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Der Name Bernd Trautmann mag in Deutschland vielen unbekannt sein, in England aber genießt er seit den 1950er Jahren einen legendären Ruf. Regisseur Marcus H. Rosenmüller erzählt die unglaubliche Geschichte des Mannes, der als deutscher Kriegsgefangener nach England kam und zum Fußballhelden aufstieg.

Trautmann (2018)

Eine Filmkritik von Bianka Piringer

Vom deutschen Kriegsgegner zum Fußballhelden

Im Jahr 2007 wählten die Fans des englischen Fußballclubs Manchester City einen 84-Jährigen zum besten Vereinsspieler aller Zeiten. Er hatte von 1949 bis 1964 bei Manchester City im Tor gestanden und war während dieser Zeit zum nationalen Helden avanciert. Der größte Triumph des Torwarts war das englische Pokalfinale 1956 im Londoner Wembley-Stadion, als er 20 Minuten vor Abpfiff gefoult wurde und einen Genickbruch erlitt, aber weiterspielte und der Mannschaft den Sieg sicherte. 2004 erhielt er den Order of the British Empire. Das Unglaubliche an dieser in England unvergessenen Fußballkarriere aber ist, dass der Torwart – er starb 2013 – ein Deutscher namens Bernd Trautmann war, den es 1945 als Kriegsgefangenen nach England verschlagen hatte.

In seinem ersten englischsprachigen Spielfilm erzählt Regisseur Marcus H. Rosenmüller, der mit Nicholas J. Schofield das Drehbuch verfasst hat, diese außergewöhnliche Geschichte über die versöhnende Kraft des Fußballs. Rosenmüller begründete 2006 mit seinem Erstling Wer früher stirbt ist länger tot den neuen bayerischen Heimatfilm mit. Fast alle seine bisherigen Werke haben einen Bezug zu Bayern. In Trautmann ist das anders, bis auf eine anfängliche Szene und wenige kurze Rückblenden spielt die gesamte Handlung in England. Trautmanns Kindheit in Bremen wird nur am Rande erwähnt, Kontakte zu Verwandten oder Freunden in Deutschland pflegt er in dieser Geschichte nicht.

Im Kriegsgefangenenlager muss Trautmann Latrinendienst verrichten, denn der grimmige Leiter, Sergeant Smythe (Harry Melling), findet ihn zu einsilbig, wenn er Auskunft über seine Einsätze als Soldat geben und Schuldbewusstsein zeigen soll. Doch die Rettung naht: Als Trautmann im Hof beim Fußballspiel gerade seinen Mithäftlingen demonstriert, dass er alle Elfmeter halten kann, sieht zufällig der Lebensmittelhändler der Kleinstadt St. Helens, Jack Friar (John Henshaw), zu. Der Mann trainiert die örtliche Fußballmannschaft, die nur noch ein sehr guter Torwart vor dem Abstieg retten kann. Jack leiht sich Trautmann für ein Spiel aus.

Der Aufruhr in der Kabine ist gewaltig, als die Mannschaft erfährt, dass Trautmann ein deutscher Soldat ist. Nur mit Mühe kann Jack verhindern, dass das Spiel platzt. Aber Trautmann liefert und Jack erfüllt ihm den Wunsch, so oft wie möglich aus dem Lager geholt zu werden. Er stellt ihn als Aushilfe für sein Lebensmittelgeschäft ein und zieht damit die Wut seiner Familie auf sich. Tochter Margaret (Freya Mavor) sieht wie so viele in dem Deutschen nur den Feind, wirft ihm vor, ihr eine Jugend in Luftschutzkellern statt auf Tanzpartys beschert zu haben. Bert, wie Trautmann von den Engländern bald genannt wird, aber baut Margarets kleiner Schwester Barbara (Olivia Minnis) ein Paar Stelzen und darüber freut sich das Mädchen. Margaret findet es zunehmend schwierig, den „Nazi“ zu schneiden. Heimlich fühlt sie sich sowieso von Anfang an zu Bert hingezogen, was auf Gegenseitigkeit beruht.

