Houston

Eine Filmkritik von Silvy Pommerenke

Der Welt abhandengekommen

Bastian Günther hat ein Faible für Autos. Wie auch in seinem Debütfilm Autopiloten verbringen seine Schauspieler viel Zeit in den Blechschlitten, nutzen den Wagen als Thinktank, schlafen darin oder, wie im Fall von Clemens Trunschka (Ulrich Tukur), besaufen sich dort. Abgesondert von der Außenwelt scheint es ein sicherer Ort zu sein, wären da nur nicht die Probleme, dass man sich selbst mitnimmt und damit auch die eigene Unzulänglichkeit.
Houston könnte vom Plot als Thriller durchgehen, auch das Genre des Roadmovies wäre zutreffend, aber letztendlich ist es ein Drama um den Verfall seines Hauptdarstellers Clem, der sukzessive von seiner Alkoholsucht zerfressen wird. Die resultiert aus seinem bislang erfolgreichen Job als Headhunter und der damit einhergehenden Unvereinbarkeit von steiler Karriereleiter und gleichzeitig funktionierendem Familienleben. Trunschka erhält einen neuen Auftrag, der ihn hoffen lässt, dass damit sein Leben wieder in geordneten Bahnen verläuft. Denn für seine Frau Christine (Jenny Schily) und seine beiden Kinder ist sein Suchtverhalten unerträglich geworden, und er kommt seinen Verpflichtungen als Ehemann und Vater längst nicht mehr nach. Aber das Abwerben des Top Managers Steve Ringer stellt ihn vor ungeahnte Schwierigkeiten. Egal, was Clemens auch versucht, Ringer ist immer unnahbar, nicht greifbar. Nachdem in Deutschland eine Kontaktaufnahme scheitert, reist der Headhunter dem CEO nach Houston hinterher, aber auch dort verliert sich Trunschka in seinen Bemühungen, seinen Auftrag erfolgreich zu Ende zu bringen. Selbst die Hilfe einer Hotelbekanntschaft, Robert Wagner (Garret Dillahunt), führt ihn nicht zu seiner Zielperson. Und das, obwohl Robert ihn in die Upperclass von Houston einführt und die absurdesten Ideen hat, um dem Gespenst Ringer nahezukommen…

Dass sich Bastian Günther die Metropole Houston als Hauptdrehort für seinen neuen Film ausgesucht hat, ist naheliegend, denn diese Stadt steht symbolhaft für die globale Wirtschafts- und Handelswelt. Reichtum und Armut liegen direkt beieinander und neben dem alkoholgetränkten Schicksal von Clemens Trunschka wird in Houston die Profitgier der Großkonzerne angeprangert. Dass Clemens den Top Manager Ringer nicht persönlich treffen kann, ist eine offene Kritik an unserem Wirtschaftssystem, das seine führenden Köpfe mit außerordentlichen Gehältern und zusätzlichen Boni füttert, ohne dass diese zur Verantwortung gezogen werden für die Katastrophen, die sie anrichten: Immobilienkrise, Ölkatastrophen, Bankencrash. Die Werte, die diese Menschen zum Ziel haben, sind einzig materieller Reichtum und beruflicher Erfolg. So hört denn auch Trunschka ständig in seinem Wagen eine Motivations-CD, die genau dies zum Thema hat – was im Publikum zu berechtigter Belustigung führt. Clemens ist nur ein Opfer von vielen, das an diesen Werten zugrunde geht. Nach außen hin funktioniert der Headhunter noch irgendwie, aber innerlich zerfrisst ihn seine Alkoholsucht. Regisseur Günther bringt dies meist subtil zum Ausdruck, es ist weniger ein unkontrolliertes Saufen zu sehen, sondern der Zuschauer hört meistens nur das Klirren der Eiswürfel im Glas, begleitet von den einsamen Blicken Trunschkas aus steril anmutenden Hotelzimmern in die Betonwüste Houstons, die ästhetisch aber gleichzeitig menschenleer ist. Die größte Aussagekraft erhält der Film jedoch durch seine Bilder, die durch wackelnde Handkamera, verschwommene Bilder, dauerhafte Verwendung eines Fischauges und das Übereinanderlegen von Motiven einen permanenten Rauschzustand suggeriert. Zudem wirkt der Film wie ein Roman von Paul Auster, in dem Realität und Fiktion verschwimmen, und es stellt sich die Frage, ob Ringer überhaupt existiert und Wagner nicht einfach nur das Alter Ego von Trunschka ist.

Ulrich Tukur brilliert in Houston, es gibt keine Szene, in der er nicht zu sehen ist, und durch die Darstellung der inneren Zerrissenheit seiner Figur, erhält der Film eine psychologische Tiefe, die vom Zuschauer erst einmal ausgehalten werden muss. Wenn man sich aber auf die Intensität einlässt, die vielfältigen Ausdeutungen zulässt, die rauschhaften Bilder genießt und vor allem das Spiel Tukurs betrachtet, dann ist Houston ein Film, der noch sehr lange nachhallt.

Houston

Bastian Günther hat ein Faible für Autos. Wie auch in seinem Debütfilm „Autopiloten“ verbringen seine Schauspieler viel Zeit in den Blechschlitten, nutzen den Wagen als Thinktank, schlafen darin oder, wie im Fall von Clemens Trunschka (Ulrich Tukur), besaufen sich dort. Abgesondert von der Außenwelt scheint es ein sicherer Ort zu sein, wären da nur nicht die Probleme, dass man sich selbst mitnimmt und damit auch die eigene Unzulänglichkeit.
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Meinungen

johanna seeher + egon molde, bremen · 12.12.2013

wir haben den film houston gesehen und fanden ihn sehr gut,
besonders gut fanden wir die kamara-führung.