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Pablo Larraín arbeitet sich an Prinzessin Diana ab. Das ist nicht nur ästhetisch ein Genuss.

Spencer (2021)

Eine Filmkritik von Maria Wiesner

Perlen in der königlichen Suppe

Pablo Larraín hegt eine gewisse Faszination für reiche, verstörte Frauen. Nach „Jackie“, in dem Natalie Portman die trauernde Witwe von John F. Kennedy spielte, widmet er sich in „Spencer“ Prinzessin Diana. Kristen Stewart, von der wir wissen, dass sie mit dem richten Regiepartner wahre Wunder ihrer Kunst vollbringen kann (wer es bezweifelt, schaue sich noch einmal David Finchers „Panic Room“ oder Olivier Assayas„Personal Shopper“ an), wirft sich komplett in die Rolle der verlorenen Diana. Zu einer Klaviersonate fährt sie im offenen Porsche durch die englische Landschaft, betritt in Chanels Tartan-Tweet gewandet und mit blondem Föhnhaar ein Pub, um nach dem Weg zu fragen. Alle Gäste erkennen sie, flüstern ihren Namen, erstarren zu einem Tableau vivant, während sie fragend im schönsten Upper-Class-Englisch die Runde haucht: „Excuse me, I’m looking for somewhere. There are no signs. Where am I?“

Diana ist auf dem Weg zur dreitägigen Weihnachtsfeier der königlichen Familie auf Schloss Sandringham und die Frage müsste wohl vielmehr heißen: „who am I“, denn die junge Frau hat nicht nur den Weg verloren, sie ist auf der Suche nach sich selbst. Im Schloss angekommen, beschweren sich nicht nur ihre beiden Söhne über die Kälte, Diana schimpft über die Sparsamkeit: „Jedes Jahr sage ich, sie sollen die Heizung hochdrehen, stattdessen ersticken sie uns in Decken.“ So warm wie die Räume ist auch der Empfang durch die königliche Familie.

Diana ist eine Außenseiterin, die um Anerkennung kämpft und sich nach Liebe sehnt. Die drei Weihnachtstage hingegen sind geprägt von steifer Tradition, strikten Abläufen und förmlicher Distanz, die bis in die Schlafzimmer der Eheleute reicht — Diana und Charles teilen sich hier noch nicht einmal einen Raum, jeder bewohnt eigene Gemächer.

Larraín inszeniert das Weihnachtsfest als Trip, der immer tiefer in die Neurosen der jungen Frau führt. Wenn Diana die Gänge des Schlosses entlangläuft, muss man unweigerlich an die Fahrten des jungen Danny in den unendlichen Fluren des Overlook-Hotels in Shining denken. Hinter jeder Biegung folgt die nächste, die Räume bilden eine klaustrophobische eigene Welt, in der Wahrheit und Wahn verschwimmen. In einer beklemmenden Szene wird Diana während des Abendessens ihre dicke Perlenkette zerreißen, ein Geschenk das Charles ihr zu Weihnachten machte und von dem sie weiß, dass seine Geliebte genau den gleichen Schmuck erhalten hat. Die Perlen fallen in die grüne Erbsensuppe und Diana wird sie mit Hass im Blick auslöffeln und knackend zwischen den Zähnen zermahlen. Nur um kurz darauf mit völlig intakter Kette ihr Abendessen in eine Toilette zu kotzen.

Über das Essen, das von einem ganzen Bataillon Köche im Keller des Schlosses zubereitet wird, könnte man einen eigenen Text schreiben (jeder Gang wird vom Chefkoch immer wieder in all seinen Einzelheiten aufgezählt), ebenso über die Kostüme, die Stewart hier trägt. Jedes einem echten Diana-Outfit nachempfunden, vom roten Mantel, den sie während des Besuchs der Kapelle zum Weihnachtsgottesdienst überwarf, über das gelbe Kostüm mit gleichfarbigem Hut bis zum Hochzeitskleid. So wie schon in Jackie oder dem Wahldrama No nutzt Larraín historisches Bild- und Videomaterial, das er zur Vorlage nimmt und in seiner eigenen Geschichte von den eigenen Darstellern nachstellen lässt. In Spencer ist das die Weihnachtsansprache der Queen und ein Gruppenfoto, beides Bilder, die ins kulturelle Gedächtnis der Zuschauer greifen und dem Film eine weitere Schicht im Spiel zwischen Wahrheit und (Kunst-)Wahn hinzufügen.

Es ist dieser schmale Rahmen der Realität, der Spencer Halt gibt. Das Thema, das der Film verhandelt, ist nicht allein das Drama der jungen Frau, die aus ihrer unglücklichen Ehe ausbrechen will. Es ist der kritische Blick auf alte Traditionen, ein Abgesang auf das Konservative und — auch das ein wiederkehrendes Thema in Larraíns Filmen — eine Bankrotterklärung der Ehe als Institution.

Spencer (2021)

Im Jahr 1991 beschließt Princess Di während ihrer Weihnachtsferien mit der königlichen Familie im Sandringham House in Norfolk, ihr Leben als Princess of Wales und ihre Ehe mit Prince Charles zu beenden.

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Meinungen

Sara · 07.01.2022

"Spencer" presents the story of an absolutely mad and unreasonable Princess Diana, constantly obsessed with the tragic fate of Anne Boylen (another royal wife killed by her husband in order to be replaced by his new love interest). How much does this perspective correspond to the hystorical truth? The discussion remains open...

Indeed "Gillie" makes a wonderful role, that surpasses all expectations!!

However it has to be said that her acting is by far too forced, affected...

This was probably the director's perspective...

Not even in extremely prosaic life circumstances Diana can speak normally.. Everything is overdone...

Too much tension, too much histrionism in her acting, even in scenes where it wouldn't have been necessary...

But all in all, an interesting movie.