Log Line

Eine Gruppe waffenstarrender Charakterschablonen will 200 Millionen Dollar aus dem Zombie-verseuchten Las Vegas bergen. In Zack Snyders „Army of the Dead“ steht die Freude am ästhetischen Gewaltexzess im Vordergrund. Und tatsächlich ist das bestes Entertainment.

Army of the Dead (2021)

Eine Filmkritik von Christian Neffe

Knarren, Zombies und ein Tiger

Selber schuld, könnte man meinen, wenn man als Militär nur eine Handvoll Soldaten, die wahrlich nicht die hellsten Kerzen auf der Torte sind, mit dem Transport einer neuen, supergeheimen Biowaffe betreut. Zugegeben: Dass dem Konvoi auf einer Schnellstraße nahe Las Vegas ein frisch verheiratetes, betrunkenes Pärchen im Auto entgegenkommt, das dann sogleich frontal mit dem Transporter zusammenstößt, wodurch es zur großen Explosion kommt und das Experiment in die Freiheit gelangt, dafür können die Soldaten wenig. Dass sie auf die Aufforderung der Zentrale, „sofort den Einsatzort zu verlassen!!!“, eher geschmeidig reagieren und dem erst nachkommen, als ein aggressives, humanoides Monstrum aus dem Container springt und sich durch ihre Reihen frisst und dann auch noch nach 50 Metern seelenruhig pausieren, nur um doch noch zerfetzt zu werden – da ließe sich dann durchaus über eine Nominierung für den Darwin-Award diskutieren, der seit 1994 für besonders dumme Todesfälle vergeben wird.

Das blutige Gemetzel ist damit natürlich längst nicht vorbei, um die Ecke liegt schließlich die Stadt der Sünde. Dort fallen das Monster und seine neu infizierten Kollegen ein, stiften Chaos und sorgen für jede Menge lebendiger Leichen respektive Gleichgesinnter. Willkommen bei Army of the Dead, mit dem Zack Snyder nach dem Re-Cut von Justice League innerhalb weniger Wochen seinen zweiten Film vorlegt und zu seinen Wurzeln zurückkehrt. Dawn of the Dead, das Remake von George Romeros Zombie (1978), war anno 2004 schließlich Snyders Langfilmdebüt, exklusiv für Netflix lässt er die Untoten nun erneut auf Gedärme und Gehirne los. Herausgekommen ist so ziemlich das, was man erwarten durfte – und genau deshalb macht Army of Dead sehr viel Laune.

Der typischen, ja unvermeidlichen Snyder’schen Intro-Montage, bei der zu einem Cover von Viva las Vegas in ausladenden Zeitlupensequenzen die Metamorphose vom Glücksspiel- hin zum Zombieparadies und damit die Vorgeschichte der kommenden mehr als zwei Stunden erzählt wird, folgt ein simpler Plot-Aufhänger: Vegas ist abgeriegelt, die Anwohner sind entweder unter den lebenden Toten oder vegetieren in nahen Flüchtlingscamps ohne Perspektive vor sich hin. Zugleich zieht es immer wieder Plünderer in die Stadt, die die dortigen Casino-Tresore leerräumen wollen. Aber auch Rettungstrupps, die die letzten noch verbliebenen Menschen in Sicherheit bringen wollen.

Einer dieser Trupps wird geleitet von Scott Ward (Dave Bautista). Oder vielmehr: wurde. Inzwischen verdingt sich der Muskelberg mit Burgerbraten. Seine Tochter Kate (Ella Purnell), die sich um die Waisenkinder der Stadt kümmert, ist nicht mehr gut auf ihren Vater zu sprechen, seit der ihre Mutter töten musste. Eine Chance auf Versöhnung wittert Scott, als ihm der zwielichtige Geschäftsmann Tanaka (Hiroyuki Sanada) einen Plan vorschlägt: Aus einem ganz spezifischen Tresor soll Scott 200 Millionen Dollar herausholen, ein Viertel davon darf er für sich und sein Team einsacken. Seinen Anteil will Scott, so der Plan, Kate und deren Arbeit zur Verfügung stellen.

