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Ein gequälter Mann zieht sich in eine einsame Berghütte zurück und unternimmt eine Reise durch seine inneren zerklüfteten Seelenlandschaften. Was er dort vorfindet, ist ebenso verheerend wie banal.

Siberia (2020)

Eine Filmkritik von Joachim Kurz

​​​​​​​Altmeisterlich-altbackene Seelennabelschau

Mit alten Meistern ist das ja so eine Sache. Einerseits haben sie mit Sicherheit große Verdienste erworben, andererseits kann man aber auch nicht umhin, einigen verdienten Recken der Filmkunst zu wünschen, dass sie sich alsbald aufs wohlverdiente Altenteil zurückziehen mögen. Und genauso verhält es sich auch bei Abel Ferrara, dessen letzter Spielfilm „Tommaso und der Tanz der Geister“ kürzlich in den deutschen Kinos gestartet ist. „Siberia“ heißt nun bereits der neue Film des Regisseurs und — dies gleich vorab — allzu viel verbindet die derzeitige Schaffensphase Ferraras nicht mehr mit der Wucht früherer Tage. War „Tommaso“ bereits eine überwiegend autobiographisch geprägte Nabelschau der eigenen Befindlichkeiten, so setzt sich „Siberia“ nun erneut mit den inneren Dämonen auseinander, unter denen Willem Dafoe als Alter Ego Ferraras leidet.

Dieser Mann namens Clint hat sich von der Welt zurückgezogen, in eine Hütte in den Bergen Kanadas, wo die Winter unendlich lang und eisig sind. Dort betreibt er eine Mischung aus Hütte und Café, wo aber durch die Abgeschiedenheit nur selten Gäste auftauchen, was insgesamt wie der schlechteste Businessplan der Welt klingt. Aber vermutlich, so ahnt man schnell, will Clint vor allem auch seine Ruhe haben. Denn er ist ein gebrochener Mann, der mit seinen vielfältigen Dämonen ringt und der schließlich zu einer Reise aufbricht, die ihn in die Tiefen seines inneren Selbst führt. Dort begegnet er nicht nur sich selbst, sondern auch all den Menschen, die sein Leben geprägt haben — im Guten wie im Schlechten.

Wie kann es gelingen, Träume und innere Welten zu verfilmen — dies war eine der zentralen Fragen, die Abel Ferrara zu Beginn seiner filmischen Selbsterkundung beschäftigten. Davon mal ganz abgesehen, dass diese Fragestellung keineswegs neu ist, sondern wohl eine der ältesten überhaupt in der Filmgeschichte, fallen seine Ergebnisse zwar streckenweise visuell beeindruckend aus, sind aber derart vage assoziativ zusammenmontiert und zudem mit sehr viel pathetischer Pseudophilosophie unterlegt, dass es an mehr als nur einer Stelle unfreiwillig komisch wird. Zudem sei es ihm auch darum gegangen, die eigenen Ängste, das Bedauern über Vergangenes und das Nostalgische in Bilder zu fassen. Allerdings darf man sich auch hier nicht allzu viel Tiefschürfendes erwarten — außer vielen nackten Brüsten, abstrusen Dialogen und banalen Erkenntnissen, die dem Publikum weder Clint noch den Filmemacher selbst nahebringen, geschweige denn verständlich oder gar sympathisch machen.

Siberia verirrt sich irgendwo im Niemandsland zwischen Jack London und C.G. Jung auf einem Trip, auf dem ihm nur eingefleischte Ferrara-Fans folgen werden. Alle anderen, so steht zu vermuten, lässt dieser Film bestenfalls ratlos, viel eher aber wohl zutiefst gelangweilt zurück.

Siberia (2020)

Clint (Willem Dafoe) ist ein vom Leben gezeichneter Mann. Um endlich seinen inneren Frieden zu finden, hat er sich in eine einsame Hütte in den verschneiten Bergen zurückgezogen. Dort betreibt er ein kleines Café, in das sich nur selten Reisende oder Einheimische verirren. Aber selbst in der Abgeschiedenheit findet Clint keine Ruhe. Eines schicksalhaften Abends bricht er mit seinem Hundeschlitten auf, getrieben von der Hoffnung, sein wahres Ich zu finden. Eine Reise durch seine Träume, Erinnerungen und Fantasien beginnt.

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