Suffragette - Taten statt Worte (2015)

Eine Filmkritik von Andreas Günther

Für eine bessere Zukunft

„Wie würde das Leben unserer Tochter aussehen?“ fragt Maud Watts (Carey Mulligan) ihren Mann in Anspielung auf das gemeinsame Kind, das nie das Licht der Welt erblickte. „So wie deins“, entgegnet Sonny Watts (Ben Whishaw) knapp. Eine solche Antwort zu akzeptieren, fällt Maud zunehmend schwer, je klarer ihr das Elend ihres eigenen Lebens vor Augen steht. Die Lage der Frauen muss besser werden, wenn nicht für sie, dann doch für nachfolgende Generationen. Das fesselnde zeitgeschichtliche Drama Suffragette – Taten statt Worte über die ersten Frauenrechtlerinnen ist sich sehr klar darüber, dass die Gleichstellung der Frau ein work-in-progress und bis heute nicht abgeschlossen ist.

Im Mittelpunkt steht der Bewusstseinsprozess der Maud Watts. Es handelt sich um eine erfundene Figur. Doch schildern Regisseurin Sarah Gevron und Drehbuchautorin Abi Morgan, beide erfahren mit sozialen und weiblichen Themen, die Situation der jungen Arbeiterin im England des Jahres 1912 so beklemmend, dass das Anliegen der Suffragetten sich als unabweisbar dringlich in die Netzhaut einbrennt. Die ganz alltägliche Unterdrückung hat dabei ebensoviel Gewicht wie der zum Teil spektakuläre Widerstand dagegen.

Die Hölle der Maud Watts ist die Wäscherei, in der schon ihre Mutter geschuftet hat. Wie zum Hohn gemahnt ihr Name an den Erfinder der Dampfmaschine. Seitdem können die Treibräder der Unternehmen unablässig rotieren. Nicht zufällig ist am Anfang des Films eines zu sehen, das gleichsam den Takt für Maud und die anderen Frauen an den primitiven Maschinen vorgibt. Der Lohn besteht in kargem Geld, giftigen Dämpfen und einem voraussichtlich frühen Tod. Zudem deutet sich an, dass Mauds kümmerlicher Aufstieg zur Vorarbeiterin eine zweifelhafte Kompensation für die sexuelle Ausbeutung durch Wäschereibesitzer Taylor (Geoff Bell) war.

Die Behandlung ihres Sohnes George (Adam Michael Dodd) bringt Maud mit Suffragette Edith Ellyn (Helena Bonham Carter) zusammen, die mit Zustimmung ihres Mannes eine Apotheke führt, gegen den väterlichen Willen keine Ärztin werden durfte und nun für das Frauenwahlrecht als Weg zur Gleichberechtigung kämpft. Doch die Hürden, um überhaupt gehört zu werden, sind hoch. Die eignen Ehemänner bedrohen die mutigen Frauen. Die Bobbies knüppeln sie bei Demonstrationen nieder und stecken sie ins Gefängnis. Inspector Steed (Brendan Gleeson) von Scotland Yard jagt sie als Anarchisten.

Suffragetten-Führerin Emmeline Pankhurst – Meryl Streep in einer Art Gastauftritt – erreicht mit ihren Worten nur die eigenen Anhänger. Eine geknebelte Presse verschweigt sogar die Sprengstoffanschläge der Frauen. So bleibt eigentlich nur der geduldige Kampf um Akzeptanz, in den Carey Mulligan brillant die Dulderhaltung ihrer Figur allmählich überführt. Wie erniedrigend mühselig der ist, zeigt die Schlusstafel mit einer weltweiten Übersicht zum Frauenwahlrecht. Möge dieser Film zu mehr Gleichberechtigung beitragen – und ohne ein Märtyreropfer, wie er es als Schlusspunkt zu benötigen scheint.
 

Suffragette - Taten statt Worte (2015)

„Wie würde das Leben unserer Tochter aussehen?“ fragt Maud Watts (Carey Mulligan) ihren Mann in Anspielung auf das gemeinsame Kind, das nie das Licht der Welt erblickte. „So wie deins“, entgegnet Sonny Watts (Ben Whishaw) knapp. Eine solche Antwort zu akzeptieren, fällt Maud zunehmend schwer, je klarer ihr das Elend ihres eigenen Lebens vor Augen steht. Die Lage der Frauen muss besser werden, wenn nicht für sie, dann doch für nachfolgende Generationen.

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Meinungen

Martin Zopick · 04.03.2023

Regisseurin Gavron hat schon mit BRICK LANE (2007) bewiesen, dass sie es versteht, Frauenthemen behutsam aber eindringlich darzustellen. Für ihre ‘Obersuffragetten‘ hat sie drei ganz Große auf die Leinwand gebracht. Meryl Streep (Emily Pankhurst) gibt nur ein kleines aber überzeugendes Gastspiel, Bonham Carter (Edith Ellyn) ist für die Logistik der Aktionen verantwortlich und Carey Mulligan (Maud) macht mit ihrer Rolle einerseits den Weg in die Frauenproteste deutlich, andererseits verkörpert sie das zentrale Thema: Frauen als Ehefrau und Mutter, die gleichzeitig zeichensetzende Aktionen gegen die Unterdrückung der Frau durchführen. Dabei geraten sie immer wieder in Konflikt mit dem Gesetz. Sarah Gavron lässt die wenigen Vertreter der männlichen Zunft korrekt aber nicht allzu negativ wegkommen, obwohl Mauds Ehemann Sony (Ben Whishaw) auch nur die damals allgemein übliche Meinung vertritt, die mancherorts auch heute noch anzutreffen ist: Frauen sind nur zuständig für Kinder, Küche und eventuell noch Kirche. Kommissar Steed (Brendan Gleeson) tut nur ganz unaufgeregt seine Pflicht und da stören die Mädels nun mal die öffentliche Ordnung.
Dramaturgisch setzt Sarah Gavron auf Spannungssteigerung. Von den überfallartigen Auseinandersetzungen mit der Polizei geht es über Hungerstreik und Zwangsernährung bis zum ersten Opfer Violet Miller (Anne-Marie Duff) auf der Rennbahn in Epsom. Jetzt kann die Öffentlichkeit (inklusive König Georg V.) die Augen vor dem Anliegen der Frauen nicht länger verschließen. Nach der ersten Märtyrerin der Bewegung folgen im Abspann einige Daten über die Einführung des Frauenwahlrechts auf der Welt. Und da sind durchaus Überraschungen dabei. Überzeugend, einfühlsam und preiswürdig. Aus heutiger Sicht schier unglaublich. Es musste halt mal gesagt werden.

wignanek-hp · 05.03.2016

Ein ergreifender Film über ein Stück Zeitgeschichte, das nicht vergessen werden sollte. Unbedingt sehenswert!