George

Eine Filmkritik von Harald Mühlbeyer

Er wollte doch nur spielen!

Heinrich George spielte in ziemlich vielen Nazi-Propagandaproduktionen mit. Ja, fast ist man gewillt zu sagen: Ungefähr jeder Film, in dem George zwischen 33 und 45 auftrat, transportiert die Ideologie des Regimes. Das lässt sich kaum wegdiskutieren: George war tief im System verstrickt, ließ sich von Goebbels nach oben tragen, ließ seine Popularität für die Propaganda nutzen, liebte die Heimat und lobte Hitler.
Nein: Leugnen lässt sich das nicht. Aber umdeuten, relativieren – und letztlich verharmlosen.
Dies tut Joachim Lang in seinem Bio-Pic George, einem Herzensprojekt von Heinrichs Sohn Götz, einem der größten Stars in Deutschland seit Jahrzehnten – wenn auch nicht so groß wie seinerzeit der Herr Papa. Götz spielt Heinrich – und zugleich den Sohn, in den eingestreuten dokumentarischen Teilen nämlich, in Zeitzeugeninterviews. Und in Szenen der Making-Of-Kamera, die seine persönliche Betroffenheit während der Dreharbeiten verdeutlichen. Etwa in einer Schlüsselszene: Heinrich, gespielt von Götz, im russischen Internierungslager nach der Kapitulation, wie er seinen Sohn umarmt, den kleinen, siebenjährigen Götz. Oder: 1934, Heidelberger Theaterfestspiele unter Goebbels’ Schirmherrschaft: Da sehen wir Götz George, den Schauspieler, wie er für seine Rolle als Heinrich geschminkt wird, der das Kostüm des Götz von Berlichingen trägt – eine seiner Lieblingsrollen und Namensgeber für den kleinen Sohn…

Der Film ist ein Götz-George-Projekt, eindeutig. Ist biographisches Porträt des Vaters, Erforschung der eigenen Familiengeschichte und Versuch der Aufarbeitung der heinrichschen Gesinnung. Und eben: apologetische Verehrung. Dagegen kann zunächst niemand etwas sagen, in einem persönlichen Projekt ist das Subjektive ein Hauptmerkmal. Doch Götz George und Regisseur Joachim Lang bauen in guter alter TeamWorx-Tradition einen Historienblock auf, der verspricht, filmisch eine, wenn nicht die Wahrheit zu vermitteln.

Um das Subjektive zu verbrämen, nutzt der Film das, was Objektivität behauptet: Dokumentarische Szenen mit Zeitzeugen, die Glaubwürdigkeit, die der Star George ausstrahlt, und behauptete Ambivalenz, vorgebliche Ausgeglichenheit der Argumente. Die aber ist bei genauem Blick nicht gegeben.

Manipulativ sehr geschickt zeigt Lang die Vorwürfe gegen Heinrich George sehr offen, belegt sie auch mit Film- und Tonausschnitten, in denen der Film- und Theaterstar offen für Hitler, für die Nazis wirbt. Dann aber, im nächsten Moment, relativiert Lang die Aussage, nimmt sie zurück oder deutet sie zugunsten Georges um. Dass der sich mit Goebbels einließ: Er wollte doch nur spielen! Beispielsweise den Faust, in dem der Teufelspakt explizit geschildert ist… Dass er Radioreden pro Hitler hielt: Er hatte halt nie das Zeug zum doppelzüngigen Reden, war eben ein Hitzkopf! Dass die Russen ihn verhören und des Verbrechens gegen die Menschlichkeit anklagen: Da ist doch die Verurteilung von vornherein abgesprochen! Und: Oh, wie hat er jüdischen Mitarbeitern geholfen! Die Karriere, die ihm Goebbels auf dem Silbertablett servierte, nahm er – so der Film – nur, um bedrängten Freunden zu helfen, und in Propagandafilmen wollte er ohnehin eigentlich gar nicht mitspielen, aber was soll man machen…? Goebbels selbst erklärt im Film, in Jud Süß habe George ja auch nur Dienst nach Vorschrift geschoben. (Wer diesen berüchtigten Film gesehen hat, weiß, dass dies nun wirklich nicht stimmt … Georges ganze Präsenz, seine ganze raumgreifende Kraft und Energie steckt im König von Württemberg unter der Regie von Veit Harlan, dem größten filmischen Diener des Regimes, mit dem George oft und gern drehte…)

Richtig perfide wird das, wenn die Zeugenaussage von Ernst Stahl-Nachbaur, einem Mitarbeiter Georges, im russischen Verhör gezeigt wird: Der dem Angeklagten vorwirft, bedingungslose Hitlerlobhudeleien von sich gegeben zu haben. Im Umschnitt: Stahl-Nachbaurs Tocher in einem späteren Interview, in dem sie diese Aussage des Vaters entwertet: „So etwas sagt man doch nicht über einen Freund!“

Insbesondere die Russen sind die eigentlichen Antagonisten des Films. Die Amerikaner etwa lassen nach der deutschen Kapitulation Heinrichs Familie – die Ehefrau und die Kinder Jan und Götz – sogar im Keller des beschlagnahmten Hauses wohnen, bieten eine Unterkunft im harten Winter 1945/46. Die Russen dagegen verhören George ohne juristische Grundlage – behauptet George –, sie erpressen Geständnisse mit Gewalt und misshandeln Gefangene – die, wohlgemerkt, Wochen vorher noch todbringende Feinde im Krieg waren. Und vor allem: Sie nutzen die Konzentrationslager der Nazis weiter, ohne jeden Unterschied – suggeriert der Film. Und „vergisst“ zu sagen, dass vor 1945 vollkommen Unschuldige eingesperrt, gefoltert und getötet wurden; nach 45 aber wurden immerhin die inhaftiert, die im Verdacht standen, stramme Nazis und damit Schuldige zu sein; und sie wurden „nur“ eingesperrt, nicht willkürlich gekillt, auch wenn Heinrich George schließlich 1946 im Lager Sachsenhausen an körperlicher Schwächung starb.

George

Heinrich George spielte in ziemlich vielen Nazi-Propagandaproduktionen mit. Ja, fast ist man gewillt zu sagen: Ungefähr jeder Film, in dem George zwischen 33 und 45 auftrat, transportiert die Ideologie des Regimes. Das lässt sich kaum wegdiskutieren: George war tief im System verstrickt, ließ sich von Goebbels nach oben tragen, ließ seine Popularität für die Propaganda nutzen, liebte die Heimat und lobte Hitler.
  • Trailer
  • Bilder

Meinungen