Big Little Lies (TV-Serie, 2017)

Eine Filmkritik von Silvy Pommerenke

Supermoms auf Abwegen

Vor der malerischen Kulisse des kalifornischen Monterey findet ein Mord statt. Wer aber warum umgebracht wurde, erschließt sich erst im Laufe der sieben Folgen der neuen HBO-Serie Big Little Lies. Besetzt mit Nicole Kidman und Reese Witherspoon, verspricht es nicht nur eine spannende, sondern auch stilvolle Umsetzung eines Bestsellers zu werden.

Big Little Lies ist die Verfilmung des gleichnamigen Romans der australischen Autorin Liane Moriarty (deutscher Titel Tausend kleine Lügen), mit dem sie 2014 äußerst erfolgreich war und die New-York-Times-Bestsellerliste anführte. HBO hat daraus nun eine Mini-Serie mit sieben Folgen gemacht, die – wie fast alle Serien aus dem Hause HBO – mit ungemeinem Suchtfaktor aufwartet. Vom Original-Schauplatz Australien wird die Handlung an die Westküste der USA übertragen. Es geht um Schuld und Unschuld, um Verdächtigungen, Wahrheit und Lügen, um Gewalt hinter den vermeintlich schönen Fassaden, um Generationenkonflikte, um das Erwachsenwerden, um Scheidungen und alles, was das Leben sonst noch so ausmacht. Und natürlich um Mord.

In mehreren Erzählebenen wird der Todesfall analysiert, der sich auf der Spendengala der öffentlichen Schule ereignet hat. Unter Verdacht stehen Celeste (Nicole Kidman), Madeline (Reese Witherspoon) und Jane (Shailene Woodley). Erste, Rechtsanwältin im Ruhestand, leidet unter der häuslichen Gewalt ihres Mannes, von der aber niemand aus dem Umfeld etwas mitbekommt. Zweite, ein Hitzkopf, wie er im Buche steht, zeichnet sich dadurch aus, dass sie permanent wütend ist und ihre Umwelt damit terrorisiert („Ich bin liebend gerne nachtragend – ich halte meine Wut wie ein Haustier!“). Auch ihr jetziger Mann Ed hat so seine Probleme mit Madeline. Nur die Kleinste im Hause, Chloe, ignoriert sämtliche Stressfaktoren der Familie und ist Miss Coolness in Person. Ein running gag ist ihr politisch korrektes Verhalten (sie ist gerade erste eingeschult worden!), vor allem, wenn sie statt „man“ immer „Frau“ sagt. Und die letzte im Bunde, die alleinerziehende Mutter Jane, sorgt sich um ihren Sohn Ziggy (im Hintergrund erklingt Ziggy Stardust von David Bowie), der durch Handgreiflichkeiten gegenüber seiner Mitschülerin Annabella aufgefallen ist und nun von Eltern und seinen Mitschülerinnen gemobbt wird.

Neben diesem Dreiergespann gibt es außerdem noch die Vorstandsfrau Renata (Laura Dern), die in ihrer riesigen Villa inklusive Meerblick lebt und wie eine Helikoptermutter über ihrer Tochter Annabella schwebt. Zu guter Letzt taucht auch noch Bonnie (Zoë Kravitz) auf, die mit veganer Gelassenheit versucht, alle Streitigkeiten mit einem leisen ohmmm zu beseitigen. Alle Frauen vereint, dass ihre Kinder auf die gleiche Schule gehen. Außerdem vereint sie, dass jede von ihnen kleine und große Geheimnisse hat. Aber nicht nur diese Frauen geraten in den Fokus der Mord-Ermittlungen, sondern ganz Monterey scheint sich in einem Konstrukt von Lügen und Geheimnissen verstrickt zu haben und dadurch verdächtig zu sein. Dabei ist Detective Adrienne Quinlan (Merrin Dungey) nicht nur mit der Lösung des Falles beschäftigt, sondern vor allem damit, ihr Zippo-Feuerzeug ständig auf- und zuschnappen zu lassen, so dass die ganze Serie von dem Geräusch des Zippos begleitet wird. Und wie mit Perlen an einer Klang-Schnur, wird der Zuschauer dabei peu à peu der Lösung entgegengeführt.

Neben Rückblenden, Traumsequenzen und Flashbacks gibt es eine Erzählebene, die die Entstehungsgeschichte der verschiedensten Konfliktherde zwischen den Frauen und ihrem Umfeld schildert, und eine weitere Ebene, in der Detective Adrienne bei der Klärung des Mordfalls gezeigt wird. Und mit jeder der sieben Folgen werden durch die unterschiedlichsten Blickwinkel auf die Probleme die Figuren transparenter und nehmen immer mehr Formen an. Dabei bekommt die weibliche Solidarität einen großen Stellenwert, und auch wenn die männlichen Figuren ein wichtiges und individuelles Gegengewicht zu den weiblichen bilden, so bleiben sie doch eher eine Randnotiz.

Bis kurz vor dem Ende der letzten Folge ist völlig unklar, wer umgebracht wurde und wer der Täter oder die Täterin ist. Es gibt zu viele Optionen und Verdächtige — und dann kommt das Ende doch wieder einmal völlig überraschend. Schlussendlich werden die Zuschauer mit einem letzten Geräusch entlassen: dem Schnappen des Zippos – somit ist der Übergang zu einer möglichen zweiten Staffel geöffnet.

Die Serie wurde 2017 für sechzehn Emmys nominiert, wovon sie sechs Siege davongetragen hat. Sie wurde zur besten Mini-Serie des Jahres gekürt, außerdem erhielt Nicole Kidman — die zugleich mit Reese Witherspoon Produzentin der Serie war — als beste Hauptdarstellerin einen Preis, sowie Jean-Marc Vallée für die beste Regie. Auch beim Television Critics Association Award erhielt Big Little Lies in der Kategorie „Bester Fernsehfilm, Miniserie und Special“ eine Auszeichnung.

Neben den schönen Menschen, der schönen Landschaft und den stylischen Wohnungen zeichnet sich Big Little Lies auch durch einen exzellent ausgewählten Soundtrack aus. Allein der Titelsong Cold Little Heart von Michael Kiwanuka ist es wert, in Endlosschleife gehört zu werden. Aber auch bei der Auswahl der anderen Songs wurde ein sicheres Händchen bewiesen. Neben Bloody Mother Fucking Asshole von Martha Wainright finden sich Soul- und Blues-Stücke von Leon Bridges, Naomi Shelton oder Otis Redding. Die Musik nimmt somit einen hohen Stellenwert ein. Was sich auch innerhalb der Serie dadurch auszeichnet, dass sämtliche Haushalte in Big Little Lies über Bluetooth-Anlagen verfügen und ein kleiner Wischer über das Smartphone die coolste Musik über Highend-Anlagen erklingen lässt. Willkommen im Zeitalter der digitalen Akustik.

Die Features auf den DVDs sind allerdings sehr sparsam ausgefallen. Es gibt lediglich ein knapp zehnminütiges „Hinter den Kulissen“ und jeweils zwei Minuten Zusatzmaterial zu den einzelnen Folgen. Hier hätte es gerne ausführlicher sein dürfen.
 

Big Little Lies (TV-Serie, 2017)

Vor der malerischen Kulisse des kalifornischen Monterey findet ein Mord statt. Wer aber warum umgebracht wurde, erschließt sich erst im Laufe der sieben Folgen der neuen HBO-Serie „Big Little Lies“. Besetzt mit Nicole Kidman und Reese Witherspoon, verspricht es nicht nur eine spannende, sondern auch stilvolle Umsetzung eines Bestsellers zu werden.

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