Doch zunächst muss überhaupt erstmal ein Team gefunden werden. Scott schnappt sich einen anderen Muskelberg (Omari Hardwick), eine Helipilotin (Tig Notaro), drei waffenversierte Damen (Ana de la Reguera, Nora Arnezeder und Samantha Win), einen auf YouTube gefeierten Kunstschützen (Raúl Castillo) und natürlich einen Safe-Knacker (Matthias Schweighöfer). Tochter Kate ist ebenfalls dabei, als sich diese erstaunlich diverse Truppe hinter die Mauern begibt, um das Geld zu holen – exakt einen Tag, bevor die Stadt durch eine Nuklearrakete pulverisiert werden soll.

Derart viel Text allein zur Handlungsprämisse ist angesichts der dünnen und alles andere als geistreichen Story von Army of the Dead eigentlich viel zu viel. Schneller zusammenfassen lässt sich das hier mit „Dawn of the Dead meets Ocean’s Eleven“: Zomie-Action plus Heist-Thriller und etwas Comedy. Letzteres findet sich vor allem in den platten Witzchen und prolligen Sprüchen, die Snyder (zugleich Autor) seinem schablonenhaften Figurenkabinett regelmäßig in den Mund legt. Und was sich mit den immer wieder forcierten emotionalen Charaktermomenten, allem voran dem über allem schwebenden Vater-Tochter-Konflikt, beißt. Zudem scheint hier zumindest zu Beginn etwas für Snyder Ungewöhnliches durch: politkritische Töne in Richtung US-Regierung und deren (vor allem unter Trump) menschenunwürdigen Umgang mit Geflüchteten, die in Camps eng an eng leben müssen, Armut und der Willkür des Sicherheitspersonals ausgesetzt sind und auf grausame Weise von ihren Kindern getrennt werden.

Diese Thematik wird einerseits aber nur grob angerissen und ist andererseits schnell vergessen, sobald das Tor zu Las Vegas durchquert ist und es die waffenstarrende Truppe mit den Untoten aufnehmen muss. Die in Schutt und Asche liegende Stadt gibt dafür eine Kulisse mit vielen Schauwerten ab, die angesichts der anfänglichen Ruhe auch wirken können. Denn anstatt direkt mit Zombiehorden konfrontiert zu werden, findet die Gruppe zunächst bergeweise durch die Sonne ausgetrocknete Leichen vor. Die wahre Bedrohung – hier versucht Snyder durchaus erfolgreich neue Impulse im Subgenre zu setzen – geht jedoch von den sogenannten Alphas aus, halbwegs intelligente Zombies, die taktisch im Rudel agieren, eine eigene soziale Struktur samt Hierarchie bilden und Vegas als ihr Königreich sehen, in dem sie unter gewissen Umständen sogar Eindringlinge dulden. Ach, und Siegfried und Roys nicht mehr ganz so lebendiger weißer Tiger schleicht in den Trümmern auch noch umher.

Seine eigentlichen Stärken spielt Army of Dead etwa ab der Hälfte aus, konkret dann, wenn die Action einsetzt. Plötzlich bekommen diese wandelnden Klischees von Charakteren so etwas wie Profil (das Showing liegt Snyder nach wie vor besser als das Telling), jeder Tod ist schmerzhaft, für das Publikum wie für die Betroffenen. Und der Splatter-Faktor schießt in stellenweise absurde Höhen, ohne jedoch ins Lächerliche abzugleiten. Der Regisseur liefert dann – teils wortwörtliche – Money Shots im Minutentakt ab, hält Tempo und Intensität auf konstant hohem Niveau und weiß auf diese Weise bestens zu unterhalten. Und dann auch noch diese wuchtigen Waffensounds – ein Traum!

