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In Scott Coopers bildgewaltiger Westernerzählung soll Christian Bale als hochdekorierter US-Soldat einen von ihm verhassten Häuptling und dessen Familie in ihr Heimatterritorium überführen. Meint es der Film mit seinem Bestreben um Völkerverständigung ernst?

Feinde - Hostiles (2017)

Eine Filmkritik von Christopher Diekhaus

Reise zu neuer Erkenntnis

Dezidiert amerikanische Themen und Befindlichkeiten scheinen auf Filmemacher Scott Cooper eine besondere Anziehungskraft auszuüben. In seinem Regiedebüt Crazy Heart skizzierte der frühere Schauspieler das Leben eines gealterten Country-Musikers. Auge um Auge tauchte in die Misere des sogenannten Rust Belt ein, einer einst blühenden Industrieregion im Nordosten der USA, die ab den 1970er Jahren rapide an Bedeutung verlor. Black Mass befasste sich mit dem aus Boston stammenden Schwerverbrecher James J. Bulger. Und Coopers jüngster Streich „Feinde – Hostiles“ nimmt die nordamerikanische Geschichte, konkreter das Verhältnis zwischen den Ureinwohnern und den weißen Kolonisatoren ins Visier.

Im Jahr 1892 erhält der kurz vor seiner Pensionierung stehende Captain Joseph J. Blocker (Christian Bale) von höchster Stelle die Weisung, den inhaftierten, krebskranken Cheyenne-Häuptling Yellow Hawk (Wes Studi) und dessen Familie von New Mexico in ihr Stammesgebiet nach Montana zu überführen. Zunächst lehnt der hochdekorierte Soldat den Auftrag verärgert ab, da der Gefangene als Schlächter verschrien ist und mehrere Kameraden Blockers getötet hat. Als sein Vorgesetzter (Stephen Lang) jedoch mit der Streichung seiner Rente droht, willigt der Captain zähneknirschend ein und bricht nur wenig später mit einer kleinen Mannschaft zu der gefahrvollen Reise auf. Unterwegs nimmt man die traumatisierte Rosalee Quaid (Rosamund Pike) in Obhut, deren Ehemann und Kinder erst kürzlich von Komantschen brutal ermordet wurden. Obwohl es immer wieder zu Spannungen kommt, nähert sich Blocker Yellow Hawk während des Ritts langsam an.

Das Bemühen um eine differenzierte, kritische Darstellung kann man Cooper keineswegs absprechen. Mehr als einmal werden die Verbrechen an den Ureinwohnern Nordamerikas explizit erwähnt. Der Cheyenne-Häuptling und sein Gefolge behalten ihre eigene Sprache. Und Captain Blocker ist kein klassischer Held mit einer strahlend weißen Weste, sondern ein hasserfüllter Mann, der anfangs mit seinem Vertrauten Thomas (Rory Cochrane) auf denkbar unangenehme, geradezu lächerliche Weise in Erinnerungen an die guten, alten Kriegszeiten schwelgt. Native Americans sind für ihn vor allem wilde Teufel, weshalb er selbst eine entflohene, wehrlose Apachen-Familie denkbar brutal behandelt. Dass ausgerechnet er damit betraut wird, seinen Erzfeind Yellow Hawk in die Freiheit zu geleiten, wirkt sicherlich etwas konstruiert, bietet Coopers nach einem unveröffentlichten Manuskript von Donald E. Stewart entstandenen Drehbuch aber die Möglichkeit, die problembelasteten Beziehungen der unterschiedlichen Kulturen genauer zu untersuchen und sich ausgehend davon für eine Völkerverständigung stark zu machen.

Bei allem guten Willen fällt jedoch auf, dass der imposant gefilmte, in abwechslungsreichen Landschaften spielende Western den Kolonisatoren letztlich viel mehr Aufmerksamkeit schenkt als den Kolonisierten. Im Zentrum steht der von Christian Bale eindringlich verkörperte Armeeangehörige, über dessen Vergangenheit man sukzessive mehr erfährt, während die Charakterisierung Yellow Hawks fast nur auf Zuschreibungen anderer Personen beruht. Das Innenleben des sterbenskranken Cheyenne-Anführers und seiner Familienmitglieder ergründet Feinde – Hostiles, wenn überhaupt, nur sehr oberflächlich, was dem Versuch, ausbalanciert zu erzählen, spürbar zuwiderläuft. Wie so oft ist es die weiße Perspektive, die das Geschehen dominiert. Und noch dazu betont Cooper trotz Blockers blutiger Vergangenheit und seines ruppigen Auftretens zunehmend seine ehrliche, anständige Seite. 

