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In seiner neuen Regiearbeit „Maestro“ befasst sich Bradley Cooper mit der musikalischen Ikone Leonard Bernstein und dessen (Liebes-)Leben.

Maestro (2023)

Eine Filmkritik von Andreas Köhnemann

Die Frau an seiner Seite

Mit „A Star Is Born“ gelang dem Hollywood-Schauspieler Bradley Cooper im Jahr 2018 ein fabelhaftes Regiedebüt. Die zuvor schon diverse Male erzählte Geschichte über den verblassenden Ruhm eines Mannes und den künstlerischen Durchbruch einer jungen Frau wurde in Coopers Umsetzung – auch dank seiner Leistung in der Hauptrolle und der stimmigen Chemie mit seinem Co-Star Lady Gaga – zu einem berauschenden Film über Liebe und Musik.

Nun meldet sich Cooper, erneut als Regisseur, Co-Autor und in der zentralen Rolle, mit Maestro zurück – einem Biopic über den Komponisten, Dirigenten und Pianisten Leonard Bernstein (1918-1990). Abermals steht dabei eine Love Story im Mittelpunkt. Während es in A Star Is Born der extreme Alkohol- und Drogenkonsum des Helden war, der die geschilderte Beziehung stark belastete, ist es hier vor allem die sexuelle Identität Bernsteins, die in seiner Ehe zu Konflikten führt.

Am Anfang sehen wir Bernstein im hohen Alter am Klavier sitzen, während er für ein Interview gefilmt wird. Alsbald setzt eine lange Rückblende (zunächst in Schwarz-Weiß) ein. Der junge Bernstein erhält einen morgendlichen Anruf: Er soll heute Abend als (Ersatz-)Dirigent in der New Yorker Carnegie Hall auftreten, ohne die Möglichkeit einer Probe. Voller Euphorie stellt sich Bernstein der Herausforderung – und erntet frenetischen Beifall.

Mit dem Klarinettisten David Oppenheim (Matt Bomer) hat der Musiker zu jener Zeit ein romantisches Verhältnis – doch dann lernt er auf einer Hausparty die aufstrebende Broadway-Schauspielerin Felicia Montealegre (Carey Mulligan) kennen. Nach einigen Zeitsprüngen sind die beiden verheiratet und haben erst zwei, dann drei Kinder.

Dass sich Bernstein zu Männern hingezogen fühlt, wird innerhalb der Ehe nicht als großes Geheimnis in Szene gesetzt; es gibt keinen dramatischen Moment der Enthüllung. Dennoch sorgen seine Liebschaften, etwa mit dem attraktiven Tommy (Gideon Glick), für Disharmonie. Als der ältesten Tochter Jamie (Maya Hawke) Gerüchte zu Ohren kommen, wird sie gebeten, diskret zu sein. Irgendwann scheint sich Felicia mit der Situation nicht mehr arrangieren zu können.

Maestro ist ein Zitat Bernsteins vorangestellt, in dem es heißt, die wesentliche Bedeutung eines Kunstwerks liege in der Spannung zwischen widersprüchlichen Antworten, die es provoziere. Dass das von Cooper und Josh Singer verfasste Drehbuch die besondere Beziehung zwischen Bernstein und Felicia nicht klar und deutlich analysiert und uns kein letztgültiges Ergebnis präsentiert, ist somit nur folgerichtig. „Your truth is a fucking lie!“, brüllt Felicia an einer Stelle. Bernstein wiederum erläutert in einem Fernseh-Interview, wie die Diskrepanz zwischen dem nach außen hin geführten Leben und dem Innenleben zu einem schizophrenen Gefühl führen kann.

