unvergesslich. Grosses Kino. Keine Ahnung, wie eine solche Kritik geschrieben werden kann. Kinderlos?

Paul · 15.01.2022

Normalerweise freue ich mich immer auf die Kritiken von Kino-Zeit. Das ist aber ein Kommentar, den man so nicht stehen lassen kann. Natürlich hat jede:r das Recht, einen Film zu kritisieren. Logisch. Aber Maggie Gyllenhaal vorzuwerfen, sie habe sich mit diesem Film für einen einfach Weg entschieden, ist mehr als abstrus. Filme von Frauen über Frauen sind leider immer noch jedes Mal ein Risiko. Wenn ich als Regisseurin dann so eine gewaltige, feministische Geschichte erzählen kann und dann noch mit solchen Größen der Schauspielkunst, wär ich ja dumm, das nicht zu tun. Und wenn dann erklärt wird, dass die Handschrift der Regisseurin fehlt und es genauso gut ein billiger Fernsehfilm hätte sein können, fragt man sich schon, ob der Film überhaupt gesehen wurde. Wie gesagt: Kritik und verschiedene Sichtweisen sind immer willkommen. Aber diese Review kann ich in keinster Weise nachvollziehen...

Antje Schrupp · 12.01.2022

Naja, man sollte sich schon ein bisschen Mühe geben. Die Großfamilie um die es geht war keine griechische, sondern eine amerikanische. Es ga einen langen Dialog darüber (welcher Akzent) zwischen Leda und Callie. Das einzige was man dem Film vorwerfen kann ist, dass etwas viele amis in diesem kleinen griechischen Kaff sind.

Der Film ist mega großartig und die Rezensentin hier hat nix verstanden davon

Elena Basquitt · 06.01.2022

Sie haben keine Kinder, und schon gar keine Töchter was

Barbara niederer · 06.01.2022

Ein unglaublich tiefgehender, berühre der Film, dank an die Regisseurin, durch all den nicht vorhandenen Effekt Schnickschnack wird dem Zuseher der Freiraum geschaffen, für eigene Emotionen… war schon lange, wirklich lange nicht mehr so tief berührt… das pure Leben … danke

Thomas Wolff · 02.01.2022

Na, da hat aber jemand den Film aber so gar nicht verstanden.