Nicht viel anzufangen weiß der Regisseur darüber hinaus mit den im Film auftauchenden Frauen. Den Ureinwohnerinnen Elk Woman (Q’orianka Kilcher) und Living Woman (Tanaya Beatty) weist das Skript eine Statistenrolle zu. Im Vergleich kommt die Siedlerin Rosalee Quaid zwar öfters zu Wort, steckt aber ihrerseits in einem klischeebeladenen Opferpart fest. Mit voller Kraft darf Rosamund Pike den Schmerz der Witwe in die Landschaft hinausschreien. Ihre Figur überwindet allerdings erstaunlich schnell das Trauma der Ermordung ihrer Liebsten und definiert sich im weiteren Verlauf stark über den zupackenden Blocker. 

Coopers Inszenierungskünste, die etwa den Komantschen-Angriff zu Beginn oder das eskalierende, den destruktiven amerikanischen Individualismus geißelnde Finale mit reichlich Spannung aufladen, lassen eine dichte Western-Atmosphäre entstehen, täuschen jedoch nicht über die inhaltlichen Versäumnisse hinweg. So löblich es gerade mit Blick auf das aktuelle, durch Donald Trump vergiftete Klima auch sein mag, dass Feinde – Hostiles von einer Annäherung zwischen ehemaligen Gegnern erzählt, so schade ist es, dass sich die Macher nicht dazu durchringen können, beiden Seiten gleich viel Raum zu gewähren.

Feinde - Hostiles (2017)

1892 in New Mexico: Der schon zur lebenden Legende gewordene Captain der US-Army Joseph J. Blocker übernimmt vor seinem Ausscheiden aus der Armee eine letzte Mission: Er soll den sterbenden Häuptling der Cheyenne Yellow Hawk und dessen Familie zurück zum geheiligten Land des Stammes führen. Nach mehr als 20 Jahren eines erbitterten Krieges zwischen der Army und den Cheyenne ist dies ein Akt der Achtung und Höflichkeit. Doch die Reise erweist sich als finaler Überlebenskampf zweier kampferprobter Männer, die beide auf ihre je eigene Weise nach Frieden und Ruhe suchen.

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Meinungen

Martin Zopick · 16.10.2021

Ein seltener Edelstein unter den Neowestern. Hier werden oftmals nur die Auswirkungen von überbordenden Gräueltaten wie Vergewaltigungen gezeigt, neben ergreifenden Emotionen, die so eine noch tiefgehendere Wirkung erzielen. Beide Aspekte werden dann durch niveauvolle Dialoge und ständig steigender Spannung zu einem überraschenden und doch zufriedenstellenden, optionalen Happy End geführt.
Captain Joe Blocker (Christian Bale), war früher einmal nicht gerade ein Freund der Indianer. Jetzt soll er als letzten Auftrag den kranken Häuptling Yellow Hawk (Wes Studi) und seine Familie nach Montana begleiten. Unterwegs treffen sie auf Rosalee Quaid (Rosamunde Pike), deren Familie von den Komantschen umgebracht wurde. Kurze Seelenpflege für alle bei Lagerfeuerromantik, bis die Realität wieder gnadenlos zuschlägt. Der Trupp wird von weißen Trappern überfallen, die Frauen vergewaltigt. Und zwar sowohl Rosalee als auch die Frau des Häuptlings Elk Woman (Q’orianka Kilcher). Weiße und Rothäute werden gleichermaßen zu Leitragenden. In Gesprächen unter den Soldaten als auch beim Dinner der Offiziere werden die Vergehen der Weißen an den Indianern von allen rückhaltlos kritisiert. Zwischen Joe und Rosalee entwickelt sich allmählich ein Vertrauensverhältnis, das durch das warmherzige Cameo von Leutnant Ross (Peter Mullen) noch vertieft wird. Auch das Verhalten zwischen Elk Woman und Rosalee, sowie das zwischen Yellow Hawk und Joe bekommt menschliche Züge des gegenseitigen Verstehens. Der Häuptling ‘Danke für deine Güte. Dein Geist ist für immer in meinem Innern.‘ Später erwidert Joe ‘Ein Teil von mir stirbt mit dir.‘
Rosamunde Pike beweist hier wieder einmal ihre schauspielerische Wandlungsfähigkeit: nach der Welt der Jane Austen, in die Welt der griechischen Mythologie, wo sie ganz handfest und brachial gegen den Zorn der Titanen kämpft und jetzt im Wilden Westen.
Der Plot findet seinen dramaturgischen Höhepunkt, wenn beim Begräbnis von Yellow Hawk ein weißer, rassistischer Großgrundbesitzer Joes Truppe von seinem angeblichen Land zu vertreiben versucht, obwohl Joe ein Schreiben des amerikanischen Präsidenten vorweisen kann. Alle Beteiligten zielen mit Colt und Gewehr auf einander…
Für das Ende hat Newcomer Regisseur Scott Cooper noch ein Schmankerl für Happy End Fetischisten: lange Einstellung von Joe und Rosalee am Bahnhof: fast wortlos, nur Sphärenklänge, Rosalee verdrückt ein Tränchen. Die Zuschauer suchen die Taschentücher…