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Scott Cooper hat den historischen Roman The Pale Blue Eye verfilmt und dafür einiges an Prominenz versammelt. Das reicht jedoch nicht für einen guten Film.

Der denkwürdige Fall des Mr. Poe (2022)

Eine Filmkritik von Teresa Vena

Alles andere als denkwürdig

Regisseur Scott Cooper („Feinde — Hostiles“) hat eine Affinität für Spannungsfilme und Kriminalgeschichten. Jetzt verfilmt er den historischen Roman The Pale Blue Eye des US-amerikanischen Autors Louis Bayard, der 2003 erschien. Im Englischen trägt der Film den gleichen Titel wie der Roman, im Deutschen hingegen heißt er „Der denkwürdige Fall des Mr. Poe“ und weckt Erwartungen, die sich in der Folge nicht erfüllen.

Dieser Mister Poe, der den Schriftsteller Edgar Allen Poe in jungen Jahren darstellen soll, steht nicht im Zentrum des in der Geschichte verhandelten Falls. Ob man Poe als Hauptfigur ansieht, lässt sich diskutieren. Die Zweifel daran werden vermutlich vor allem dadurch bestärkt, dass dieser Poe im Grunde eher farblos gezeichnet ist. Das liegt an den voraussehbaren Zeilen, die der Darsteller zu sprechen hat und die Harry Meiling mit affektierter Art vorträgt. Meiling hat nämlich die Aufgabe, dem Film eine schwarzhumorige Nuance zu geben. Das gelingt aber nicht, wirkt er beim Versuch doch schlicht zu bemüht.

Auch auf der Ebene von Christian Bale, der den Ermittler Augustus Landor spielt, gibt es Versuche des Regisseurs, ein wenig Humor ins Spiel zu bringen. So gibt sich der etwas verstrubbelte, leicht schwerfällige Mann immer wieder kratzbürstig. Bereits in den ersten Szenen des Films, als er von einer Delegation zu Hause abgeholt wird, fragt er: „Was, wenn ich nicht mitkommen will?“ Die Männer antworten: „Wir würden es begrüßen, wenn sie es täten.“ Landor: „Eine Fahrt in der Kutsche ist zu dieser Jahreszeit ja auch schön.“ Bei der Ankunft in der Militärakademie, wo die besagte Fahrt führt, wird Landor ein Kaffee angeboten. Er kontert: „Ich gebe mich mit Bier zufrieden“. Witz ist bekanntlich Geschmacksache. Was die Landor-Figur betrifft, endet er aber weitgehend in diesen Beispielen. In der Folge prägt den Film vornehmlich eine fantastische und mysteriös-spannungsgeladene Stimmung. 

Den Fall, den Ermittler Landor untersuchen soll, spielt sich unter den Kadetten einer Militärakademie ab. Der Kadett Fry wurde eines Morgens an einem Baum aufgehängt gefunden. Aus der Pathologie hat man ihm in der Nacht sein Herz herausgeschnitten. Kurz darauf gibt es einen neuen Toten und einen neuen Herzraub. Ist es das Werk eines Verrückten? Was will er mit dem Herzen dieser jungen Männer? Ist es Rache, ein Verbrechen aus Leidenschaft oder Teil eines satanistischen Rituals? Regisseur Cooper bemüht sich, die Zeit um 1830, in der die Geschichte im Roman spielt, greifbar zu machen. Dafür konzentriert er sich auf wenige Schauplätze. 

Da die Militärakademie weit außerhalb einer städtischen Umgebung situiert ist, ist es einfacher, die Illusion aufrechtzuerhalten, dass man sich im 19. Jahrhundert befindet. Das Augenmerk liegt somit auf den Inneneinrichtungen und den Kostümen. Dabei dominiert eine dunkle Farbgebung von Schwarz- und Brauntönen. Schwere Holzmöbel, Kerzenlicht, enge Räume und Bücher mit dicken Ledereinbänden und gelblichen Seiten gestalten die Szenen aus und unterstützen den morbiden Charakter der Erzählung. Unübersehbar ist die Geschichte inhaltlich genauso wie eben visuell an Edgar Allen Poe und sein Werk angelehnt. Aus der Figur von Poe selbst allerdings holt der Film zu wenig heraus. Er wird als Dichter mit romantischer Ader gezeichnet, als ein leidenschaftlicher junger Mann, der an einem moralischen Scheideweg steht. 

Hier fehlt eindeutig der Mut, Poe als den maßlosen Egozentriker und Egomanen zu porträtieren, der er war. Oder zumindest hätte es mehr Reibungspunkte gebraucht, um aus dem Charakter wirklich einen spannenden zu machen. Auch keine andere Figur sticht diesbezüglich heraus. Christian Bale erfüllt seine Aufgabe solide, das gleiche gilt für Toby Jones als überforderten Pathologen und liebenden Familienvater. Eher enttäuschend ist dagegen Gillian Anderson in der Rolle der Ehefrau des Pathologen, zieht sie doch ein paar mal eine Grimasse und bleibt ansonsten farblos. Völlig zur Alibibesetzung wird schließlich noch Charlotte Gainsbourg, die die Barfrau spielt und mit der Landor-Figur eine Affäre anfängt. 

Die Qualität eines Films hängt zu einem Gutteil von der der verwendeten Vorlage ab. Eine prominente Besetzung reicht da nicht für eine Aufwertung. Sieht man sich Der denkwürdige Fall des Mr. Poe als kurzzeitige Unterhaltung an, wird man sich zufriedengeben können, zu mehr reicht es nicht.

Der denkwürdige Fall des Mr. Poe (2022)

An der Militärakademie West Point soll ein lebensüberdrüssiger Ermittler im Jahr 1830 diskret den grausamen Mord an einem Kadetten aufklären. Da ihn der Schweigekodex der Kadetten bei seinen Ermittlungen behindert, beauftragt er einen von ihnen, ihm bei der Lösung des Falls zu helfen – einen jungen Mann, der später als Edgar Allan Poe Berühmtheit erlangt.

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