Log Line

Sandra Nettelbeck macht nicht viele Filme. Kann man das Filmemachen verlernen? Mit „Was uns nicht umbringt“ bringt sie einen Reigen der Traurigen und Therapiebedürftigen auf die Leinwand.

Was uns nicht umbringt (2018)

Eine Filmkritik von Harald Mühlbeyer

Traurig, traurig

In „Was uns nicht umbringt“ spielen unter anderem August Zirner, Barbara Auer, Jenny Schily und Christian Berkel mit, und der Film sieht genauso aus wie ein Film mit Christian Berkel, Jenny Schily, Barbara Auer und August Zirner. Um klar zu sein: Die Schauspieler sind sehr gut, die Ensemble-Besetzung gelungen. Aber der Film bietet dabei keine Überraschungen. Weil jeder Darsteller, jede Darstellerin genau das abruft, was er/sie locker und immer abrufen kann. Das geht ihnen leicht von der Hand, da ist auch an sich nichts zu beanstanden – außer die zu große Perfektion, die hier erreicht werden will. Sandra Nettelbeck hatte die Besetzung schon beim Schreiben im Kopf. Und das kann manchmal auch eine Bürde sein für einen Film.

Nettelbecks Film ist eine Art Spin-off ihres großen Erfolges Bella Martha, August Zirners Nebenrolle als Therapeut Max wird hier wieder aufgenommen: Dieser steht im Mittelpunkt eines Reigens der Traurigen, Depressiven, Trauernden, die unter Bindungsängsten und Neurosen und Panikattacken leiden. Lustig schaltet der Film von einer Episode zur nächsten, manchmal nur für ein paar Sekunden, das könnte dynamisch sein, würde nicht zwischendurch die eine oder andere Geschichte vernachlässigt. Ist die Story um die Schriftstellerin, die in ihren Gedanken an den verstorbenen Freund gefangen ist, beim kräftigen Rumjonglieren der Handlungsbälle heruntergefallen?

Die Dialoge sind perfekt. Wohlgesetzt, klug ausgedacht, und genau deshalb allzu künstlich. Einer der wesentlichen Unterschiede zwischen klassischem Theater und klassischem Erzählkino ist ja: Beim Theater gibt es einen festgelegten Text, der immer wieder neu interpretiert wird; beim Film wird das Drehbuch nur für diese eine Inszenierung geschrieben. Wenn nun ein Film so wirkt, als würde der vorgefasste Text so exakt und vollständig wie möglich rezitiert und szenisch umgesetzt, ganz eng an den Gedanken der Vorlage, ohne spontane Abweichungen, mit hundertprozentig korrekt angelegten Bezügen zwischen den Sätzen, zwischen den Szenen und den Figuren, mit vollkommen ausbalancierter Atmosphäre und mit abgerundet durchcharakterisierten Protagonisten: Wenn ein Film so wirkt, dann ist das „theaterhaft“, in der negativsten Bedeutung des Wortes. Nämlich bloße Abbildung eines vorher auswendig gelernten Drehbuchs.

Film muss aber lebendig sein und unvermittelt und natürlich, und das kriegt Nettelbeck hier nicht hin. Wobei: Einen Trick hat sie in ihrem Werkzeugkasten, und wenn sie den einsetzt, dann wird es interessant, dann nämlich kommen wir durch das filmische Mittel der Montage auf das interessante Gebiet der Imagination. Ab und zu nämlich bildet sich für einen Moment eine Parallelwelt, in der dann Ungesagtes gesagt wird und Ungetanes getan wird; da kommen wir den Figuren dann doch nahe, erfahren etwas über sie auf schöne, elegante Weise (und natürlich ist das ein netter Rückbezug auf die Therapiesituation, die ein Leitmotiv des Films ist: Ausleben des Unbewussten und so …)

Naja. Diesen Trick wendet Nettelbeck eine Weile an, und dann vergisst sie ihn für beinahe den Rest ihres ohnehin mit über zwei Stunden zu langen Filmes. So dass wir dann doch wieder diesen traurigen Figuren beim Traurigsein zugucken müssen, wie sie traurig gucken, während traurige Musik spielt. Und die einzigen Einblicke in ihr Innenleben, die der Film gewährt, sind so abgestanden, dass sie gar nicht mehr interessieren. Die Frau, die als Geliebte eines Verheirateten in einem Beziehungsniemandsland steckt, ist spielsüchtig – aber dies nicht als wirkliche Spielsucht, sondern rein funktional, um ihre innere Abgefucktheit zu zeigen. Ein Pilot, dessen Freund sterbenskrank im Koma liegt, der wegen der Familie des Freundes nicht ins Krankenbett darf, hat Flugangst bekommen, weil man muss ja sehen, dass ihm die Situation was ausmacht. Und Barbara Auers Figur Loratta als Ex-Frau des Therapeuten Max hat nicht nur eine 16-jährige Tochter, mit der sie überhaupt nicht zurande kommt, sondern in der Küche auch einen Wasserhahn, der sich immer verdreht, wenn man das Wasser laufen lässt. Und genau hier kommt dann die Idee von Liebe ins Spiel, die Nettelbeck in ihrem Film umtreibt: Dass nämlich der junge Professor, der in Lorettas Leben so gerne eine größer Rolle spielen will, mit einem einfachen Handgriff den Wasserhahn repariert und damit auch Lorettas Leben. Also, ich meine: echt jetzt? So wird diese Metapher aufgelöst: Dass mal ein richtiger Mann rumhantieren muss?

Was uns nicht umbringt (2018)

Als geschiedener Vater von zwei Teenager-Töchtern, mit einer Ex-Frau als beste Freundin, mit zu vielen schrägen Patienten und einem neuen Hund braucht der Psychotherapeut Max keine weiteren Herausforderungen. Aber als Sophie, eine Spielsüchtige mit einem Beziehungsproblem, zu spät zu ihrer Therapiesitzung kommt, gerät seine Welt ins Wanken: Er ist verliebt. Je mehr Max versucht, professionell zu bleiben, desto intensiver verstricken sich ihre Leben ineinander. 

  • Trailer
  • Bilder

Meinungen

Heidi Mc Feeley · 08.04.2021

Der Film ist sprunghaft und nicht immer klar. Trotzdem habe ich ihn genossen. Hochkarätige Schauspieler, zeitweise war ich nah', sehr nah' am Wasser gebaut. Der Film lebt von der Ruhe. Von Gefühlen. Realitätsfern oder nicht: Hier steckt Qualität drin. Und Herz. Und Tiefgang. Und deutsche Wertarbeit. Schwer zu finden bei den alltäglichen Gehirn-Weichspülprogrammen für Anspruchslose. Erst mal nachmachen, bevor es so harsche Kritik hagelt. Mich hat der Film berührt.

Gerald kriechenbauer · 03.12.2018

Der Film ist totaler Unsinn. Es gibt keine durchgehende Handlung. Die handelnden Personen sind durchwegs Chaoten. Der Film ist von jeder Realität weit entfernt. Was homorvoll sein soll, ist einfach nur dumm und nicht wirklich zum lachen. Kein Vergleich zu "Bella Martha". Schade um die Zeit beim Kinobesuch.