Ist es Margaret, die Bert dazu bewegt, England nicht zu verlassen, als die Kriegsgefangenen schließlich heimgeschickt werden? Nein, der Film betont Berts deutsches Pflichtbewusstsein – er hat Jack sein Wort gegeben, beim Relegationsspiel in der darauffolgenden Woche noch im Tor zu stehen. Bei diesem Spiel sieht der Manager von Manchester City, Jock Thomson (Gary Lewis), zu und macht ihm ein Angebot …

Schon dieser erste Filmabschnitt führt beim Betrachten zu einer gewissen Ernüchterung, an der dann auch die dramatischen Ereignisse in Manchester nicht mehr viel ändern können. Gewiss ist Trautmanns Weg vom öffentlichen Nazi-Buhmann, der in Manchester einen landesweiten Skandal entfacht und körperliche Attacken von aufgebrachten Bürgern befürchten muss, zum bejubelten Helden der Nation einfach großartig. Nur wird seine Geschichte hier so bieder, geradezu pflichtschuldig abgefertigt, dass sie über das Niveau eines TV-Films nicht hinauskommt.

Die Geschichte wirkt aus Versatzstücken zusammengebaut: Bert sagt immer wieder, er habe im Krieg nur seine Pflicht getan, er habe keine Wahl gehabt. Gefragt, wo er so gut Fußballspielen gelernt habe, antwortet er, beim Spielen mit anderen Kindern auf der Straße. Als Jack ihm ins Gewissen redet, er solle doch seiner Tochter Margaret den Spießrutenlauf der Anfeindungen ersparen und sie lieber nicht zur Frau nehmen, hat er sofort ein Einsehen. Margaret setzt sich zwar noch durch, aber die Botschaft ist klar: Was ist dieser ziemlich wortkarge Deutsche doch für ein korrekter, anständiger Mensch!

Die knapp und klischeehaft skizzierten Verläufe lassen die Interaktionen der Figuren gestellt und beinahe angestaubt aussehen. Darin haben sie wiederum Ähnlichkeit mit der Kulissenstraße in St. Helens. David Kross wirkt sehr brav in der Hauptrolle, zurückhaltend im Spiel außerhalb des Fußballfelds. Freya Mavor kann Margaret kaum Konturen geben. Überzeugend teilt sich hingegen die Fußballbegeisterung der Engländer mit, die bald bereit sind, den so erfolgreichen Torwart nicht mehr mit ihren Ressentiments gegen Nazideutschland zu behelligen. Trautmann selbst aber plagen die Erinnerungen an einen kleinen Jungen in der Ukraine, dessen Erschießung er nicht verhindert hat. Auch das wirkt in dieser simplen Form, wie es erzählt wird, wie ein dramaturgisches Pflichtprogramm. Als wollte der Film lediglich beweisen, dass er sich der im Krieg von Deutschen begangenen Gräueltaten bewusst ist und sie nicht verleugnen will.

Filme, die sich legendärer Biografien und Ereignisse annehmen, gehen oft etwas eingeschüchtert auf Nummer sicher, um ja nichts falsch zu machen. Aus diesem Film spricht zu sehr die Absicht, die Möglichkeit der Versöhnung nach dem Krieg, wie sie Trautmanns Geschichte symbolisiert, hervorzuheben und zu feiern. Die Lust am fiktionalen, lebendigen Erzählen hat das Nachsehen.

Trautmann (2018)

In einer Zeit, als eine Annäherung zwischen England und Deutschland in weiter Ferne schien, schaffte es ausgerechnet ein ehemaliges Wehrmachtsmitglied, die Herzen der Engländer zu erobern. Bernd Trautmann, von den Engländern „Bert“ genannt, galt als einer der besten Torhüter der Welt, doch sein Weg in den Fußball-Olymp war steinig. 

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Meinungen

Dr. H.-D. Heilmann · 12.01.2023

Ich finde den Film wegen der Schauspieler sehr sehenswert!

Fußballgott · 15.03.2019

Ganz toller Film. Verstehe die Kritikerin nicht. Entweder haben wir verschiedene Filme gesehen, oder sie hat geschlafen. Zwischen Lachen und Weinen und wieder zurück. Das ist Trautmann. Überhaupt kein Fußballballfilm, sondern eine Liebesgeschichte und eine über Versöhnung. Gerade in unserer Zeit hochaktuell

Judith Metzner · 02.04.2019

Kino vom feinsten. Entweder die Kritikerin hat kein Herz, oder was an den Augen. Im Ernst. Ich habe selten einen Film gesehen, der mich so tief berührt hat. Obwohl i ch mich für Fußball null interessiere.