Das steht dem Regisseur deutlich besser als das getragene, erzwungene Epos seiner letzten Filme, es scheint, als würde Snyder hier tatsächlich wieder Spaß am Filmemachen haben, anstatt sich auf Krampf in existenziellen Abhandlungen über das Wesen von maskierten Rächern zu ergehen. Das kann mit der richtigen Vorlage zwar funktionieren, siehe Watchmen (2009), wirkte in allem, was danach kam, aber mindestens bemüht. Hier nun steht wieder die pure Freude am ästhetischen Gewaltexzess gegen Untotenhorden im Vordergrund – mit Erfolg. Army of the Dead ist einer dieser Filme, die schnell in sich zusammenfallen, sobald man ein bisschen mehr über das Geschehen nachdenkt (Warum etwa ist das Ziel einer Last-Minute-Rettungsaktion, bei der nochmal alles riskiert wird, im finalen Showdown urplötzlich verschwunden?); der aufgrund seines Tempos und seiner Entertainment-Qualitäten allerdings auch kaum Luft dafür lässt. Army of the Dead ist puristisches und gutes (Zombie-)Entertainment – und will auch gar nicht mehr sein. Und das war nicht die schlechteste Entscheidung.

Army of the Dead (2021)

Nach dem Ausbruch einer Zombie-Epidemie in Las Vegas macht sich eine Gruppe von Söldnern in die Quarantänezone auf, um den größten Raub aller Zeiten durchzuziehen.

  • Trailer
  • Bilder

Meinungen

MOMO · 01.06.2021

Ich persönlich fand den Streifen kurzweilig, wenn auch langatmig.
Allerdings muss ich ala Big-Bang-Theory an Indiana Jones: Lost Ark sagen: Der als Zombie-Heist konzipierte Plot ist komplett sinnfei. Wer bitte schön macht sich auf einen Millionenraubzug, wenn die Welt und ihre komplette Wirtschaft in Trümmern liegen, Geld somit völlig wertloses Buntpapier geworden ist, das nur noch zum A*** abwischen taugt??? Das ist der erste Zombieapokalypse-Streifen, wo einem verkauft wird, dass es noch was zu kaufen gäbe. Sorry, aber das ist völlig Banane - hahaha...

Martin Betzwieser · 22.05.2021

Der Film funktioniert an vielen Stellen sehr gut und macht Laune.
Allerdings hat er zwei sehr große Nachteile, welche die Qualität mindern.
1.) Die Splätter- und Explosionseffekte sind deutlich sichtbar digital und sehen unecht aus.
2.) Zunächst hatte ich noch Hoffnung, dass Deutschlands Berufs-Nervensäge Matthias Schweighöfer unter einer kompetenten Regie wieder eine gute Leistung zeigt. Am Anfang geht das auch noch; er hält sich erfreulich zurück. Doch nach und nach scheint ihn der Regisseur nicht mehr im Griff zu haben und lässt im absichtlich oder unabsichtlich freien Lauf und so zeigt Schweighöfer seine übliche Schweighöfer-Show aus affektiertem Gehampel und hysterischem Gekreische. Seine grotesken Darbietungen ziehen den Film in jeder seiner Szenen auf unfeiwillige Komik herunter.
Zum Schluss stimmt auch das Tempo nicht mehr. Zehn Minuten vor dem Nuklearwaffen-Einschlag wird noch über Familienprobleme gequatscht. Eine halbe Stunden weniger Laufzeit wäre besser gewesen. Aber viellicht kommt hier auch noch die eine oder andere neue Version.

Niklas · 26.05.2021

Schweighöfer und Snyder verstehen sich sehr gut. Daher hat Snyder auch Schweighöfer so viel Freiheiten gelassen. Seine Art, die bei uns teilweise schon nervig rüberkommt, wirkt bei vielen in Amerika ganz anders. Die finden ihn sogar oft ziemlich witzig. Weil die beiden sich übrigens so gut verstehen, macht Schweighöfer gerade ein Prequel, wo er Regie und Schauspieler über die Vorgeschichte seines Charakters ist.