Die Wortwechsel im Pingpong-Stil, die zwischen dem Paar stattfinden, entwickeln einen eigentümlichen Charme – und lassen uns nachvollziehen, worin die gegenseitige Faszination besteht. Ebenso werden aber auch die Konflikte greifbar, die im Laufe der Zeit entstehen. Die magische Interaktion der Hauptfiguren, die Cooper in seinem Vorgänger zu erzeugen vermochte, stellt sich indes nicht ganz ein – womöglich durch die zahlreichen Auslassungen und Sprünge in der Handlung, die keine ausreichende Dichte und Nähe schaffen. Interessant ist, wie sich Felicia wiederholt in der Position einer Beobachterin wiederfindet. Wir sehen sie (wie auch auf dem Filmplakat) häufig in der Rückenansicht – nachdenklich, (er-)wartend, erduldend.

Auf gestalterischer Ebene ist Maestro ein enormer Genuss. Insbesondere in seinen Schwarz-Weiß-Passagen hat der Film oft die Anmutung eines alten Metro-Goldwyn-Mayer-Dramas. Die Kamera von Matthew Libatique ist überaus dynamisch. Durch fließende Szenenübergänge werden viele Momente originell aufgelöst; in der Montage wird etwa durch Match Cuts ein Rhythmus aufgebaut, der gerade in einem Werk über Musik von entscheidender Bedeutung ist. Eine herrlich absurde Idee ist, wenn bei einem heftigen Ehestreit im Hintergrund durchs Fenster die Thanksgiving-Parade vorbeizieht.

In der ersten Hälfte bewirken surreale Elemente, darunter eine Musical-Einlage, einen gewissen Sog. Später mutet das Werk, nicht zuletzt durch das Stilmittel des überlappenden Dialogs, zuweilen wie ein Robert-Altman-Film an. Wenn Maestro dann gegen Ende von Krankheit und Familienzusammenhalt erzählt, hat er vor allem dank Mulligans Spiel sehr ergreifende Augenblicke, nähert sich jedoch mehr und mehr einem konventionellen Biopic an.

„I want a lot of things“, sagt Bernstein an einer Stelle – und gelegentlich kommt beim Zuschauen der Wunsch auf, dass auch dieser Film noch etwas mehr gewollt hätte. Im Vorfeld wurde Cooper aufgrund der Nasenprothese, die er für den Part trägt, „Jewfacing“ und damit das Bedienen antisemitischer Klischees vorgeworfen. Bernsteins Kinder verteidigen Cooper hingegen. Schade ist allerdings, dass sich Maestro dem Thema der Diskriminierung inhaltlich kaum widmet. Er könne der erste große amerikanische Dirigent werden, wird einmal gesagt – er solle sich aber vielleicht eher „Bern“ statt „Bernstein“ nennen, um seine jüdischen Wurzeln zu kaschieren.

Über das Milieu und dessen Strukturen, die so eine Ansicht heraufbeschwören, erfahren wir wenig. Über Bernstein als Person hätte es eventuell ebenfalls noch mehr zu erzählen gegeben. Seine Angst vorm Alleinsein, die es mit sich brachte, dass er sogar die Badezimmertür stets geöffnet ließ, wird lediglich berührt. Und wenn wir Bernstein kurz vor Schluss als engagierten Lehrer mit Studierenden erleben, stellt sich auch hier der Eindruck ein, dass das Potenzial nicht so recht ausgeschöpft wurde. Die widersprüchlichen Antworten, die Maestro uns bietet, sind reizvoll. Doch Cooper hätte noch mehr Fragen stellen dürfen, um Bernsteins Wesen nachzuspüren.

Gesehen bei den Internationalen Filmfestspielen von Venedig.

Maestro (2023)

Der Film erzählt das nicht einfache öffentliche und private Leben des legendären Komponisten Leonard Bernstein. Der Mann, der als einer der größten Komponisten und Dirigenten aller Zeiten gilt, hatte eine komplexe romantische Beziehung zu seiner Frau Felicia Montealegre Cohn Bernstein. Die beiden teilten dreißig Jahre ihres gemeinsamen Lebens und hatten drei Kinder. Felicia war sich jedoch der vielen Abenteuer ihres Mannes mit anderen Männern bewusst.

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