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Was haben die Corona-Pandemie und der Lockdown nicht alles an täglichen Zumutungen mit sich gebracht! Die französische Komödie von und mit Dany Boon wagt einen augenzwinkernden Blick zurück auf die Phase der Ausgangssperren in Paris und eine Hausgemeinschaft, die sich noch zusammenraufen muss.

8 Rue de l’Humanité (2021)

Eine Filmkritik von Bianka Piringer

Gestresst wohnen im Lockdown

Abend für Abend applaudieren die Bewohner*innen eines mehrstöckigen Pariser Hauses auf ihren Balkonen dem Personal in Kliniken und den Rettungskräften. Doch in den Wohnungen und im nachbarschaftlichen Kontakt ist die Stimmung angespannt. Mitten im Lockdown während der Corona-Pandemie taumeln Ehepaare in die Krise, sehen sich die Menschen auf ein Wohnumfeld zurückgeworfen, in dem Aggressionen schwelen. Wie sich die einzelnen Individuen an der Krise abarbeiten, aber auch neue Seiten an sich und ihren Nächsten entdecken, schildert diese französische Komödie mit Lust an der Zuspitzung. Der Name der Straße im Titel deutet bereits auf ihren versöhnlichen Kurs hin.

Erst lässt Regisseur Dany Boon (Nichts zu verzollen), der mit Laurence Arné auch das Drehbuch schrieb, in diesem Wohngebäude die Neurosen blühen, dann raufen sich die Charaktere allmählich zu einer Hausgemeinschaft zusammen. Der zunächst von Tony (François Damiens) als Parkplatz für sein Auto missbrauchte Hinterhof lässt sich doch, wie seine Nachbarin Claire (Laurence Arné) findet, mit ein paar Tischen und Lämpchen in einen gemütlichen Treffpunkt für die Bewohner*innen verwandeln.

So bringt die Pandemie auch das Bedürfnis vieler Menschen zum Vorschein, in der kühlen Anonymität der Großstadt neue Oasen der Nachbarschaft zu schaffen. Man muss der Netflix-Produktion zugute halten, dass sie trotz des Strebens nach vergnüglicher Harmonie nicht den Fehler begeht, die bittere, belastende Realität der Corona-Zeit zu verniedlichen. Am Schluss der Geschichte gibt es eine sehr ernste, traurige Passage, die vielen Zuschauer*innen die Tränen in die Augen treiben dürfte. Dabei meint man dann vielleicht auch zu spüren, wegen der Pandemie dünnhäutiger geworden zu sein.

Tonys kleiner Sohn Basile führt als Off-Erzähler in die Handlung ein. Die Mutter ist vorübergehend ausgezogen, weil sie den besserwisserischen, herrischen Vater nicht mehr ausgehalten hat. Der Schüler schwärmt sehr für die gleichaltrige Tochter der Nachbarn und bezeichnet sie als „Frau meiner Träume“. Diese Romantik sorgt für eine unschuldige, possierlich anmutende Leichtigkeit, die auch ein wenig märchenhaft wirkt. Tony jedoch ist ein unangenehmer Zeitgenosse, dem die Aggressivität aus allen Poren strömt. François Damiens spielt ihn herrlich ungehobelt und vulgär. Tony erweist er sich als treibende Kraft der Komödie, neben dem Hypochonder Martin (Dany Boon). 

Martin bringt mit seiner immensen Angst vor Ansteckung nicht nur seine Frau Claire auf die Palme, sondern erinnert auch die Nachbarschaft unermüdlich an die Abstandsregeln. Dany Boon persifliert den übervorsichtigen Charakter lustvoll. Dieser verlässt das Haus nur mit einer Plastikhaube auf dem Gesicht, als würde er zum Schnorcheln gehen. In den Wohnungen fehlen Rückzugsräume, so auch beim Pärchen Samuel (Tom Leeb) und Agathe (Alison Wheeler). Wenn Samuel Fitnesslektionen für seine Social-Media-Follower filmt, gibt er sich als Single aus und Agathe muss auf den Mini-Balkon ausweichen. Die schwangere Frau hat ihrerseits eine Leidenschaft fürs Singen und wenn sie wieder ihr Lied Pandemie, Pandemie anstimmt, hält sich die Freude der Hausbewohner*innen in Grenzen.

