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Sicario wurde gefeiert, nun kommt mit „Sicario 2“ die unvermeidliche Fortsetzung. Aber kann Stefano Sollima den Weg, den Denis Villeneuve begonnen hat, auch fortsetzen?

Sicario 2 (2018)

Eine Filmkritik von Sonja Hartl

Grenzkriege

Am Anfang steht das Grenzgebiet zwischen den USA und Mexiko. Jede Nacht versuchen hier Menschen auf die andere Seite der Grenze zu kommen: in die USA, geführt von Schleppern, in der Hoffnung auf ein besseres Leben. Längst haben die Kartelle auch die Kontrolle über diesen „Warenfluss“ übernommen, denn Menschen – so ist in Sicario 2 zu lernen – sind längst weitaus gewinnträchtiger als Drogen.

Das ist ein starker Anfang dieser Fortsetzung von Sicario, die nun mittlerweile als Mittelteil einer Trilogie angekündigt wurde, zumal auf ihn eine erste Irritation folgt: Die Menschengruppe wird von Grenzkontrollen erfasst, doch einer flieht vor dem Lichtkegel des Hubschraubers, betet und sprengt sich in die Luft. Ein Islamist, der von Mexiko in die USA gelangen will? Bevor zu viel Zeit mit dieser Frage verbracht werden kann, wechselt der Schauplatz zu einem Supermarkt in Kansas City. Männer gehen hinein in das allabendliche Lebensmitteleinkaufsritual – und sprengen sich selbst in die Luft. Ein Selbstmordattentat in einem US-amerikanischen Markt? Die Regierung ist in heller Aufregung, Aufklärung muss her. Alles muss getan werden. Schauplatzwechsel: Ostafrika. Dort wird ein Mann von Amerikanern festgesetzt und mitgenommen. Er kapert Schiffe im Golf von Somalia – und CIA-Geheimwunderwaffe Matt Graver (Josh Brolin) will wissen, wer ihn bezahlt hat, damit ein bestimmtes Schiff unbehelligt nach Mexiko fahren kann.

Eigentlich wären dieser Zwischenschritt und Ortswechsel gar nicht nötig, Graver liefert die Antworten gleich selbst. Aber hier soll die globale Implikation deutlich werden – und Graver bekommt die erste von sehr vielen Gelegenheiten zu zeigen, wie clever, gerissen und skrupellos er ist: „This is Africa. I can do whatever I want.“ Dann geht es nach Washington. Es muss etwas getan werden, die Regierung ist zu allem bereit, aber sie können keinen offenen Krieg gegen Mexiko führen. Also hat Graver eine Idee: Er zettelt einen Krieg unter den Kartellen an. Dafür muss er Isabel Reyes (Isabela Moner), die Tochter eines sehr einflussreichen Kartellchefs, entführen. Und natürlich braucht er die Hilfe des Sicarios Alejandro (Benicio del Toro). 

Damit sind zwei der drei Hauptfiguren von Sicario wieder vereint, die damals von Emily Blunt gespielte Agentin Kate Mercer indes nicht – und mit ihr fehlt nicht nur eine weibliche Hauptfigur, sondern auch jegliche moralische Ambivalenz und ein naiv-idealistischer Blick von außen, der durch das Geschehen führt. Es geht hier nicht mehr um moralische oder ethische Grenzen, es geht nicht mehr um den Preis, der für diesen Krieg gezahlt wird. Vielmehr ist es die Grundvoraussetzung von Sicario 2, dass der Krieg gegen die Kartelle bereits im vollen Gange ist und niemand Interesse hat, an dieser Situation etwas zu ändern. Der Film an sich macht das bereits sehr deutlich, es wird aber vorsichtshalber auch noch einmal in einem Dialog ausformuliert. 

