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Darling der Woche

Eine Pionierin des afrikanischen, feministischen Kinos: Sarah Maldoror

Ein Beitrag von Bianka-Isabell Scharmann

Meinungen
Eine schwarze Frau mit Kopftuch
"Sambizanga"

“African women must be everywhere. They must be in the images, behind the camera, in the editing room and involved in every stage of the making of a film. They must be the ones to talk about their problems” – Sarah Maldoror.

Sie war eine Pionierin des militanten Kinos und eine Filmemacherin, die sich vor allem der Sichtbarkeit von afrikanischen Frauen verschrieben hatte. Sarah Maldoror ist am 13. April dieses Jahres an den Folgen einer COVID-19 Infektion im Alter von 90 Jahren verstorben. Zusammen mit der Filmemacherin Safi Faye gilt Sarah Maldoror als eine der Mütter des afrikanischen Films.

 

Aus Durados wird Maldoror

Geboren wurde sie als Sarah Durados in Condom, eine Stadt in Gers, Frankreich, als Tochter einer Französin und eines Emigranten aus Guadeloupe. Ihren Künstlerinnennamen hat sie sich in Anlehnung an Le Chants de Maldoror von Lautréamont gegeben. Lautréamont wiederum ist der nom de plume von Isidore Lucien Ducasse, einem französischen Poeten, der in Uruguay geboren wurde. Schon diese Spur aus Namen legt eine Spur, die sich durch das filmische Schaffen Maldorors zieht. Denn Lautréamonts Maldoror ist eine Figur, die sich von jeglicher konventionellen Moralität abgewandt hat.

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Sarah Maldoror

Sarah Maldoror studierte in den Jahren 1961 – 62 dank eines Stipendiums, zusammen mit ihrem Mann, dem angolanischen Nationalisten Mário Pinto de Andrade, am Moskauer Filminstitut unter Mark Donskoi, einem sowjetischen Filmemacher und Drehbuchautor. Andrade leitete die angolanische Befreiungsbewegung, die im Jahr 1975 die portugiesische Herrschaft beendete. Auf diesen Entkolonisierungskonflikt folgten Jahre des Bürgerkriegs.  

In Russland traf sie außerdem den senegalesischen Filmemacher und Autor Ousmane Sembène, der sich in seinen Arbeiten mit Kolonialismus, Korruption und dem Drängen auf einen sozialen Wandel beschäftigte. Es ist anzunehmen, dass Maldoror unter diesen Einflüssen ihr eigenes filmisches Programm entwickelte.

Nach ihrem Studium sammelte Maldoror erste Erfahrung am Set von Gillo Pontecorvo, an dessen Film The Battle of Algiers (1966) sie beteiligt war. Außerdem arbeitete sie als Assistentin von Ahmed Lallem, einem algerischen Regisseur, über den man nur wenige Informationen finden kann. Nach diesen Stationen begann Maldoror, eigene Projekte zu verwirklichen.

 

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Maldoror’s filmisches Programm

Es ist nicht überraschend, aufgrund der zentralen Rolle, die ihr Mann in der Befreiunsbewegung spielte, dass sich Maldoror genau diesem Konflikt – dem zwischen Angola und Portugal – in ihren ersten Filmen widmete. Monangambée (1968) war ihre erste Arbeit, ein 17-minütiger Kurzfilm und Literaturadaptionen einer Kurzgeschichte des angolanischen Schriftstellers José Luandino Vieira. Der Ausdruck Monangambée beschreibt den Ruf, den die angolanischen Anti-kolonialismus Aktivisten nutzen, um ein Dorftreffen einzuberufen. Im Film geht es um eine arme Frau, die ihren im Gefängnis in Luanda sitzenden Mann besucht. Gedreht mit Amateurschauspieler*innen in Algerien, wurde der Film für die Sektion Director’s Fortnight in Cannes 1971 ausgewählt, um Angola zu repräsentieren.

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Plakat zu Monangambeee © Sarah Maldoror

Am stärksten erinnert wird sie indes für ihren ersten Langspielfilm, Sambizanga (1972), der ebenso wie Monangambée auf der Kurzgeschichte The Real Life of Domingos Xavier von Vieiras basiert. Sambizanga ist der Name eines realen Ortes: ein Arbeiterviertel in Luanda, in dem ein portugiesisches Gefängnis stand, in dem viele angolanische Aktivisten und Rebellen inhaftiert und gefoltert wurden. Domingos Xavier wird zu Beginn des Films inhaftiert. Er wird gefoltert, weigert sich jedoch beständig, die Namen seiner Mitstreiter preiszugeben. Seine Frau Maria, die nicht weiß, was mit ihm passiert ist, sucht nach ihrem Ehemann, läuft von Gefängnis zu Gefängnis. Es ist wiederum die Perspektive der Frauen, die Maldoror hier maßgeblich interessiert. Der Film wurde in Zaire gedreht, das heute in der Demokratischen Republik Kongo liegt.

Wie Monangambée werden die Charaktere in Sambizanga ebenfalls von Amateur*innen gespielt, die gleichzeitig alle aktiv in der Entkolonialisierungsbewegung waren. Bezeichnend ist, dass Xavier von Domingos Oliveira gespielt wurde, einem im Exil lebenden Angolaner und Maria von der Ökonomin Elisa Andrade. 

Sambizanga gibt es kostenlos auf YouTube zu sehen.

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Es geht um die Frauen

Maldoror war als Filmemacherin bis in die 90er Jahre hinein aktiv. Ihr filmisches Programm ist insgesamt jedoch weniger deutlich einer politisch-militanten Agenda verschrieben, als der sensiblen Porträtierung der Lebenswirklichkeit afrikanischer Frauen, verbunden mit einem tiefsitzenden Respekt für die afrikanischen Traditionen. Diese Kombination macht die Radikalität ihrer Vision aus, so die Filmwissenschaftlerin Cynthia Marker über Maldoror. Letztendlich ist es das Persönliche, das Partikulare, das hier universelle Relevanz bekommt und somit eine ganz eigene, politische Position besetzt – das Credo des Second-Wave Feminismus, dem man in dieser Form auch Maldoror zurechnen kann.

Bis heute sind afrikanische Stimmen im globalen Filmmarkt rar. Afrika selbst ist, immer noch, überschwemmt von westlichen Produkten. Gleichzeitig fehlt es weiterhin an Geldern, Filmemacher*innen aus Afrika zu unterstützen. Der Tod von Sarah Maldoror erinnert daran, dass ihr Anliegen, afrikanische Themen, Menschen und Probleme zu repräsentieren, den Zuschauer*innen Möglichkeiten der Identifikation zu geben und vor allem, die zentralen aber übersehenen Beiträge afrikanischer Frauen zur Zivilgesellschaft sichtbar zu machen, weiterhin ausgesprochene Aktualität besitzt.

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