Auch die anderen Charaktere dienen dazu, typische Probleme zu thematisieren. So gibt es unter anderem die alte Barbetreiberin Louise (Liliane Rovère), die keine Einnahmen mehr hat, oder den von Yvan Attal gespielten Laborbiologen, der an Der verrückte Professor von Jerry Lewis erinnert. Statt sich mit Corona-Testungen und Urinanalysen zu begnügen, forscht der verpeilte Mann auf eigene Faust an einem Corona-Impfstoff, wozu er natürlich tierische und menschliche Versuchsobjekte benötigt. Mit dieser Figur begibt sich der Film in die Gefilde albernen Klamauks. Wobei es auch nicht sehr intelligent wirkt, wenn sich Martin mit seiner beschlagenen Taucherhaube den Anordnungen einer Polizeistreife widersetzt, aber so dick aufgetragen viele Einfälle auch wirken, manche zünden dann doch. 

Insgesamt aber strapaziert die zu lang geratene Geschichte schon bald die Geduld. Der Humor erweist sich als nicht genügend tragfähig, um einen soliden Spannungsbogen entstehen zu lassen. Was die gemächlich dahinplätschernde Komödie verdaulich macht, ist das für Abwechslung sorgende Hin und Her zwischen den einzelnen Episoden, die einem oder mehreren Bewohner*innen folgen. So ist diese Corona-Lockdown-Komödie zwar nicht missraten, verdient aber höchstens das Etikett „ganz nett“.

8 Rue de l’Humanité (2021)

In der Rue de l’Humanite 8 in einem Pariser Apartmenthaus leben sieben Familien, die es beim Ausbruch des Coronavirus nicht mehr geschafft haben, aufs Land zu flüchten. Drei Monate unter dem Lockdown zu leben bringt das Beste, aber auch das Schlechteste der Nachbarn ans Tageslicht.

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Meinungen

Alexa · 07.08.2022

Einmal mehr schaffen es die Franzosen ein eigentlich ernstes Thema mit Leichtigkeit und Humor zu behandeln, ohne auch die emotionale Seite nicht auszulassen. Finde den Film wirklich gelungen. Habe mich stellenweise halb tot gelacht und an anderen Stellen fast geweint.

Sabine Gütte · 14.12.2021

Der Film ist die wundervollste Therapie für mich in der Gegenwart. Seit fast zwei Jahren habe ich meinen Glauben an die menschliche Zivilisation verloren, endlich eine abendliche Therapie : Wie ein Impfstoff an meine Seele, um die Glückshormone über herzerwärmende Lachimpulse produzieren zu erleben. Ich liebe die Franzosen in Ihrem stilvollem Charme und die daraus entstehende überschwappende Lebensenergie. Herzlichen Dank, bitte mehr von dieser Kunst zur Stärkung des Immunsystems. Frohe Weihnacht an Menschen, die ohne Hetze über staatliche Medien gesunden Menschverstand füttern. Lg Sabine aus Deutschland 🙌🤗😍🥰♥️

Dany Boon · 30.10.2021

Das Prädikat "ganz nett" ist sicher nicht verkehrt, jedoch finde ich nicht, dass die Geschichte zu lang und der Klamauk zu platt ist. Eine wirklich goldige Komödie von Meister Boon, der alle Clischees der Pandemie auf's Korn nimmt und gleichzeitig auch zum Nachdenken anregen soll(te). Da sind die Übervorsichtigen wie Dany Boon oder die Verharmloser wie der belgische Vermieter. In der Summe sehr unterhaltsam und mit der Message, dass Corona kein Pillepalle ist und man nur gemeinsam solidarisch durch die Pandemie, Pandemie kommt ;)

Maryam k. · 01.11.2021

Der Film war treffend, Punktlandung auf dem Lachnerv..mit Tatsachen gespickt und ,no no , nicht überzeichnet, da wie eine Dokumentation aus Düsseldorf Pempelfort .....oder ähnliches.