Weitaus unklarer bleiben da die Motivationen einzelner Figuren. Warum sich beispielsweise der junge Miguel Hernandez (Elijah Rodriguez) einem Kartell anschließt, lässt sich lediglich aus ähnlichen Filmen ableiten. Hier fungiert er als Initiator von Wendungen, als Teil des Spiels, das Sheridan häufig spielt und schon besser gespielt hat: eine Nebenhandlung, die sich erst langsam entwickelt und dann überraschen soll, aber wichtig ist für Wendungen. Er ist hier, in diesem zweiten Teil, vor allem funktional – ebenso wie Isabela. Zunächst einmal weckt sie Vatergefühle bei Alejandro – ausgerechnet die Tochter seines Erzfeindes, der seine Familie ermorden ließ! Das liest sich in einem Drehbuchentwurf bestimmt gut, sonderlich neu ist es indes nicht. Darüber hinaus soll sie Menschlichkeit in einem unmenschlichen Konflikt darstellen, die Aussichtslosigkeit des Lebens der Unschuldigen und natürlich die Härte der sie rettenden Männer unterstreichen, allen voran Alejandros. Damit geht Sicario 2 einen deutlichen Schritt gegenüber seinem Vorgänger zurück, denn auch die zweite weibliche Figur, Catherine Keener als CIA-Vorgesetzte, darf allenfalls ein paar überflüssige Sätze sagen. Stattdessen werden hier Alejandro und Matt Graver als harte Männer inszeniert, die sich bald in einem altbekannten Konflikt zwischen Befehl und Loyalität befinden. 

Es ist erstaunlich, wie wenig Sicario 2 gegenüber seinem Vorgänger einfällt. Das liegt zum großen Teil an dem Drehbuch von Taylor Sheridan, das Wendungen als überraschend verkaufen will, die vor allem bequem sind, um die Spannungskurve scheinbar noch einmal anzuziehen, aber schlecht eingeleitet bis unglaubwürdig und lächerlich sind. Jegliche Tiefe und Dilemmata, die ja in diesem Konflikt stecken, sind allenfalls angedeutet. Stattdessen kann man meilenweit voraussehen, was als nächstes passiert. Und sogar wenn man glaubt, dass der Film diesen Schritt doch nicht gehen kann, weil er so vorhersehbar ist, geht er ihn dennoch. Und noch einen Schritt weiter. Es ist als wäre dieses Drehbuch noch nicht fertig gewesen, als stecken darin Gedanken und Ideen, die gut sind, aber nicht ausgereift. Ein Beispiel ist das Eltern-Kind-Symbol: es wird wieder aufgegriffen, eine Frau, die für die Kartelle arbeitet, bringt ihr Baby mit zu einem Auftrag, ganz am Anfang versucht eine andere Frau, ihre Tochter aus dem Supermarkt zu retten. Aber bei den Figuren, bei denen es darauf ankommt, spielen die Eltern bizarrerweise keine Rolle. 

Doch nicht nur das Drehbuch ist schwach, auch die Inszenierung von Stefano Sollima, ein Regisseur, der u.a. mit ACAB – All Cops Are Bastards, Suburra und Gomorrha seine Genreaffinität bewiesen hat. Der dröhnende Elektroscore von Hildur Guðnadóttir entfaltet niemals die soghafte Wirkung der Musik von Jóhann Jóhannsson. Den Bilder von Dariusz Wolski fehlt die farbgebende Kraft und Klarheit derer von Roger Deakins, so sehr sie sich auch bemühen, mit einigen Drohnen- und Nachtbildern den visuellen Stil des Vorgängers zu kopieren. Sicario 2 soll aussehen und sich anfühlen wie der Vorgänger, jedoch ist er dadurch gebremst und wird allenfalls solides Actionkino. 

Daher bleibt Sicario 2 ein Film der verpassten Chancen. Er deutet an, hochaktuelle und brisante Themen wie Grenzziehungen, Flucht, illegale Migration und Terrorismus zu behandeln – noch dazu in einer zutiefst pessimistischen Sichtweise. Stattdessen aber verweigert er sich Ambiguitäten oder auch nur tieferen Gedanken und beschränkt sich auf knallharte Actionszenen, Blut und Staub. Das ist schlichtweg zu wenig.

Sicario 2 (2018)

„Soldado“ ist die Fortsetzung des 2015 in die Kinos gekommenen Film „Sicario“, in dem es um den eskalierenden Krieg gegen Drogen an der Grenze zwischen der USA und Mexiko geht.

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Meinungen

Britta · 12.08.2018

Ein sehr bedrückender Film. Er kommt etwas ruhig daher und bleibt es auch, bis auf wenige
Szenen. Doch wer sich auf den Film einläßt, wird nicht enttäuscht. Fast jeder Akteur hat mit seinen Problemen zu kämpfen. Rätselhaft bleibt das Ende.
Leider war der Ton im Kino nicht immer gut, schade.